Wo Lehrerinnen und Lehrer an ihre Grenzen kommen
Seit April diskutieren vier Expertenräte über Sachsens Schule der Zukunft. Kultusminister Christian Piwarz hat das Projekt „Bildungsland Sachsen 2030“ ins Leben gerufen, um mit in- und externem Sachverstand ein Konzept zu entwickeln, dass schon 2024 in die Umsetzung gehen soll. In dieser Artikel-Serie stellen wir die vier Expertenräte und ihre Themen vor.
Teil 2: Expertenrat „Professionalisierung“
„Wie oft ist zu hören, wenn ein Problem in gesellschaftlichen Debatten öffentlich wird, die Schule muss es richten! Lehrer sollen fortgebildet werden, damit sie sich dieser Dinge annehmen“, sagt Petra Zeller. Sie ist Referatsleiterin für Lehrerbildung im sächsischen Kultusministerium und Teil der achtköpfigen Projektgruppe, die das Projekt „Bildungsland Sachsen 2030“ steuert. „Wenn man aber genauer hinschaut, kommt man schnell dahin, dass Lehrkräfte allein heute längst nicht mehr alles richten können.“
Diese Erkenntnis gibt es im Kultusministerium schon eine geraume Zeit. Dank des Projektes „Bildungsland Sachsen 2030“ besteht nun aber endlich die Möglichkeit, das Thema ohne den ständigen Druck zu denken, dass das Bildungssystem generell unter fehlendem Personal leidet. Im Gegenteil: Aus Sicht des Ministeriums liegt darin sogar eine Chance, wenn eine solche Diskussion eben nicht rein defizitorientiert geführt wird.
Wie arbeiten multiprofessionelle Teams zusammen?
Der Expertenrat „Professionalisierung“ hat also den Auftrag, Handlungsempfehlungen zu entwickeln, damit alle an Schule tätigen Personen das Lernen der Schülerinnen und Schüler unterstützen und Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit ausgeräumt werden. Mehr noch: Es geht um das Arbeiten mit multiprofessionellen Teams und die Frage, wie die Potenziale in der Zusammenarbeit besser genutzt werden können. Es geht auch um die lebenslange Professionalisierung von Lehrkräften.
Dafür hat die Projektgruppe im Vorfeld – begleitet von Schulleitungen und einem internen Beteiligungsverfahren – eine Reihe von Fragestellungen sowie vier Ziele entwickelt, mit denen sich nun der Expertenrat beschäftigt. „Wie können fest verankerte multiprofessionelle Teams die wachsenden Aufgabenspektren der sächsischen Schulen in hoher Qualität absichern?“ und „Wie müssen die Zuständigkeiten geregelt sein, damit Kooperationen gelingen können?“ lauten etwa zwei der zentralen Fragestellungen.
Multiprofessionelle Teams – die sind im Grunde jetzt schon an Schulen aktiv. So arbeiten Grundschullehrerinnen und -lehrer eng mit Erzieherinnen und Erziehern im Hort zusammen. Längst ist auch Personal aus den Bereichen Inklusion, Sozialpädagogik oder Berufsberatung an sächsischen Schulen unterwegs. Dazu kommen Menschen, die im Rahmen von Ganztagsangeboten ihr Wissen weitergeben, sowie verschiedene Assistenzen, die etwa Schulleitungen bei der Verwaltung unterstützen oder auch pädagogisch wirken.
Rollenverteilung klären
„Wir müssen die Rollen dieser Personen noch stärker als bisher klären“, sagt Christopher Jähnisch, der als Referent im Ministerium Teil der Projektgruppe ist und vorher im Landesamt für Schule und Bildung in Dresden als Referatsleiter für die Lehreraus- und Weiterbildung am Standort in Dresden zuständig war. „Ein großes Thema ist dabei auch die Frage, wie man mit den unterschiedlichen Trägerschaften umgeht.“
„Für den Expertenrat Professionalisierung hat sich in der ersten Sitzung Mitte Mai zuerst die Frage gestellt, wie konkret bzw. abstrakt die formulierten Handlungsempfehlungen sein sollen“, berichtet Anne-Kathrin Rossner, die den Expertenrat als Moderatorin unterstützt, sich selbst zu organisieren. Die Frage hat sie an die Projektgruppe im Kultusministerium weitergegeben. „Das entscheidet letztlich die Gruppe selbst“, lautete die Antwort von Referatsleiterin Petra Zeller, festgehalten auf der internen Arbeitsplattform des Expertenrats. Gleichzeitig aber hat sie angemerkt, dass die Empfehlungen später zu einem konkreten Maßnahmenkatalog im Ministerium führen sollen, eine „zu hohe Abstraktionsebene also hinderlich“ wäre.
Wobei: Vor der Übersetzung in einen konkreten Maßnahmenkatalog durch die Projektgruppe stehen sowieso erst noch die fünf regionalen Bildungsforen, in denen Bürgerinnen und Bürger die Maßnahme-Empfehlungen der Expertenräte diskutieren und bewerten.
Ausbildung und Arbeitsbedingungen
Die Zusammenarbeit und Ausgestaltung von multiprofessionellen Teams an Schulen ist aber nur ein Thema, das der Expertenrat bearbeitet. Ein weiteres ist, wie bei zunehmender Digitalisierung und Komplexität der Gesellschaft die lebenslange berufsbegleitende Professionalisierung der Zukunft aussieht. Auch ist zu klären, wie das Anforderungsprofil an Lehrkräfte künftig aussieht und wie die Zusammenarbeit mit Hochschulen und anderen Institutionen bei der Ausbildung von Lehrkräften ausgestaltet werden kann.
„Sicherlich muss auch ein großes Augenmerk auf den Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern liegen“, antwortet Christopher Jänisch auf die Frage, ob das Projekt „Bildungsland Sachsen 2030“ angesichts der aktuellen Arbeitsbelastung von Lehrkräften nicht zu viel will. „Deswegen haben wir ja Vertreterinnen und Vertreter aus ganz unterschiedlichen Bereichen im Expertenrat.“ Insgesamt 17 Vertreterinnen und Vertretern von Gewerkschaften, Hauptpersonalrat, Elternschaft, aber auch aus Ausbildungsinstitutionen und Forschungseinrichtungen sind in dem Gremium vertreten (eine Übersicht finden Sie hier).
Aber auch Bürgerinnen und Bürger aus Sachsen können sich in den Prozess einbringen, zum Beispiel im Rahmen der regionalen Bildungsforen. Diese starten Ende Juni und werden dann bis November die von den Expertenräten entwickelten Handlungsempfehlungen bewerten und kommentieren. Insgesamt gibt es 200 Plätze in den fünf Regionalforen. Alle Bedingungen für die Teilnahme finden Sie hier.
Autor: Peter Stawowy
2 Kommentare
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Leider ist im Expertenrat kein Vertreter der Beruflichen Schulzentren gelistet (wie so oft…)
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Autor
Lieber „Engagierter“,
Sie sprechen in der Tat eine Schwachstelle an. Leider hatten Kolleginnen und Kollegen aus dem Kreis der BSZ ihre Teilnahme an den Expertenräten wieder abgesagt oder zu spät reagiert. So sind lediglich Expertinnen und Experten der Schulforschung aus dem berufsbildenden Bereich dabei. Allerdings wird das Projekt Bildungsland Sachsen 2030 auch durch eine Runde von Schulleitungen beratend begleitet. Dort sind die BSZ vertreten. Der Blick in die Teilnehmer der ab Sommer tagenden Bildungsforen zeigt zudem, das auch dort die BSZ vertreten sein werden.
Viele Grüße
Dirk Reelfs
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