Wie können jugendliche Flüchtlinge mit keiner oder stark unterbrochener Bildungslaufbahn in Schulen und Arbeitsmarkt integriert werden? Das Kultusministerium versucht mit einem neuen Bildungsangebot diesen Jugendlichen eine Perspektive zu bieten.
Immer wieder erreichen jugendliche Flüchtlinge im Alter von etwa 15 Jahren den Freistaat Sachsen. Viele waren jahrelang auf der Flucht. Die meisten von ihnen haben zuvor eine Schule nur selten oder gar nicht besucht. Aufgrund ihres Alters ist eine Integration der Geflüchteten in eine Schule kaum möglich und auch nicht sinnvoll. Auf etwa 500 wird ihre Zahl geschätzt. »Diese Jugendlichen haben durch fehlende Sprach- und schulische Basiskenntnisse kaum Anschlussperspektiven. Um diesen Geflüchteten dennoch eine Zukunft zu ermöglichen, müssen wir kreative Wege gehen«, macht Kultusminister Christian Piwarz deutlich.
Wie lange dauert das Bildungsangebot?
Das neue Bildungsangebot »Lernen durch Praxis« ist genau für diese besondere Personengruppe konzipiert und zugeschnitten worden. Das Pilotprojekt greift auf Bewährtes zurück und orientiert sich an der Integrationskonzeption und am Berufsvorbereitungsjahr. Es wurden aber auch extra neue Lernmodule entwickelt. Ziel ist, geflüchtete Jugendliche ab 15 Jahren innerhalb von drei Jahren sprachlich und fachlich gepaart mit intensivem Praxislernen zur Ausbildungsreife oder in Beschäftigung zu führen. »Das ist zugegeben ein sehr ehrgeiziges Unterfangen. Aber wenn wir die Anstrengungen nicht unternehmen, werden die Probleme später noch viel größer«, so Kultusminister Christian Piwarz.
Wie ist das Pilotprojekt aufgebaut?
Das Bildungsangebot »Lernen durch Praxis« erstreckt sich über drei Jahre und teilt sich in zwei organisatorische Phasen. Im ersten Jahr lernen die Geflüchteten in speziellen Vorbereitungsklassen an Berufsschulzentren intensiv Deutsch als Zweitsprache. Teilweise können bereits im ersten Jahr auch Praktika in Betrieben oder Werkstätten der Schule durchgeführt werden. Ab dem zweiten Jahr beginnt die zweite Phase, die über zwei Jahre reicht. Hier gibt es nur noch an zwei Tagen Unterricht: im Fach Deutsch als Zweitsprache und zum Erwerb schulischer Basiskenntnisse. An den weiteren Tagen erwerben die Jugendlichen praktische Erfahrungen und berufspraktische Kompetenzen in den Werkstätten des Berufsschulzentrums oder in Betrieben vor Ort. Für das Bildungsprojekt »Lernen durch Praxis« gelten die Lehrpläne für Deutsch als Zweitsprache mit Grundlagen der Ausbildungsreife und Berufsorientierung und des Berufsvorbereitungsjahres. »Mit der intensiven Verzahnung von Unterricht an der Schule und den Praktika in Betrieben fördern wir zugleich die soziale Integration der Jugendlichen«, so Kultusminister Christian Piwarz.
Gibt es personelle Unterstützung?
Organisatorisch angebunden ist das neue Bildungsangebot an dem bestehenden Bildungsgang des zweijährigen Berufsvorbereitungsjahres. Damit stehen den Jugendlichen neben den Lehrkräften auch Praxisbegleiter und Sozialpädagogen zur Verfügung.
Wo startet das neue Bildungsangebot?
Den Anfang machen drei Berufsschulzentren in Hoyerswerda, Leipzig und Pirna: Dort nehmen seit Beginn des zweiten Schulhalbjahres* die ersten Flüchtlinge das neue Bildungsangebot wahr. Das Pilotprojekt soll im kommenden Schuljahr 2024/2025 mit zwei weiteren Berufsschulzentren in Chemnitz und Zwickau auf insgesamt fünf Standorte ausgedehnt werden. Unterstützung findet das Bildungsangebot durch die Berufsagentur für Arbeit und Unternehmen in der jeweiligen Region.
