Eingeschränkter Regelbetrieb: Herausforderung angenommen

Eingeschränkter Regelbetrieb: Herausforderung angenommen

Foto: Ilshat | Adobe Stock

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Am kommenden Montag, den 18. Mai, geht es wieder los: Sächsische Grundschulen öffnen nach der Zwangspause wieder ihre Pforten. Für die Beteiligten in Schulen und Betreuungseinrichtungen bedeutet die Öffnung mit „eingeschränktem Regelbetrieb“ eine große Herausforderung. Denn es gilt viele Bedingungen zu berücksichtigen, um die Kontakte unter den Kindern unter Kontrolle zu halten und damit das Ansteckungsrisiko zu minimieren.

Text: Peter Stawowy

Bettina Götze leitet in Glashütte zwei „Max & Moritz“-Kindergärten und den Hort „Grimmsteinstrolche“. Als am Freitag, den 11. Mai, die Information kam, dass es am übernächsten Montag eingeschränkt wieder losgehen soll, setzte sie sich gleich mit den Leiterinnen und Leitern der anderen Einrichtungen in der Stadt in Verbindung.

Ziel: Ein möglichst einheitliches Konzept aller Einrichtungen, natürlich angepasst an die jeweils individuellen Rahmenbedingungen – auch, um die Eltern nicht zu verwirren.

Rollierendes System abgelehnt

„Wir haben offen gestanden gar nicht lange über ein rollierendes System, also einen Tag diese Gruppe, den nächsten eine andere, nachgedacht“, erzählt Sozialpädagogin Götze. Zwischen zwei Besprechungen und wissend, gleich noch eine weitere E-Mail an alle Eltern formulieren zu müssen, hat sie sich für ein kurzes Telefoninterview Zeit genommen. Und steht entsprechend unter Strom, was an der Sprechgeschwindigkeit zu merken ist.

„In einem rollierenden System können keine wirklichen Bildungsprozesse stattfinden“, betont sie. Nicht nur das: „Auch die Bindung würde immer wieder unterbrochen“, so Götze. Denn es geht ihr in ihrer Arbeit ja nicht nur darum, die Kinder „zu parken“, sondern ihnen die größtmögliche Förderung und Bildung zukommen zu lassen.

Deutliche Abstriche gegenüber regulärem Angebot

Gleichzeitig war Götze und ihren Kolleginnen klar: Es müssen deutliche Abstriche gemacht werden. Denn regulär arbeitet der Hort „Grimmsteinstrolche“ nach dem offenen Konzept, aber ab Montag sind es wieder sieben Klassen in der Schule. Da braucht sie laut Verordnung für jede Klasse eigentlich jeweils eine Erzieherin oder einen Erzieher.

„Aus den Erfahrungen in der Anfangsphase der Corona-Zeit und der Notbetreuung wussten wir, dass die vierten Klassen kaum Betreuung in Anspruch nehmen würden“, sagt sie. Folglich entschied sie in enger Abstimmung mit der Schulleitung und dem Träger, die vierten Klassen aus der Betreuung vorerst auszunehmen.

Dabei war die Schulleitung eine große Hilfe: Für alle Viertklässler, die auf Betreuung angewiesen sind, übernehmen die Lehrerinnen und Lehrer die Mittagsgestaltung inklusive Mittagessen und stellen so die Betreuung bis 13.20 Uhr – passend zu den Busabfahrtzeiten – sicher. „Wir sind froh, dass allen Kindern täglich eine, wenn auch eingeschränkte, Betreuung angeboten werden kann und wir hoffen auf Ihr Verständnis für die Regelungen im eingeschränkten Hortbetrieb“, schrieb Götze in einer E-Mail an die Eltern.

Für die Eltern der Viertklässler bedeutet das auch eine finanzielle Entlastung: Denn die Betreuungsverträge laufen in der Zeit nicht weiter. Aber, so Götze: „Das bedeutet nicht, dass die Viertklässler auch von den Ferienspielen ausgeschlossen sind, also die ganzen Sommerferien zu Hause bleiben müssen!“ Dafür werde eine andere Lösung gefunden.

