»Wir setzen auf Evolution«

»Wir setzen auf Evolution«

Sachsens Schülerinnen und Schüler gehören zu den besten in Deutschland. Warum sich der Freistaat dennoch auf den Weg macht, um die Schulen des Landes in die Zukunft zu führen, erklärt Kultusminister Christian Piwarz im Interview. Gemeinsam mit Bildungsforscher Kai Maaz diskutiert er darüber, was sich jetzt ändern muss.

Sachsen belegt in Bildungsvergleichsstudien Spitzenplätze. Warum braucht der Freistaat das Projekt Bildungsland Sachsen 2030?

Piwarz: Gute Bildung muss immer weiterentwickelt werden. Sich zufrieden zurückzulehnen ist bereits der erste Fehler. Wir müssen auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren und kritisch überprüfen, was funktioniert und was Veränderung braucht. Aus diesem Grund wollen wir breit diskutieren, wie sich das sächsische Bildungssystem in die Zukunft transferieren lässt.

Gleichzeitig gibt es viele Herausforderungen, auf die es jetzt Antworten braucht – Stichwort Lehrkräftemangel. Können Themen wie dieses bis 2030 warten?

Piwarz: 2030 ist der von uns gesetzte Horizont. Vieles braucht Zeit für eine fundierte Vorbereitung. Gleichzeitig wollen wir in diesem Jahr relevante Themen in einem Diskussionsprozess vertiefen. Ein Haupteffekt wird sein, dass es zum Jahresende konkrete Ergebnisse gibt, die wir in die tagtägliche Arbeit überführen können. Insofern: Die mittelfristige Perspektive bis 2030 ist wichtig, aber auch kurzfristige Erkenntnisgewinne helfen uns weiter.

Maaz: Ich halte den Weg, den Sachsen mit der mittelfristigen Perspektive geht, für absolut richtig. Wenn man heute Menschen gewinnt, die Lehramt studieren, dann werden sie ungefähr 2030 in das System einsteigen. Das ist eine Perspektive, die durchaus überschaubar ist.

Herr Maaz, Sie waren Mitautor des 2019 veröffentlichten Berichts »Bildung in Sachsen« – so etwas wie die Initialzündung für das Projekt. Wo sehen Sie in Sachsen wesentliche Entwicklungsbedarfe?

Maaz: Im Land muss das Phänomen der Ungleichheiten angegangen werden – wie in allen Bundesländern. Die Lernvoraussetzungen der Kinder und Jugendlichen ändern sich, sie werden heterogener. Darauf muss man im Unterricht und in der Organisation von Lernprozessen reagieren. Es wird sich eine Lehrkräftesituation entwickeln, die jetzt schon schwierig ist und noch schwieriger wird. Eine der größten Herausforderungen damals und heute sind die sehr großen Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Mit Blick auf die Bildungsgerechtigkeit braucht es dafür Strategien. Das ist keine Herausforderung, die die Bildungspolitik allein lösen kann, hier braucht es ressortübergreifendes Denken und Handeln. Das wäre auch eine Herausforderung, der sich nicht nur Sachsen stellen muss: Wie können unterschiedliche Politikbereiche noch enger zusammenarbeiten?

Herr Piwarz, Sie betonen häufig, dass Schule nicht der Reparaturbetrieb der Gesellschaft sein darf. Gleichzeitig soll das sächsische Bildungssystem auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen gute Antworten finden. Wenn sie nicht der Reparaturbetrieb ist, was ist Schule dann?

Piwarz: Mir ist bewusst, dass Schulen an vielen Stellen tatsächlich ein Reparaturbetrieb sind und sein müssen. Das Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Schule nicht allein leisten kann. Sie ist im besten Sinne Begleiter und Vorbereiter auf die Welt und den Lebensweg der jungen Menschen.

