Neue Lehrpläne für Sachsens Schulen

Neue Lehrpläne für Sachsens Schulen

Mehr politische Bildung, Medienbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung –  das ist das Ziel überarbeiteter Lehrpläne, die ab kommendem Schuljahr Grundlage des Unterrichts an allgemeinbildenden Schulen sein werden. Die Lehrpläne wurden jetzt veröffentlicht.

Warum die Lehrpläne überarbeitet  wurden

„Der Umgang mit Pluralität und Digitalisierung in der Gesellschaft, die Reaktion auf klimatische Veränderungen sowie die Erschöpfung natürlicher Ressourcen sind zukunftsentscheidende Fragen. Diese Fragen müssen auch im Unterricht gebührend behandelt werden“, unterstreicht Kultusminister Christian Piwarz.

Mehr noch: Schüler von heute sollen später einmal mündige Bürger sein, die sozial handeln, sich eine eigene Meinung bilden können, für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten und Menschen vorurteilsfrei begegnen, unabhängig von ihrer ethnischen und kulturellen Herkunft. So lautet der im Schulgesetz verankerte Bildungs- und Erziehungsauftrag von Schulen. Schule soll auch Schüler ermutigen, sich mit Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, mit Politik, Wirtschaft und Umwelt und auseinanderzusetzen. „Genau deshalb stärken wir mit der Lehrplanüberarbeitung die Medienbildung, politische Bildung und die Bildung für nachhaltige Entwicklung“, so Kultusminister Christian Piwarz.

Eine Überarbeitung der Lehrpläne war aber auch aus einem anderen Grund notwendig. Im kommenden Schuljahr treten neue Stundentafeln in Kraft. In einigen Fächern werden weniger Unterrichtsstunden gegeben, in anderen dafür mehr. Letzteres betrifft vor allem die politische Bildung. So wird für Schüler an Oberschulen in der 7. und 8. Jahrgangsstufe je eine Stunde Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung zur Pflicht. Auch im Gymnasium wird die politische Bildung gestärkt. Das Unterrichtsfach Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft wird nunmehr bereits ab Klassenstufe 7 unterrichtet.

Wie wurden die Lehrpläne überarbeitet?

Rund 90 Fachlehrpläne wurden von Fachlehrkräften und Fachreferenten seit September vergangenen Jahres analysiert, bewertet und überarbeitet. In den Fächern, die von Kürzungen betroffen sind oder die neu hinzugekommen sind, haben die Aufgabe extra berufene Lehrplankommissionen übernommen. Im Falle neuer Lehrpläne ist auch wissenschaftliche Expertise zu Rate gezogen worden. So hat Prof. Anja Besand, TU Dresden, an den neuen Lehrplänen für die Fächer GK und G/R/W mitgewirkt.

Bei der Lehrplanüberarbeitung war es vorab auch notwendig grundsätzliche Fragen zu beantworten:

  • Welchen Beitrag hat das Fach zur allgemeinen Bildung?
  • Müssen die didaktischen Grundsätze angepasst werden?
  • Welche speziellen fachlichen Ziele müssen beachtet werden?
  • Wie muss sich dieses in den Lernbereichen widerspiegeln?

Zwei Maßgaben galt es bei der Überarbeitung zu beachten:

  • Die Fachlichkeit der Lehrpläne hat höchste Priorität.
  • Die Durchlässigkeit zwischen den Schularten muss gesichert sein.

Sind die Lehrpläne im Ergebnis voller oder entschlackt worden?

Beides trifft zu. Zum einen wurden Lernziele und -inhalte gestrichen und als Bemerkung aufgenommen. Auch wurden Lernziele in der Behandlungstiefe reduziert. Aus Wahlpflichtbereichen, wurden Wahlbereiche. Das bedeutet, diese Themen im Lehrplan können, aber müssen nicht in Unterricht behandelt werden. Damit kann besser auf die individuelle Klassensituation reagiert werden. Zum anderen wurden aber auch neue Lernziele und Inhalte moderat hinzugefügt.

Auch didaktische Grundsätze wurden überarbeitet

Bei der Überarbeitung der Lehrpläne wurden auch die didaktischen Grundsätze, die überfachlichen Ziele und die Bildungs- und Erziehungsziele der jeweiligen Schulart angepasst. Die Stärkung der Medienbildung, politische Bildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung findet sich daher nicht nur in den jeweiligen Lernbereichen wieder.

