Warum Bürgerdialoge keine Makulatur sind

Warum Bürgerdialoge keine Makulatur sind

Waren die Dialogforen zum Schulgesetzentwurf Makulatur oder gar eine Farce, wie immer noch behauptet wird? Landesschülerrat und Landeselternrat haben sich klar positioniert. Und das ist gut so, sagt Kultusministerin Brunhild Kurth.

Es sind nicht selten kleine Sätze, fein eingestreut im hinteren Teil von Pressemitteilungen, die in der öffentlichen Wahrnehmung schnell untergehen, aber es dennoch wert sind, ans Licht geholt zu werden. So schrieb der Landesschülerrat in seiner Pressemeldung zum zweiten Schulgesetzentwurf, die Beteiligungsverfahren seien keine Makulatur. Dort geäußerte Hinweise hätten beim Ministerium teilweise Gehör gefunden. Auch der Landeselternrat korrigierte frühere Äußerungen aus seinen Reihen. „Die Mehrheit der Eltern sehen daher inzwischen die Dialogrunden und Dialoge mit dem Kultus als gelungene demokratische Beiträge zur Gesetzgebung und nicht mehr als sogenannte Makulatur“, hieß es in einer Pressemitteilung des Landeselternrates. Buergerdialog-Chemnitz_Nicole-Herzog_20160301-09Ob beabsichtigt oder nicht, damit leisten beide Gremien großen Dienst für die Bürgerbeteiligung und Transparenz bei späteren Gesetzgebungsverfahren. Zwar hat sich die Politik zwischenzeitlich mehrfach zu mehr Dialog mit den Bürgern bekannt. Aber wird sie auch im Einzelfall daran festhalten, wenn die Gefahr besteht, dass am Ende die geweckte Erwartungshaltung viel größer ausfällt als die gesetzlichen Möglichkeiten, wie beim Schulgesetzentwurf geschehen? 660 begründete Hinweise gab es, aber lediglich 40 Änderungen am Gesetzentwurf seien vorgenommen worden und nicht wenige davon seien nur redaktioneller Art, so das medial geäußerte Meinungsbild. Enttäuschung machte sich breit.

Der gordische Knoten

Nun lässt sich trefflich entgegnen, dass es viele Korrekturen am Gesetzentwurf ohne Bürgerbeteiligung nicht gegeben hätte. Selbst die meisten redaktionellen Änderungen gehen auf Hinweise aus dem Anhörungsverfahren zurück. Ebenso ist es müßig zu erwähnen, dass viele Einwände deckungsgleich waren, wie zum Beispiel die Forderung nach Abschaffung der Schulpflicht. Auch flossen zahlreiche Forderungen zwar nicht in den Regierungsentwurf ein, werden aber künftig in Rechtsverordnungen, Schulordnungen oder mit anderen Gesetzen geregelt. Nicht zu vergessen der umstrittenste Teil im Gesetzentwurf – die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention: Über ein Drittel der Stellungnahmen zeichnete ein diametral auseinandergehendes Meinungsbild. Hier eine gesetzliche Lösung zu finden, die allen Wünschen gerecht wird, gleicht dem Durchschlagen eines gordischen Knotens. Das konnte bekanntlich nur Alexander der Große.

Eingeschlagenen Weg unbeirrt weitergehen

Doch ungeachtet dessen sollte Politik nicht immer medial veröffentlichten Meinungsbildern folgen. Oft ist es besser, einen eingeschlagenen Weg unbeirrt weiterzugehen. Bürgerbeteiligungen im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren sollten trotz produzierter Enttäuschungen nicht unter die Räder geraten. In Zeiten, in denen der Firniss der Zivilgesellschaft noch dünn, der Parteien- und Politikerverdruss groß ist, wäre dies das falsche Signal. Bürgerdialoge im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren wohnt ein demokratischer Bildungsprozess inne und zwar für beide Seiten – für die, die Gesetze schreiben und die, die darauf versuchen, Einfluss zu nehmen. Für beide gilt: Sie lernen voneinander. Das kann der parlamentarischen Demokratie nur dienlich sein.

Kritik ist normal

Und seien wir doch ehrlich: Dass auch am zweiten Schulgesetzentwurf Kritik geübt wird, ist ganz normal. Schüler, Eltern, Fachgremien und Institutionen – sie alle haben ihre persönlichen Expertisen und individuellen Wünsche und legen damit unterschiedliche Maßstäbe an den Schulgesetzentwurf. Mehr noch: Es wäre doch geradezu dumm, die Stimme jetzt nicht mehr zu erheben. Die Regierung hat dem eigentlichen Gesetzgeber, dem Sächsischen Landtag, mit ihrer Kabinettsentscheidung lediglich einen Gesetzesvorschlag unterbreitet. Die entscheidende Phase des Gesetzgebungsprozesses beginnt erst jetzt. Wer in dieser Situation als Interessensvertreter schweigt, droht politischen Selbstmord zu begehen.

Für mich steht die Entscheidung zumindest fest, der Dialogprozess hat sich gelohnt. Nicht zuletzt auch deshalb lade ich erneut zum Bürgerdialog ein.

 

Brunhild Kurth

Sächsische Staatsministerin für Kultus

Sächsische Staatsministerin für Kultus seit 2012

1 Kommentar

  1. Vater 8 Jahren vor

    Die aktuelle Lehrersituation, Kernproblem unseres sächs. Bildungssystems, wurde in den 90er Jahren wissentlich herbeigeführt in Absprache zwischen Gewerkschaften und Politik. Wie, liebe Frau Kurh, soll ich Ihnen Glauben schenken, das diese Kurzsichtigkeit nicht System hat und Sie diesmal nicht alles so auf Kante nähen, das kleinste Schwankungen (z.B. leicht steigende Schülerzahlen) das System an seine Grenzen führen? Die in Ihrem Beitrag genannte Politik(er)verdrossenheit hat vielleicht auch darin eine Ursache?