Maaz: Schulen sind mit vielen Problemen konfrontiert, die gerade nicht in Schule entstehen, aber hier aufgefangen werden sollen. Das funktioniert nicht. Es ist unerlässlich, dass Schule sich dem Sozialraum öffnet und umgekehrt. Ich sehe eine ganze Reihe von Verzahnungsmöglichkeiten, zum Beispiel in der Diagnose. Es gibt in vielen Region exzellente lerntherapeutische Einrichtungen. Warum holen wir die Angebote nicht in die Schulen? Das ist erstmal mehr Arbeit, denn Vernetzung kostet Ressourcen. Für den schulischen Alltag kann das perspektivisch Lehrkräfte entlasten.

Was muss Schule aus der Pandemie lernen?

Piwarz: Die zentrale Erkenntnis ist, wie wichtig Präsenzunterricht ist. Verglichen mit anderen Bundesländern hatte Sachsen recht geringe Schließzeiten, trotzdem ist der Nachholbedarf hoch, vor allem im Bereich der sozial-emotionalen Entwicklung. Einen gewaltigen Schub nach vorn gab es in der Digitalisierung. Jetzt müssen Schulen die Technik so nutzen können, dass sie einen pädagogischen Mehrwert bietet. Wir müssen uns außerdem auf neue und sehr schnelle digitale Entwicklungen vorbereiten.

Maaz: Aus der Sicht der Bildungsforschung würde ich dem gern noch einige wichtige Punkte hinzufügen. Wir müssen die Förderung von Basiskompetenzen ernst nehmen. Alles, was an Grundlagen nicht gelernt wird, wächst sich mit der Zeit nicht aus, sondern wird schlimmer. Auch hat sich gezeigt, dass Lernen verlässliche, stabile Beziehungen und klare Strukturen voraussetzt. Es ist ein guter Zeitpunkt zu überlegen, ob wir an den Schulen nicht noch stärker niedrigschwellige Beratungs- und Unterstützungsangebote brauchen, um die Kinder und ihre Familien aufzufangen. Denn Angebote für die Kinder allein reichen nicht, wenn auch die Eltern möglicherweise überfordert sind. Einen dritten Punkt habe ich bereits angesprochen – die stärkere Vernetzung von Ressourcen, die der Bildungsraum bietet. Durch kluge Verzahnung zwischen Schulen aber auch zwischen Schulen und außerschulischen Bildungsanbietern lassen sich Ressourcen und Bildungsgelegenheiten für Kinder und Jugendliche schaffen.

Sie kündigten bereits 2019 an, dass am Ende des Strategieprozesses keine Kopie, sondern ein sächsisches Original entstehen sollte. Haben Sie schon erste Ideen, wie dies aussehen kann?

Piwarz: Ich möchte einen Diskussionsprozess führen, ohne vorher ein Ergebnis vorwegzunehmen. Das Ziel muss sein, auch eine unbequeme Debattenlage auszuhalten und sich selbst kritisch zu überprüfen. Wir werden sicher viele erwartbare Ergebnisse haben, aber vielleicht auch das ein oder andere Unerwartete. Ich bin gespannt, welches sächsische Original dabei entsteht.

Welche Ergebnisse sind erwartbar?

Piwarz: Beispiele anderer Bundesländer und europäischer Länder zeigen, dass wir gut daran tun, auf Evolution und nicht auf Revolution zu setzen. Ich erwarte, dass wir nicht von jetzt auf gleich alles komplett auf den Kopf stellen, sondern uns auf Stärken besinnen und diese weiterentwickeln. Wir werden auch schonungslos über Defizite im Bildungssystem diskutieren. Dann kommt es darauf an, praktikable Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.

Aus welchen vergleichbaren Vorhaben anderer Bundesländer kann Sachsen lernen?