So ist die Stärkung der politischen Bildung ist erklärtes Bildungs- und Erziehungsziel jeder Schulart. In den didaktischen Grundsätzen sind auch Arbeitsmethoden der politischen Bildung wie z. B. Rollen- und Planspiele, Streitgespräche oder Pro- und Kontradebatten fest verankert. Hier gilt es, das Prinzip der Kontroversität altersspezifisch kennenzulernen.

Zur Medienbildung wurde als grundlegendes Ziel der gesamten Lehrplan-Arbeit formuliert: „Schüler lernen, sich souverän und kritisch mit herkömmlichen und digitalen Medien auseinanderzusetzen. Sie erwerben Kompetenzen, wie Quellen kritisch zu bewerten sind, sich mehrerer Quellen zu bedienen, andere Meinungen anzuhören und Fakten zu kontrollieren.“

„Damit stärken wir die schulische Bildung in gesellschaftlich sehr relevanten Themenfeldern und machen sie zur Aufgabe für alle allgemeinbildenden Schulen und in fast allen Unterrichtsfächern“, macht der Kultusminister deutlich.

Ausgewählte Beispiele aus den überarbeiteten Lehrplänen

Politische Bildung

Zur Stärkung der politischen Bildung wird z. B. im Gymnasium, Fach G/R/W, Klasse 7, der neue Lernbereich „Partizipationsmöglichkeiten Jugendlicher auf kommunaler Ebene“ eingeführt. Hier sollen die Schüler Einblicke in verschiedene Partizipationsformen, der kommunalen Selbstverwaltung bekommen und Beteiligungsmöglichkeiten beurteilen.

Medienbildung

Bei der Medienbildung geht es nicht allein um die Anwendung digitaler Technik. Schüler sollten auch journalistische Kompetenzen erwerben, wie zum Beispiel Quellen kritisch zu bewerten, sich mehrerer Quellen zu bedienen, die Gegenseite anzuhören, Fakten zu kontrollieren. Damit wird Medienbildung auch zur politischen Bildung.

So ist das Lernen mit digitalen Medien umzugehen, bereits Gegenstand des Deutschunterrichtes in Klassenstufe 4. Dabei sollen sich bereits auch Grundschüler mit den Chancen und Risiken digitaler Medien auseinandersetzen.

Grundschüler sollen im Werkunterricht auch schon erste Einblicke in die Einsatzbereiche von Robotern und Automaten bekommen.

Wie man sich im Internet souverän aber auch kritisch Informationen verschafft, wird in der Oberschule im Hauptschulbildungsgang, Klst. 7, u.a. im Fach Deutsch vertieft. Ähnlich, aber etwas ausführlicher und damit vertiefender setzen sich Realschüler und Gymnasiasten mit dem Thema auseinander.

So sollen Schüler zum Beispiel im Fach Deutsch Klasse 7, Gymnasien, Strategien zur Informationsbeschaffung lernen, sich mit journalistischen Texten beschäftigen, dabei journalistische Stilformen kennenlernen und die Anforderung einer Nachricht erfahren.

Eine Bewertung der Rolle von Influencern, Fake News und Social Bots gehört ebenso in den Unterricht. Beispielsweise ist dafür im Gymnasium, in G/R/W, Klassenstufe 8, extra der Lernbereich „Jugendliche und Medien in einer digitalisierten Welt“ ausgewiesen.

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

BNE ist neu als überfachliches Ziel in die Lernpläne aufgenommen worden. Schüler sollen lernen, sich ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltig zu verhalten und dafür einzusetzen. So werden sich z. B. Förderschüler künftig im Unterrichtsfach „Arbeitslehre“, Klasse 7, mit dem ökologischen Fußabdruck und dem fairen Handel von Gütern beschäftigen.

Wie geht es weiter?

Die überarbeiteten Lehrpläne sind veröffentlicht worden und unter dem Link  https://www.schule.sachsen.de/lpdb/ einsehbar.

Damit beginnt die Implementierung der Lehrpläne. Dazu startet eine Fortbildungsinitiative für Lehrerinnen und Lehrer und werden zielgruppenspezifische Materialien für Schulleitungen, Fachberater und Lehrkräfte bereitgestellt. Darüber hinaus wurden zur Unterstützung der pädagogischen und didaktisch-methodischen Arbeit der Lehrkräfte eine Lehrplan- und Materialiendatenbank weiterentwickelt und ein Info-Portal „Schulische Qualitätsentwicklung“ neu eingerichtet.

