Bürgerforen nehmen Arbeit auf

Bürgerforen nehmen Arbeit auf

Das Projekt »Bildungsland Sachsen 2030« geht in die nächste Phase: In dieser Woche treffen sich erstmals die fünf regionalen Bildungsforen, um intensiv über die Vorschläge der Expertenräte zu beraten und diese hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit zu prüfen.

Insgesamt 218 Vorschläge liegen auf dem Tisch: Sollen Leistungen künftig ohne Ziffernnoten bewertet werden? Dürfen die Schülerinnen und Schüler künftig eigene digitale Geräte im Unterricht einsetzen? Bekommen Schülerinnen und Schüler künftig mehr Mitbestimmung bei der Gestaltung des Unterrichts? Sollen Schulen die Schüler mehr zum selbstorganisierten Lernen befähigen? Und wie müssen die Lehrpläne der Zukunft aussehen, damit die Kinder für die digitale Gesellschaft gewappnet sind?

Bildungsforen übernehmen Praxis-Check

Die Vorschläge sind in der ersten Jahreshälfte – im ersten Teil des öffentlichen Beratungsprozesses – entstanden: Vier Expertenräte mit insgesamt rund 85 Mitgliedern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kirchen, Schulpraxis und Kommunalebene haben sie in einem aufwändigen Prozess entwickelt.

In den regionalen Bildungsforen in Bautzen, Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau sind Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, aber auch Eltern, Schulleiterinnen und Schulleiter sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger vertreten. Die rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren im Juni ausgelost worden. Die Bildungsforen hatten sich noch vor den Ferien im Rahmen einer großen Veranstaltung konstituiert.

»Die Teilnehmenden sind für uns Experten aus der Praxis. Ihre Einschätzungen sind für uns extrem wichtig«, sagt Bildungsland-Projektleiter Matthias Böhme. »Wir wollen von ihnen wissen: Finden die Vorschläge der Expertinnen und Experten die Zustimmung draußen im Land?«

Konzept entsteht im Ministerium

Seit der Konstituierung im Juni hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Bildungsforen nun also schon Gelegenheit, sich mit den Vorschlägen zu befassen. In den Treffen geht es nun darum, strittige Maßnahmen zu diskutieren. Dabei hilft ein Ampelsystem: Vorschläge, die von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit grün bewertet werden, müssen nicht unbedingt vertieft diskutiert werden. Bei kontroversen Punkten sollen die Bildungsforen tiefer einsteigen und sogar eigene Stellungnahmen verfassen. Diese werden sie auf den Abschlussveranstaltungen im November persönlich an den Kultusminister übergeben.

Sobald die Bewertungen der Bildungsforen im Ministerium angekommen sind, übernimmt wieder die Projektgruppe die Entwicklungsarbeit: Auf Basis der Rückmeldungen und unter Beteiligung einer Schulleitergruppe wird anschließend ein Strategiepapier entstehen, das möglichst noch 2024 in die Umsetzung gehen soll.

Das fertige Konzept soll dann aufzeigen, welche Maßnahmen zur Entwicklung der Schule von morgen notwendig sind. Wobei: Einige der Punkte könnten erst nach politischen Diskussionen angegangen werden, sollten etwa Gesetzesänderungen notwendig werden. »Das geht dann ja nicht ohne den Landtag«, sagt Böhme. Weitere Punkte könnten auch andere Ministerien oder externe Kooperationspartner aus der Bildungslandschaft betreffen. »Ganz abgesehen davon, dass wir möglicherweise Empfehlungen haben werden, die sowohl unter den Experten wie auch in den Bildungsforen bis zum Schluss strittig sind«, fügt er hinzu.

Ob er da konkrete Beispiele nennen kann? Böhme lehnt das entschieden ab: »Wir wollen keinen Einfluss auf die Arbeit der Bildungsforen nehmen. Es wird sich zeigen, wenn Ende des Jahres die Ergebnisse der Bildungsforen vorliegen und veröffentlicht werden.«

 

Text: Peter Stawowy

Lynn Winkler, Redakteurin für Social Media in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

4 Kommentare

  1. Falls es für die Bürgerforen noch etwas praktischen Inputs bedarf – sollte sich der Blick der Foren unbedingt auch auf die verfügbaren schulscharfen regionalen Vergleiche zum tatsächlichen Leistungsstand unserer Schulen richten. (einen direkten Link auf Beispiele derartige Auswertungen lassen die Nettiquette hier leider nicht zu)

    Dort zeigen sich:
    – interessante regionale Unterschiede innerhalb Sachsens (vor allem in den Speckgürteln der 3 Großstädte mit teilweise kritischen Entwicklungen),
    – ein Ungleichlaufen zwischen Oberschulen und Gymnasien (auch besonders in Coronazeiten hat sich eine der weiterführenden Schularten deutlich besser gestellt) und
    – leider ein Verharren insb. der Oberschulen im unbefriedigenden „Status qou“ inakzeptabler Notenschnitte beim Grundwissen (Mathe/Deutsch).

    Eine „Praxistauglichkeit“ sollte sich schließlich nicht zuletzt auch an deren Beitrag zum Schul- und Ausbildungserfolg messen lassen oder gern auch die Erfahrungen der Schulen mit besonderen nachgewiesenen Leistungsentwicklungen im Schul- und Ausbildungserfolg berücksichtigen.
    Ein reines Abstellen auf neue innovative Schulkonzepte die den Leistungsgedanken zu sehr in den Hintergrund treten lassen, würde mE dem Anspruch an Schule dann eben auch nicht gerecht.

    Denn eine Verbesserung ist hier dringend nötig!

    • Autor
      Lynn Winkler - SMK 8 Monaten vor

      Hallo Regionalysen,

      vielen Dank für Ihren Input.