Maaz: Ähnlich wie Sachsen das macht, sollten alle Länder ihre eigene Strategie auf dem Prüfstand stellen. Berlin zum Beispiel hat vor einigen Jahren eine Qualitätskommission zur Schulqualität eingesetzt, die Empfehlungen zur Steigerung der Qualität von Bildung und Unterricht herausgearbeitet hat. Ich halte den Blick von außen für wichtig. Die eigentliche Stärke des föderalen Systems besteht meines Erachtens genau darin, dass Länder von den Erfolgen und Fehlern der anderen lernen. Wenn Sachsen das gelingt, kann der Freistaat viele Fehler vermeiden, die in der Vergangenheit gemacht wurden. Ich empfehle aber auch, Strategien für Herausforderungen wie den Lehrkräftemangel nicht ausschließlich in Ländergrenzen zu denken. Das wird nicht funktionieren.

Piwarz: Dem stimme ich zu. Die Kultusminister haben den Auftrag, den Bildungsföderalismus mit Leben zu füllen. Wir sind zwingend darauf angewiesen, Aufgaben gemeinsam anzugehen. Ich spüre den Willen meiner Kolleginnen und Kollegen, das voranzutreiben – zum Beispiel bei der Vergleichbarkeit des Abiturs. Das muss für die mittlere Reife ausgeweitet werden.

Was empfehlen Sie aus der Perspektive der Bildungsforschung für diesen Prozess?

Maaz: Die Forschung weiß, wie gute Förderung aussehen kann. Allerdings gibt es kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Wir sehen oft, dass evaluierte, funktionierende Maßnahmen in der Realität der Einzelschule nicht gelingen. Die beste Maßnahme zur Unterrichtsgestaltung wird nicht erfolgreich sein, wenn die Schulen sie aus organisatorischen oder konzeptionellen Gründen nicht umsetzen können. Das Problem ist, dass Schul- und Unterrichtsentwicklung, zumindest in der Wissenschaft, über Jahrzehnte parallel nebeneinander gelaufen sind, sie müssen aber zusammengedacht werden, in Wissenschaft und Schulpraxis. Ein zweiter Punkt ist das Zusammenwirken von Wissenschaft, Praxis und Bildungsadministrationen. Wenn wir versuchen, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, kann das dazu beitragen, dass Maßnahmen wirklich in der Praxis ankommen.

Stellen Sie sich vor, Sie beschriften einen Notizzettel, den Herrn Piwarz die nächsten Jahre im Projekt Bildungsland Sachsen 2030 begleitet. Was stünde darauf?

Maaz: Da würde ich etwas ganz anderes notieren: ein klares Bekenntnis zu datengestützter Schul- und Unterrichtsentwicklung. Wir brauchen Daten, um Entwicklungsverläufe beschreibbar zu machen. Das Notensystem bildet das nicht ab. Hamburg hat in den vergangenen 15 Jahren Dokumentationsmethoden entwickelt, anhand derer man sehen kann, wo sich ein Kind positiv entwickelt, wo es stagniert und wo Leistungsverläufe vielleicht auch rückläufig sind. Erst dann kann ich gezielt fördern. Lehrkräfte nehmen das mitunter als Kontrollmechanismus wahr. Dabei ist es ein Instrument, um zu beschreiben, was man tut und zu überprüfen, ob Ziele erreicht werden. Nicht erreichte Ziele sind nicht schlimm, aber man muss eruieren, wie man dann umsteuern kann. Dafür braucht es eine fundierte Datengrundlage.

Piwarz: Das müssen wir jetzt angehen. Digitale Unterstützungssysteme könnten uns dabei helfen, so dass die Erhebung für die Lehrkräfte weniger eine Belastung darstellt. Zunächst stehen für uns als Kultusministerium Hausaufgaben im organisatorischen Bereich an: Wir müssen die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen.

Wie sieht die Schule der Zukunft aus?

Maaz: Für die Schule der Zukunft ist wichtig, dass sie nicht nur Bewährtes konserviert, sondern immer offen ist für Neues. Resilient, mutig, nachhaltig, digital, gerecht, vernetzt, ausfinanziert – das sind meines Erachtens Attribute, die für die Schule der Zukunft stehen.