Da zum Zeitpunkt der Einführung von Gemeinschaftskunde ab Klassenstufe 7 in Oberschulen und Gymnasium noch kein spezifisches Lehrbuch vorliegen wird, wurde in Abstimmung mit der Landeszentrale für politische Bildung, der TU Dresden und dem Landesamt für Schule und Bildung ein Materialpool („Service-Paket“) zusammengestellt. Das Service-Paket wird in der Vorbereitungswoche an die Schulen gehen. Für das Themengebiet „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ gibt es bereits auf der Internetplattform www.bne-sachsen.de konkrete Unterrichtsbeispiele. Diese werden laufend ergänzt und erweitert.

Dirk Reelfs, Pressesprecher im Sächsischen Staatsministerium für Kultus

14 Kommentare

  1. Rückfrager 5 Jahren vor

    Ist bereits aufgefallen, dass Seite 2 des Mathematiklehrplans für Gymnasien zu einem anderen Fach – in diesem Fall GRW – gehört? Wurden die Lehrpläne vor Veröffentlichung kontrollgelesen?

    • Autor
      Dirk Reelfs - SMK 5 Jahren vor

      Sehr geehrter „Rückfrager“,
      der Verweis auf das in Kraft treten des Lehrplans GRW in den jeweiligen Klassenstufen ist bewusst auch in den Lehrplänen anderer Fächer aufgenommen worden. Es ist also kein Fehler.
      Viele Grüße aus der Pressestelle

  2. Praxis 5 Jahren vor

    “ Die Gegenüberstellung kommt spätestens in der Vorbereitungswoche…“- das ist alles viel zu spät! In der Woche muss schon der „Feinschliff“ kommen, es sind Projekte zu koordinieren usw. In den Kernfächern Kürzungen vorzunehmen ist völlig inakzeptabel. Eine Niveauabsenkung ist seit Jahren deutlich erkennbar,z.B. ib der schriftlichen Deutschprüfung Oberschule. Nun kommt das neue Zauberwort Digitalisierung und alles ist scheinbar gut, leider sieht die Realität anders aus…Fehlende Grundfertigkeiten bleiben auch mit digitaler Technik erhalten.

  3. Teichmann, Ivo 5 Jahren vor

    Die wichtigen Hauptfächer Mathe und Deutsch werden gekürzt. Das kann nicht gut sein. Ebenso sollte der Sportunterricht vor dem Hintergrund des bestehenden Bewegungsmangels vieler Kinder nicht reduziert werden. Mich überzeugen die neuen Lehrpläne deshalb nicht.

  4. Biolehrerin 5 Jahren vor

    Wird es eine Übergangsregelung geben? Durch die Kürzungen im Fach Biologie in Klasse 7 und die damit verbundene Vorverlagerung z.B. des Lernbereiches Zellbiologie in Klasse 6 bedeutet es faktisch für die jetzigen 6.Klassen, dass sie diesen Lernbereich im kommenden Schuljahr nicht haben werden und damit essentielles Grundlagenwissen (Aufbau der Zellen etc.) ja nicht vermittelt werden kann. Auch die derzeit vorhandenen Lehrbücher passen damit nicht mehr zum Lehrplan. Wie soll das bis Schuljahresbeginn geregelt werden?

    • Lynn Winkler - SMK 5 Jahren vor

      Liebe Biolehrerin,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Aufgrund des gleichzeitigen Einführens der Lehrpläne in allen Klassenstufen kann das leider nicht vermieden werden. Deshalb ist auch eine Übergangsregelung schwierig. Allerdings gibt es eine Empfehlung, die über die Schulleitungen an alle Fachlehrerinnen und Fachlehrer übermittelt wird: Durch die Reduzierung der Wochenstundenzahl in der Klassenstufe 7 ist es einmalig für diese Klassenstufe im Schuljahr 2019/20 – durch die Verlagerung der Inhalte „Pflanzliche und tierische Zellen“ als neuer Lernbereich 5 in Klassenstufe 6 – notwendig, diese Inhalte im Umfang von 4 Unterrichtsstunden in der Klassenstufe 7 zusätzlich zu unterrichten.

