Schulgesetzentwurf: Kultusministerin stellt sich auf Bürgerdialog

Schulgesetzentwurf: Kultusministerin stellt sich auf Bürgerdialog

Es ist der letzte Bürgerdialog zum Schulgesetzentwurf, zu dem Kultusministerin Brunhild Kurth gestern abend in das BSZ „Gustav Anton Zeuner“ in Dresden eingeladen hatte. Rund 100 Menschen sind der Einladung gefolgt. Ein Bericht von Manja Kelch (Video) und Andreas Herrmann (Text).

Die zehnte Etappe war als Abschluss als schwerste vorhersehbar: Denn nun galt es, Farbe zu bekennen. Was haben die neun Etappen des Bürgerdialoges am Anfang des Jahres gebracht, welche der Einwendungen war argumentativ so stark oder häufig genug, um in den zweiten Regierungsentwurf zu kommen?

Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth vermied auf der Zielgeraden im Dresdner Berufsschulzentrum „Gustav Adolf Zeuner“ die vorher häufig verwandte Metapher vom „Marathon“, brachte aber nochmal ihre Enttäuschung über manche Äußerung nach der Vorstellung des neuen Entwurfes mit 40 Änderungen zum Ausdruck: Als „Makulatur“ oder „Alibi“ wurden dabei die Foren bezeichnet – das Gegenteil bewiesen jedoch die Veranstaltungen selbst, wobei die Erkenntnis der Quintessenz aber Zeit zum Zuhören benötigt. So wie hier.

Dialog als beste Methode

Denn im direkten Dialog war die Kritik am Verfahren minimal – und bessere Methoden als diese Art von moderierten Bürgerwerkstätten echte Mangelware. Zumindest, wenn in endlicher Zeit ein tragfähiger Kompromiss – in diesem Falle ein möglichst langlebiges Schulgesetz herauskommen soll. Mit „Enttäuschten Erwartungen“ oder „Wenige Überraschungen“ – so andere Headlines – könne sie aber leben, betont Kurth, denn das liege in der Natur der Sache.

Diese war diesmal anders gestrickt: Denn es sollte ja nun erklärt werden, warum es diese oder jene Änderung nicht in den Entwurf geschafft hat. Dazu mussten sich die rund 100 Gäste in fünf einstündige Diskussionsrunden aufteilen – zwei zum Dauerbrenner Inklusion, drei allgemein zum Schulgesetz. Die Ministerin hatte dafür neun, mittlerweile allesamt dialogreife Experten mitgebracht.

 

 

Zuvor jedoch hatte Moderator Ralf Krüger die anspruchsvolle Aufgabe, die Einwendungen systematisch zusammenzufassen. Das war aufschlussreich, weil in der Öffentlichkeit eher die gut organisierten Lauten dominieren, die meist nur vermeintlich in der Mehrheit sind. Während der neun öffentlichen Foren in Schulen in ganz Sachsen, an denen vorwiegend Lehrer, Eltern, Schüler, aber auch Vertreter der Schulträger, aus dem Sozialbereich, der Kirche, der Wirtschaft und aus der Politik teilnahmen, gab es 430 schriftliche Hinweise und Stellungnahmen, dazu kamen über die Dialog-Netzpräsenz 570 Kommentare. Von diesen 1000 Einwendungen, so Krüger, hatten 660 einen Bezug zum Gesetz. Dabei gab es konkrete Forderungen, teilweise auch mit genauem Bezug zu einem Paragraphen im Gesetz. Es gab auch reine Meinungsäußerungen, Zustandsbeschreibungen oder schlicht Wahrnehmungen. Als Beispiel für ein wenig ein Abwechslung bei der aufwändigen Sichtung nannte Krüger eine Postkarte mit der Botschaft: „Schlafräume! Keine Hausaufgaben! Whirlpool!“ Das sei aber die absolute Ausnahme. Bei der Online-Konsultation waren die Hinweise wesentlich umfangreicher, es gab auch exklusive Forderungen wie Erhalt der Schulbibliotheken. Auch die Abschaffung der Schulpflicht als solche war vermehrt Thema: Von 120 Einwänden hierzu kam die Hälfte nicht aus Sachsen und oft gerieten sie wortgleich.

Hitliste der Einwände

Die Hitliste der Einwandkategorien gewann „Inklusion“ (ein Drittel aller Einwände) und mit großem Abstand folgten die Themen „Ausstattung von Schulen“, „Eigenverantwortung von Schulen“ und „Schulstandorte im ländlichen Raum“.

Weitere Themen unter den Stellungnahmen waren Klassenstärken, mehr Lehrer, Schulsozialarbeiter, aber auch Gemeinschaftsschule und längeres gemeinsames Lernen. Auch die Passage zu Berufsschulen mit Mindestschülerzahl und Schulnetzplanung bei den regionalen Planungsverbänden geriet in Kritik. Letztlich, so fasste Krüger zusammen, ging es dank Deckungsgleichheit im Kern um etwa 30 Forderungen, die immer wieder auftauchten, der Rest waren jede Menge Einzelaspekte.

Die Klassenstärke sei allerdings nicht verhandelbar, sagte Kurth im Auditorium. Sie kämpfe viel mehr für den Erhalt des Klassenteilers 28, der für manche durchaus höher ausfallen könne. Ebenfalls nicht machbar sei eine Fortsetzung der Dialogforen bei der Ausgestaltung der Rechtsvorschriften und Verwaltungsrichtlinien, die allesamt überarbeitet werden müssen. Gleichwohl fänden auch dazu Anhörungen statt. Dass der folgende parlamentarische Prozess kein Zuckerschlecken wird, machte CDU-Bildungsexperte Patrick Schreiber gleich in seiner Tischrunde klar: Berufsschulnetzplanung bei den regionalen Planungsverbänden sei mit ihm nicht machbar, ein Umdenken dringend nötig.

Nach zehn Etappen mit rund 1 100 Teilnehmern fasst Ralf Krüger die Meinung des sechsköpfigen Moderatorenteams, welches sonst für heiklere Formen der Bürgerbeteiligung gebraucht wird, zusammen: „Ich habe selten bei so einem komplexen Verfahren eine derart ernsthafte, durchaus kritische, auch emotionale Diskussion erlebt, bei der alle Seiten das ehrliche Interesse hatten, ihr Thema, aber auch ihre Kompetenz einzubringen.“ Brunhild Kurth hätte sogar „gern noch zwei Stunden länger diskutiert“ und sagte zum Abschluss, dass auch dieser Abend ihr wieder Mut gemacht habe. Ihr Wunsch bleibt: Die Landtagsdebatte zur Abstimmung sollte noch in diesem Jahr stattfinden damit das Gesetz – mit allen Rechts- und Verwaltungsvorschriften – am 1. August 2017 in Kraft treten kann.

 

Fotoimpressionen vom Bürgerdialog in Dresden.

 

 

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