Piwarz: Die Schule der Zukunft ist außerdem in vielerlei Hinsicht vielfältiger, als sie es heute ist. Das betrifft die Inhalte, die dort vermittelt werden, aber auch die Personen, die an Schulen tätig sind. Wir werden uns von dem Gedanken verabschieden müssen, dass vor allem Lehrkräfte in Schulen arbeiten – die Teams müssen multiprofessioneller werden. Außerdem wird die Schule der Zukunft kompetenzorientierter sein müssen, um jungen Menschen Fähigkeiten an die Hand zu geben, mit der Welt „da draußen“ zurechtzukommen. Zum Schluss muss Schule auf der Höhe der Zeit sein und bleiben.

 

Kai Maaz ist Geschäftsführender Direktor des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Zugleich ist er Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt Bildungssysteme und Gesellschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Christian Piwarz ist seit 2017 Sächsischer Staatsminister für Kultus. Nach der Veröffentlichung des Sächsischen Bildungsberichts entwickelte er die Idee für das Vorhaben »Bildungsland Sachsen 2030«.

Die aktuelle Sonderausgabe der KLASSE zum Bildungsland Sachsen 2030 mit vielen Informationen rund um das Projekt gibt es hier.

 

Text: Antje Tiefenthal

Foto: Matthias Rietschel

Lynn Winkler, Redakteurin für Social Media in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

5 Kommentare

  1. Sven M. 11 Monaten vor

    Liebe Frau Winkler,
    Sie haben eine umfangreiche Antwort gegeben. Danke für Ihre Zeit. Es ist richtig, das Digital in einigen Elternhäusern über das gesunde Maß hinaus einen zu hohen Stellenwert einnimmt. Ich sehe allerdings hier nicht die Schule in der Pflicht, diesen Trend weiter voranzutreiben. Was wir brauchen ist solides begründetes Wissen und ein Erleben der Welt über die Digitale Abhängigkeit drüber hinaus. Keiner unserer Lehrerkollegen hat bzw. kann sich Zeit nehmen, um den Umgang mit Digitaler Technik und eine gesunde Recherche im Internet mit den Kindern durchzukauen. Ich bin mal ganz ehrlich, wie die Praxis aussieht: wir schicken die Kinder mit einer Digi-Hausaufgabe nach Hause und entweder bekommen die Kinder Unterstützung von den Eltern oder sie bleiben damit eben allein. Im Grunde treiben wir sie zusätzlich in die Digitale Technik und eröffnen ihnen keine Alternativen. Das reale soziale Miteinander stirbt aus. Zusätzlich ergibt sich die Konstellation, dass Eltern „gezwungen“ sind, die Hausaufgaben der Kinder zu erledigen, wenn diese nicht unkontrolliert im Netz unterwegs sein sollen. Wer hat also die Hausaufgabe gemacht ….? Und zum Thema Schummeln in Test etc. : ab einer bestimmten Klassenstufe müssen die Kinder einen programmierbaren Taschenrechner nutzen. Sie ahnen gar nicht, was da so alles drauf ist … so ganz neben dem Netzanschluß … . Glauben Sie mir, ich begleite die Entwicklung schon viele Jahre und mir sträuben sich die Haare, wenn ich die Kinder „von heute“ aufwachsen sehe. Ich bitte Sie, reden Sie nicht nur Technik-Geilheit schön und stellen warnende Stimmen als altmodisch dar. Es geht um die Kinder. Wenn alles so „easy“ ist, warum ist die Corona-Digitalisierung und der Lernerfolg der Schüler in dieser Zeit dann gescheitert? Die körperliche, motorische, geistige Entwicklung ist so erschreckend wie nie zuvor. Die Kompetenzen in Lesen, Schreiben und Rechnen der Grundschüler sind auf einem sehr niedrigen Niveau. Und die jetzigen Erstklässler lassen viele Grundkenntnisse in der Entwicklung ganz und gar vermissen, werden aber statt „handfest“ unterstützt zu werden, zunehmend mit Digitaler Technik abgespeist. Das fördert die mentale Entwicklung der Kinder keineswegs. Kinder lernen durch anfassen und begreifen durch alle Sinne. Viele Psychologen warnen schon seit vielen Jahren über die aktuelle Entwicklung und schlagen Alarm. Werden sie gehört oder ignoriert? Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