*Zunächst hatten wir vom zweiten Schuljahr geschrieben. Das war nicht korrekt. Es muss »zweites Schulhalbjahr« heißen. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. Vielen Dank an die aufmerksame Leserin.
Wo bekomm ich denn Informationen her welche Schule in Zwickau und Chemnitz das wären? Da ja Anmeldungen schon laufen, für das kommende Schuljahr.
Liebe Melina,
vielen Dank für die Nachfrage. Mit Beginn des Schuljahres 2024/25 sind es:
– BSZ für Ernährung, Gastgewerbe, Gesundheit Chemnitz
– BSZ für Bau- und Oberflächentechnik des Landkreises Zwickau
Die Anmeldung erfolgt in der Regel über das allgemeine neue Anmeldeportal https://www.schulportal.sachsen.de/bildungsberatung/. Für Rückfragen steht das Landesamt für Schule und Bildung zur Verfügung.
Herzliche Grüße
Lynn Winkler
Was tun wir eigentlich gegen den wachsenden Rechtsextremismus an sächsischen Schulen?
Lieber Jörn Bohn,
vielen Dank für Ihre Nachfrage. Unser Ziel ist es, die politische Bildung und Demokratieerziehung an Sachsens Schulen weiter zu stärken. Hier gibt es inzwischen zahlreiche Programme, Unterstützungsangebote und Materialien für Schulen. Unter der Kategorie „Politische Bildung“ informieren wir in unserem Blog regelmäßig zum Thema. Einen umfassenden Überblick zu allen Maßnahmen und Angeboten können Sie sich gern auf unserer Webseite zur politischen Bildung verschaffen: https://politische.bildung.sachsen.de. In diesem Zusammenhang verweise ich auch sehr gern auf das Poster zu den Beratungsangeboten für Schulen zur politischen Bildung, Demokratiestärkung und Unterstützung Radikalisierungsprävention: https://politische.bildung.sachsen.de/download/21_06_01_Poster_Beratungsangebote.pdf.
Es gibt beispielsweise das Programm »Starke Lehrer – starke Schüler« zur Förderung der pädagogischen Handlungskompetenz im Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit an Schulen im Freistaat Sachsen. Es unterstützt Schulleitungen, Lehrkräfte und andere pädagogische Akteurinnen und Akteure an den Schulen.
Als exemplarisches Schulprojekt sei „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ genannt, dazu berichteten wir auch kürzlich hier im Blog: https://www.bildung.sachsen.de/blog/index.php/2023/12/15/immer-mehr-schulen-gegen-rechtsextremismus/.
Der Ombudsmann der Sächsischen Staatsregierung gegen Diskriminierung an Schulen im Freistaat Sachsen hilft in Einzelfällen, etwaige Konfliktfälle als neutrale Instanz gemeinsam mit den Beteiligten zu analysieren und zu befrieden. Des Weiteren konzentriert sich der Ombudsmann auf die Analyse und Stärkung des Ist-Zustands an Schulen, dabei insbesondere auf Strategien und Maßnahmen zur Identifizierung, Intervention und Prävention von und bei Diskriminierung jeglicher Art (www.smk.sachsen.de/beauftragter-gegen-diskriminierung-an-schulen.html).
Mit Beratung auf Anfrage bietet zudem OFEK Sachsen zielgerichtete Unterstützung bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung in der Schule (https://ofek-beratung.de/sachsen).
Aktuell wird zudem das Handlungskonzept »W wie Werte« zur Stärkung der politischen Bildung überarbeitet.
Darüber hinaus gibt es seit dem Wintersemester für alle angehenden Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen unabhängig von ihrer jeweiligen Fächerkombination im Studium ein Modul „Politische Bildung“.
Auch in unserer neuen KLASSE wird es ein Interview zur Politischen Bildung geben.
Ich hoffe, dieser verknappte Überblick gibt Ihnen einen Eindruck zur engagierten Arbeit der Kolleginnen und Kollegen, die gemeinsam mit den verschiedenen Partnern geleistet wird.
Herzliche Grüße
Lynn Winkler