      Folgende Empfehlungen zur Umsetzung: Die Inhalte zu tierischen und pflanzlichen Zellen sollten zu Beginn des Schuljahres vor dem Lernbereich 1 Bakterien und Viren unterrichtet werden. Zur zeitlichen Kompensation kann beispielsweise einmalig auf den Wahlbereich verzichtet werden (Richtwert 2 Stunden). Zusätzlich kann im Lernbereich 3 Ernährung, Verdauung und Ausscheidung beim Menschen oder bei den experimentellen Anteilen im Lernbereich 1 Bakterien und Viren einmalig inhaltlich reduziert werden.

      Darüber hinaus sollte das längere Schuljahr 2019/20 die notwendige zeitliche Reserve bieten. Die Fachberaterinnen und Fachberater Biologie stehen den Fachkonferenzen jederzeit unterstützend zur Seite.

      Einen schönen Tag!
      Lynn Winkler

  5. Kozian 5 Jahren vor

    Statt Digitalisierung hätte ich mir eine Verschiebung auf Grundlagenwissen gewünscht. Interessant auch, dass sich Gymnasiasten zwar nun ab Klasse 7 politisch bilden sollen und mit dem Abitur die Geldpolitik der EZB im internationalen Kontext einordnen und bewerten können. Von Geldanlagen, Kontenarten, Verbindungen oder Unternehmensformen haben sie aber auch weiterhin keinen Plan. Wirtschaftliche Bildung zum mündigen Bürger kann ich im neuen Lehrplan nicht erkennen. Hauptsache Digitalisierung – schön nur, wenn dann auch das Internet schnell genug ist, die Technik in allen Unterrichtsräumen wäre und der Datenschutz überhaupt noch ein Zugriff auf Netzinhale zulässt – oder auf den Server. Bei aller Liebe zur Digitalisierung, mir wäre es lieber, die Schüler würden grammatikalisch und orthografisch korrekt schreiben. Ganz ohne technische Hilfe.

  6. Vater 5 Jahren vor

    Die Überarbeitung der Stundentafel bringt eine Reduzierung der zu unterrichtenden Stunden mit sich. Und somit eine Reduzierung der Ausfallstunden. Dann hoffen wir nur, das, wenn nächstes Jahr die erfolgreiche Reduzierung der Ausfallstunden gefeiert wird, nicht vergessen wird, an die Stundenreduzierung zu erinnern. Da ja auch Mathe reduziert wird, wäre es wichtig, auf diesen Zusammenhang deutlich hinzuweisen. Man könnte sonst glauben, es wäre tatsächlich was im Interesse der Bildung in Sachsen getan worden. Der Terminus „Entlastung“ ist doch Schönfärberei.

  7. Pitko 5 Jahren vor

    Es wäre sehr hilfreich, zeitgleich(!) mit den veränderten Lehrplänen eine Gegenüberstellung zu veröffentlichen, welche Teile gekürzt und, viel wichtiger: welche ergänzt worden sind. Nicht nur vor dem aktuellen Hintergrund der Erstellung des Medienbildungskonzepts im Rahmen des Digitalpakts wäre diese Unterstützung der damit beauftragten hunderten Lehrer, die diese Arbeit sicher nicht bis ins nächste Jahr verschieben wollen, einfach zu schön gewesen … Auch für die Arbeit aller Fachlehrer ist es in Vorbereitung auf das neue Schuljahr unerlässlich, sich mit den neuen Anforderungen so zügig wie möglich vertraut zu machen. Warum muss erst nach der Nadel im Heuhaufen gesucht werden?

    • Autor
      Dirk Reelfs - SMK 5 Jahren vor

      Sehr geehrter „Pitko“,
      die Gegenüberstellung kommt spätestens in der Vorbereitungswoche.
      Viele Grüße aus der Pressestelle

  8. Markus Gretzschel 5 Jahren vor

    Gibt es eine Synopse? Würde die Planung des Unterrichts für das neue Schuljahr sehr erleichtern.

    • Autor
      Dirk Reelfs - SMK 5 Jahren vor

      Sehr geehrter Herr Gretzschel,
      die gewünschte Synopse kommt spätestens in der Vorbereitungswoche.
      Viele Grüße aus der Pressestelle

  9. Vater 5 Jahren vor

    Nett wäre gewesen, die Kürzungen (welche Fächer in welchem Maße) den Erweiterungen (welche Fächer in welchem Maße) tabellarisch gegenüberzustellen. Überhaupt werden im Artikel die Kürzungen von Lerninhalten sehr viel weniger offen dargelegt als die Erweiterungen. Zudem gebietet es die Ehrlichkeit, als Grund der Reduzierung den Lehrermangel explizit mit zu nennen.