Betreuung in Kitas von 7.00 bis 15.30 Uhr

Ohne die vierten Klassen kann Götze so die Betreuung von fünf Gruppen im Hort sicherstellen und sogar Ausfälle durch Krankheiten oder Urlaub im Kollegium abdecken. Die Betreuung in den Kindergärten, die nun zwischen 7.00 und 15.30 Uhr stattfindet, wird aber auch darüber abgesichert, dass unter anderem die Auszubildenden in der nächsten Zeit fünf statt vier Tage da sind. Und dass die Kolleginnen und Kollegen allesamt mit 40-Stundenverträgen ausgestattet und keine Risikofälle darunter sind. Was in diesem Konzept aber ebenfalls nicht mehr geht, sind die Randzeiten abzudecken, etwa den Frühhort in der Grundschule oder Früh- und Spätdienst in den Kindergärten, also die Frühbetreuung vor 7.00 Uhr.

Empfehlungen, Herausforderungen, Lösungen

Die am vergangenen Dienstag dann von allen Leiterinnen, den Schulleitungen und dem Träger festgelegten Rahmenbedingungen für den „eingeschränkten Regelbetrieb“ sind in einem sechsseitigen Papier festgehalten. In Tabellenform und mit Stichpunkten sind dort „Empfehlungen“, „Herausforderungen“ und die jeweilige „Lösung“ dokumentiert. Etwa für die Frage, wie die strikte Trennung im Außenbereich, die Dokumentation der An- und Abwesenheit oder die Bringe- und Abholsituation zu handhaben sind.

Auch für die Hygienemaßnahmen in den gemeinsamen Toiletten gibt eine Lösung: So werden in den gemeinsamen Hygienebereichen die Toiletten gruppenweise eingeteilt. Damit hat die Einrichtung schon in der Notbetreuung gute Erfahrungen gemacht: „Die Kinder achten da selbst sehr genau darauf“, erzählt Götze, „fast wie eine kleine Toiletten-Polizei!“ Aus ihrer Erzählung ist auch ein wenig Stolz rauszuhören, wie die Kinder mit den Herausforderungen umgehen.

Konzept als Grundlage für individuelle Lösungen

„Viele Dinge, die wir jetzt schon aus der Notbetreuung eingeführt haben, sind im Konzept aber gar nicht mit aufgelistet“, erzählt Götze weiter. „Dann wäre ich mit dem Papier nie fertig geworden.“ Trotzdem stellt das Papier eine gute Grundlage für alle Entscheidungsbeteiligten da – die dann wieder individuell in ihren Einrichtungen für die Umsetzung sorgen müssen.

Die Lösungstabelle wird dabei von ein wenig einleitendem und abschließendem Text gerahmt. Darin betonen Götze und ihre Mitstreiterinnen, dass es nicht nur darum geht, die Kinder vor der Ansteckung durch das Virus zu schützen. Sondern dass auch die psychische Gesundheit nicht beeinträchtigt werden darf:

„Der Kontakt zur vertrauten Bezugsperson, ein wertschätzender Umgang zwischen allen Erwachsenen und auch die Möglichkeit für kurze Tür- und Angel-Gespräche zwischen Eltern und Erziehern sind dabei von großer Bedeutung“, ist da zu lesen. Denn: „Das Wohl der Kinder sollte in dieser besonderen Zeit aus unserer Sicht und unter Einhaltung zahlreicher Maßnahmen an erster Stelle stehen!“

Dirk Reelfs, Pressesprecher im Sächsischen Staatsministerium für Kultus

4 Kommentare

  1. Ina Trommer 4 Jahren vor

    Hallo….. Natürlich dürfen die Kinder nicht unter die Räder kommen, doch genau so sollte an die Erzieherinnen gedacht werden, die schnellstmöglich ein neues Konzept erstellen mussten und mit Sicherheit in nächster Zeit an ihre Grenzen kommen. Hoffentlich können wenigstens die Eltern, von denen in letzter Zeit schon viel verlangt wurde, etwas Verständnis aufbringen, für veränderte Öffnungszeiten, Wartezeiten vor der Tür….. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, etwas vorsichtiger vorzugehen, viele Grüße I. T.