  2. Peter 11 Monaten vor

    Liebe Frau Winkler,
    vielen Dank für Ihre Antwort.
    Aber ganz ehrlich: Die Menschheit hat so lange überlebt, weil sie selbstständig gedacht hat.
    Wenn man sich der Realität des Lehrers und Schülers öffnet, stellt man fest, dass viele Kollegen mutmaßlich über kein eigenes Wissen verfügen, weil fast nur vorgefertigte Materialien bzw. KI-Produktionen als Unterrichtsmaterial benutzt werden. Andererseits werden Schüler genötigt, den Unterrichtsstoff des Lehrers sich aus Internet und KI zusammenzugoogeln und dem Lehrer damit die Arbeit abzunehmen. Eine völlige Vertauschung der Rolle, wenn der Lehrer Nachfragen (z.B. nach einem Vortrag) stellt, nicht um das Grund-Wissen des Schülers zu überprüfen, sondern um von ihm Antworten auf eigenes Nicht-Wissen zu erhalten. Und außerdem sei angemerkt, dass die sog. zu erlernende Medienkompetenz NICHT von Seiten der Schule gelehrt wird, sondern reinweg eine Elternaufgabe darstellt, denn die Kinder werden mit den Aufgaben nach Hause geschickt. Kein einziger Kollege hat bisher mit den Kindern gesprochen, woran man eine vertrauenswürdige Internetseite erkennt. Mal ehrlich, können wir Erwachsenen das überhaupt unterscheiden?
    Aber mir lagen schon viele Ausarbeitungen vor, die mit Hilfe von KI erstellt wurden. Wie soll man diese bewerten? Bekommt dann KI ein eigenes Zeugnis?
    Es geht nicht darum, Technik aus dem Leben komplett zu verbannen, aber wir sollten mal ernsthaft überlegen, warum Deutschland an so vielen Punkten überholt wird und woran wir unser Leben und Wissen abhängig machen. Und: wie fremd-steuerbar wir eigentlich geworden sind.
    Und übrigens sind die sog. früheren Schummelmethoden recht schnell offenbar geworden, wenn fast alle „zufällig“ die gleiche Lösung hatten. HA wurden daher früher meist nicht bewertet, weil man sich des „Schummelns“ noch bewußt war. Jeder Lehrer konnte aber auch erkennen, wo der Schüler steht und ihm eindeutig klarmachen, dass nur Selbst lernen Erfolg bringt.

  3. Peter 11 Monaten vor

    Heißt das im Klartext, das »ChatGPT kommt wie ein Erdbeben über uns«?
    Korrigieren wir Lehrer in Zukunft KI-Arbeiten oder müssen die Schüler auch noch selbst etwas „produzieren“?
    Aber woher nehmen sie nur ihr Wissen, wenn das Schulleben zwischen 10-12 Jahren aus KI bestand?

    Alles soll immer modernisiert werden. Das wirft aber die Frage in den Raum, wie hat die Menschheit Jahrtausende überlebt und wie haben die dummen Römer, Griechen, Ägypter, Mayas und sonstige Völker – ohne KI und hochmoderner Technik – uns solches Kulturerbe an Bauwerken und Wissen hinterlassen können?