      Herzliche Grüße
      Lynn Winkler

  2. Mirko Schiller 8 Monaten vor

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    Die Handlungsempfehlung 2.5 im Bereich „Infrastruktur“, in der Bring-Your-Own-Device aus „volkswirtschaftlicher Betrachtung“ zu Begrüßen ist, kann ich so nicht unterschreiben und stützen.

    In Mathematik haben wir Einschränkungen beim Taschenrechner. Es gibt Vorgaben, welches Schulbuch verwendet werden darf, da diese genehmigt werden müssen. Es gibt Eckwertepapiere, Lehrpläne und so weiter. In allen Bereichen haben wir Standards in der Bildung etablieren können – außer ausreichend im technischen Bereich. Aber gerade der digitale Bereich ist per se grenzenlos. Dieser muss unbedingt (zu mindestens teilweise und an geeigneter Stelle) eingeschränkt werden. Hierbei gibt es nur eine Möglichkeit: alle Schüler haben das gleiche Gerät.

    Wenn nämlich alle Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Taschenrechner hätten, könnte niemand gemeinsam den Rechenweg bestimmen. Wenn alle unterschiedliche Bücher hätten, wäre man nie auf der gleichen Seite usw. Aber beim Endgerät soll das gehen? hahaha.. Wie naiv muss man sein, wenn man das glauben mag? Ich komme als Fachberater viel herum, ich habe noch keine Schule gesehen, wo mich ein BYOD überzeugt hat, aber dafür sehr viele Schulen kennen lernen dürfen, die eine Art BYO-School-Device erfolgreich etabliert haben.

    Ich möchte alle noch einmal daran erinnern, dass im Sächsischen Schulgesetz im § 1 Abs. 2 des Bildungs- und Erziehungsauftrages konkret steht, dass „Erziehung und Bildung ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage“ stattfinden muss. Wenn man eine „Kultur der Digitalität“ im Bildungsland 2030 anstrebt und die sächsische Verfassung die Lernmittelfreiheit garantiert, dann muss man auch ausreichend Geräte für eine 1:1-Ausstattung zur Verfügung stellen. Bei Taschenrechnern und Büchern ist dies schließlich auch gegeben.

    Der Bildungsmonitor und andere Bildungsstatistiken zeigen, dass die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland zu nimmt. Diese aktuelle Empfehlung würde auf jeden Fall weitere Ungerechtigkeiten verursachen. Wir haben an unserer Schule explizit Schülerinnen bzw. Schüler die haben kein privates Endgerät. Soll das wieder mal der Schulförderverein übernehmen?

    Und selbst wenn die Jugendlichen ein privates Gerät mitbringen würden, habe ich über ein privates Besitzstück keine rechtliche Handhabe. Angenommen ein Kind fotografiert mich heimlich im Unterricht, kann ich das im Nachgang weder überprüfen (keine Monitoring-Rechte) noch tadeln, da ich über dieses Gerät schlichtweg keine Ansprüche geltend machen kann (siehe Privateigentum). Das wäre eine Farce im Klassenzimmer.

    Auch das volkswirtschaftliche Argument ist zu hinterfragen. Unternehmen denken ökonomisch. Warum geben diese aber wieder das Bring-Your-Own-Device-Konzept auf? Ich sage es ihnen… weil es schwieriger auf administrativer Ebene handzuhaben ist. Es ist effizienter – somit kostengünstiger – wenn alle das gleiche Gerät haben, statt jeden beispielsweise individuell zu supporten. Würde der Freistaat beispielsweise dem Beispiel der Stadt Leipzig folgen und ein ähnliches Konzept installieren, wären die Kosten vermutlich sogar niedriger. Ich empfehle Ihnen eine sachsenweite gemeinnützige GmbH zu gründen, die mit der Ausstattung gleicher mobiler Endgeräte aller sächsischen Schulen betraut wird. Allein die Argumente der Marktmacht und der zentralen Administration bringt erhebliche Skaleneffekte hervor, die gesamtvolkswirtschaftlich (!), auf kommunaler Ebene nie erreicht werden kann. Und bitte kommen Sie mir nicht wieder mit dem Argument der Wettbewerbsverzerrung bzw. Wettbewerbsneutralität. Das ist ein scheinheiliges Argument. Ich kann Ihnen viele Beispiele nennen, wo dies auf einmal keine Bedeutung mehr hatte.. Infrastruktur beispielsweise wie Abwasser, Strom usw.

    Man merkt dieser Empfehlung daher leider an, dass Lehrkräfte in dieser konkreten Expertenrunde für diese Handlungsempfehlung von vornherein ausgeschlossen wurden. Das ist abzulehnen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Mirko Schiller
    Lehrer für Informatik & G/R/W
    (Landes-) Fachberater für Informatik-Gymnasien
    Pädagogischer IT-Koordinator

    Vorstand Netzwerk Südwestsachsen Digital e.V.

    • Autor
      Lynn Winkler - SMK 8 Monaten vor

      Lieber Mirko Schiller,

      vielen Dank für Ihren Kommentar und die vielseitigen Impulse aus Ihrem Arbeitskontext, welche wir gern an die federführende Projektgruppe und die AG BOYD übermitteln. Derzeit werden alle Expertenempfehlungen von fünf regionalen Bildungsforen, u. a. bestehend aus Schulleiterinnen und Schulleitern, Lehrerinnen und Lehrern oder Schülerinnen und Schülern aus deren Sicht bewertet und kommentiert. Erst mit dem Feedback der verschiedenen Perspektiven aus der Praxis wird ein Gesamtkonzept mit konkreten Umsetzungsvorhaben finalisiert. Nochmals vielen Dank für Ihren Beitrag.

      Herzliche Grüße
      Lynn Winkler