  2. Katharina Schäfer 4 Jahren vor

    Ich hätte mir in der Ausarbeitung der Rahmenbedingungen dringend die Beteiligung von Eltern- und Schülervertretungen gewünscht. Wieder einmal wirkt es, als wären die, die es hauptsächlich betrifft, kaum an der Problemlösung beteiligt gewesen.

    Zudem wundere ich mich über die Intention: soll hier trotz dünner Datenlage eine Durchsuchung der Bevölkerung vorangetrieben werden? Oder geht es sowieso nur um wirtschaftliche Belange, sprich ein Wegorganisieren der Kinder, damit die Eltern arbeiten können?
    Wer schützt Eltern wenn (Geschwister-)Kinder auch mit banalen Krankheitssymptomen (Schnupfen) dauerhaft nicht zur Schule gehen können und dann dem Druck der Arbeitgeber ausgesetzt sind (10 Kindkranktage werden dann erst recht unrealistisch)? Wie häufig wird die Situation neu bewertet (Meldungen über Kawasaki-Syndrom, Fallzahlen im Landkreis)? Wie durchsetzungsfähig und sinnvoll ist in diesem Szenario eine Schulpflicht?
    Fragen über Fragen und kaum Antworten von offizieller Seite…

  3. Susanne Hänsel 4 Jahren vor

    Ich hätte es besser gefunden, wenn die Eltern selbst entscheiden könnten, ob das Kind derzeit in die Schule geht oder nicht.

    Bei uns klappt es zuhause wesentlich besser und ich habe das Glück es mit Arbeit zu kombinieren zu können. So könnte man mehr Platz, für die die keine derartigem Möglichkeiten haben schaffen und das Personal dort entlasten. Ein normaler Unterricht wird dort nicht möglich sein.

    Noch dazu sehe ich es als unnötiges Risiko Kinder stundenweise in die Schule zu schicken. Das ist für viele Eltern auch nicht machbar von den Zeiten her, den der Schulbus für Dorfkinder fährt nur 2 mal am Tag.

    Ich frage mich manchmal, wer diese Pläne ausarbeitet? Werden da Erzieher und Lehrer hinzugezogen, die tatsächlich in der Praxis arbeiten? Richtig arbeiten, icht mal nur ein Praktikum gemacht, sondern richtig altiv ständig vor Ort sein um, das realistisch einschätzen zu können?

    Gerade für Kita- und Krippenkinder finde ich das eine Zumutung, wie sollen die kleinen das Verarbeiten?

    Erst ist alles topgefährlich und nun kommt eine Lockerung nach der anderen. Das geht zu schnell und macht vieles unglaubwürdig.

  4. Silke Kragl 4 Jahren vor

    Keine Frage: es ist wichtig, dass die Kinder wieder zur Schule gehen. Das hochfahren des Systems von 0 auf nahezu 100 halte ich dennoch für falsch und höchst riskant. Die von unserem Ministerpräsidenten gerade jetzt so geforderte Vorsicht und Eigenverantwortung wird uns mit der Entscheidung, dass im Klassenzimmer keine Anstandsregeln gelten, komplett entzogen. Ab Montag sitzt meine Tochter mit 23 Kindern in einem zu kleinen Zimmer, in unserem Haus leben wir gemeinsam mit meinen Eltern – die zur Risikogruppe zählen. Eine totale Kontaktsperre ist absolut unmöglich. Ich hoffe, dass die Entscheidung nicht schiefgeht. An die Folgen, wenn dich, mag ich gar nicht denken. Für mich ist die sächsische Entscheidung nicht zu Ende gedacht, sondern ein riskanter Versuch, bei dem die Kinder der Spielball sind.