    • Autor
      Lynn Winkler - SMK 11 Monaten vor

      Lieber Peter,

      vielen Dank für Ihren Beitrag. Dazu gern eine etwas umfangreichere Antwort. Künstliche Intelligenz und deren Anwendungen sind bereits seit 2019 feste Bestandteile des sächsischen Lehrplans Informatik. ChatGPT reiht sich als textgenerierendes KI-Tool in die Vielzahl der über das World Wide Web zur Verfügung stehenden Dienste ein. Wie andere längst in der Lebensrealität von Lehrkräften, Schülerinnen und Schüler angekommene technologische Lösungen, kann es das Lehren und Lernen im digitalen Zeitalter unterstützen. KI soll das selbstständige Denken nicht ersetzen.

      Die ständig neuen Technologien haben Auswirkungen auf das Bildungssystem und werden dieses auch weiterhin beeinflussen. Wir stehen nicht vor einer Revolution, aber vor einer stark beschleunigten Evolution. Die Technologien bringen für Schule Vorteile und Herausforderungen gleichermaßen mit sich.

      Herausfordernd ist insbesondere die Einordnung der gelieferten Informationen. Welche Antworten, die ChatGPT liefert, sind glaubwürdig, welche eher weniger, und aus welchen Quellen stammen sie? Hier bedarf es einer ganzheitlichen Medienkompetenzförderung, die es nicht nur Schülerinnen und Schülern erlaubt, KI als Technologie zu verstehen, sie souverän zu nutzen und den Umgang mit der Technologie zu reflektieren.

      ChatGPT erlaubt es Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern mit wenig Aufwand Texte zu erstellen, zusammenfassen zu lassen oder auch deren die Qualität von Texten bewerten zu lassen. Darüber hinaus verfügt ChatGPT auch über prozedurales Wissen, welches es ihm ermöglicht, mathematische Gleichungen zu lösen oder einfache Computerprogramme zu erzeugen. Lehrkräfte können so bspw. bei der Erstellung von Lehrmaterialien unterstützt werden.

      Zur ersten Orientierung haben wir ein Informationsangebot auf http://www.medienbildung.sachsen.de geschaffen, welches bedarfsgerecht angepasst wird. Darüber hinaus hat das Landesamt für Schule und Bildung den Bedarf an Fortbildungen zu den Themen KI und ChatGPT schnell erkannt und bereits Anfang des Jahres entsprechende Angebote geschaffen. Die Medienpädagogischen Zentren stehen den Schulen als regionale Ansprechpartner und Berater zur Seite.

      Die Bewertungen innerhalb von schriftlichen Klausuren, Tests und Aufgaben ist nur beschränkt von KI betroffen. Schülerinnen und Schüler geben das Gelernte hier weitestgehend ohne digitaltechnische Unterstützung wieder. Die Bewertungsmethoden und Aufgabenstellungen für z. B. Hausaufgaben werden sich ändern bzw. haben sich schon geändert. Auch dafür gibt es Beispiele für die Lehrkräfte unter dem angegebenen Link. Unabhängig davon konnte bei Hausaufgaben schon immer „geschummelt“ werden, z. B. durch die Mithilfe von Eltern, das Abschreiben bei Schulfreunden oder auch durch die Nutzung von Suchmaschinen.

      Schule darf kein geschlossener Lernkosmos sein. Die digitale Welt sowie KI sind bereits Bestandteil im Alltag von Kindern und Jugendlichen. Schon deswegen wäre etwa ein Verbot aus medienpädagogischer Sicht nicht sinnvoll. Es nimmt den Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich aktiv, gemeinsam und in einem geschützten Raum mit dem Tool bzw. dem Thema KI sowie mit dessen Chancen und Risiken auseinanderzusetzen. Ferner würde das Tool voraussichtlich einfach heimlich weiter genutzt werden.

      Herzliche Grüße
      Lynn Winkler

    • Peter 11 Monaten vor

      Ich hoffe, Sie nehmen meine Anmerkungen als echte Sorge um unsere Kinder wahr.