Dialogforum in Chemnitz: Die neunte und letzte Etappe

Dialogforum in Chemnitz: Die neunte und letzte Etappe

Eine gute Idee für den Abschluss der Dialogforen: Das Chemnitzer Berufliche Zentrum für Wirtschaft I war Gastgeber für die neunte Etappe des Bürgermarathons, mit dem das Kultusministerium zur Diskussion des neuen sächsische Schulgesetzes in Version der ersten Kabinettsfassung einlud. Einerseits bot die lichte Aula architektonisch akkurate Nachkriegsmoderne und andererseits zeigte die Einrichtung mitsamt den vielen Hinweisen in Zimmern und Fluren die breite Entwicklungspalette für Oberschüler nach ihrem Abschluss. Fotogalerie

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Foto: Nicole Herzog

Hier schloss sich ein Kreis: Denn nur zwölf Kilometer entfernt, in Frankenberg, begann fünf Wochen zuvor der Bürgerdialog zur Schulgesetznovelle – dem umfangreichsten Vorhaben der aktuellen Regierungskoalition. Zum Start waren es überraschende 90, nun zum Abschluss genau einhundert gut informierte Bürger, die sich an der Diskussion an fünf Thementischen, darunter zwei zum Thema Inklusion, beteiligten. Noch wichtiger: Es war einer der sachlichsten Abende überhaupt – so als ob alle auf Gastgeber Steffen Teichert, Oberstudienrat und Schulleiter, hören, der zur Begrüßung darum bat, nicht nur zu meckern und sich zum Schluss eine Wiederholung des „nötigen“ Dialogs wünschte – gern in seinem Ambiente, das gleichzeitig Berufs-, Fach- und Fachoberschule beherbergt.

Der Bürger als Impulsgeber

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Foto: Nicole Herzog

Doch Lob ist nicht Sinn der Sache, sondern Kritik wie Änderung – und die Einwürfe dazu entspannen sich wie überall am konzentriertesten beim Thema „Schule und Inklusion“, mit insgesamt 52 Teilnehmern wie überall das gefragteste. Dr. Antje Thiersch, Referatsleiterin für Integration, war bereits zum siebten Mal dabei. Sie traf alte Bekannte am Tisch, die schon in Torgau oder Zwickau dabei waren. Vom Landeselternrat musste sie sich einen Vorschlag erneut anhören: Zur Schulpflicht gehöre auch eine Beförderungspflicht. Es dürfe keineswegs der Willkür der Verkehrsverbünde überlassen bleiben, ob und wann sie Schüler transportieren – zum Beispiel Förderschüler zum Praktikum. Gerade der Verkehrsverbund Mittelsachsen lasse da nicht mit sich reden. Ein anderer Hinweis für sie war eine eigene  Förderklassifizierung für Autisten. Tischmoderator Ralf Krüger hatte beim Fazit zwei weitere wichtige Vorschläge aus der Runde parat: Je eher die Diagnostik erfolge, desto besser sei Förderung möglich. Und: Man könnte doch die Förderschulen ihrer jetzigen Aufgabe entsprechend umbenennen – und zwar in „Bildungs-, Beratungs- und Förderzentren“.

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Foto: Nicole Herzog

Moderatorin Susann Thomanek hatte am Tisch Schulausstattung als Fachexperten Burkhard Heinze, Referatsleiter für Personalbedarfsplanung am Tisch. Der erklärte mit grundsätzlicher Logik die beibehaltene zentrale Stellenbesetzung: In den kommenden beiden Sommern sind je rund eintausend Lehrerstellen altersbedingt neu zu besetzen. Dazu kommen 300 neue Lehrer für Inklusion – aber zwei Drittel aller Bewerber wollen unbedingt nach Leipzig oder Dresden, kaum einer aufs Land. „Bei Kandidatenüberschuss wären „schulscharfe Ausschreibungen“ wohl kein Problem“, betont Heinze.

1.000 Teilnehmer und rund 23 Stunden Diskussion

Hauptmoderator Markus Füller hatte es zum Schluss beim Nachfragen zur Quintessenz recht einfach, denn die Spannung war gewichen, die Stimmung gelöst: Der Bürgerdialog als „Neuland“, so Kurth, habe das Risiko vollauf gelohnt – im Nachhinein betrachtet, sei er zum „Wert an sich“ gewachsen und habe ihr großen Spaß gemacht. „Diese persönlichen Erfahrungen sind nicht aufzuwiegen – die Bilder vor Augen werden mit in das Gesetz einfließen“, versprach Brunhild Kurth unter Beifall und schloss ihre Mitarbeiter dabei ausdrücklich ein.

An Kurths Ziel hat sich in den neun Abenden mit rund 23 Stunden Diskussion und fast 1 000 Teilnehmern nichts geändert: Nach der Anhörung, die bis 7. März auch noch für jeden Bürger per Onlinepetition möglich ist, kommt ab Mitte März der Prozess der Auswertung und Einarbeitung, um Ende April nach der zweiten Kabinettsfassung den Gesetzentwurf „über die Elbe“ in den Landtag tragen zu können.
Ihr Plan sei, das neue Gesetz im November-Plenum des Landtages zu verabschieden, um am 1. August 2017 starten zu können, um behutsam in Budgetierung wie Inklusion einzusteigen. Davor, also genau in einem Jahr, liege aber die wohl härteste Arbeitsphase seit 1990 in ihrem Haus: „Denn alle, wirklich alle Verordnungen und Verwaltungsvorschriften müssen bis dahin neu geschrieben werden“, verweist sie auf die folgenden Hausaufgaben.

Links zur Onlinebeteiligung sowie zum Gesetzentwurf und zur Synopse.

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