Immer mehr junge Sachsen lernen Tschechisch oder Polnisch

Immer mehr junge Sachsen lernen Tschechisch oder Polnisch

Nicht viele Sachsen sprechen Polnisch oder Tschechisch. Unsere Nachbarn lernen viel eher Deutsch als umgekehrt. Anders sieht das bei den Jüngeren aus: Immer mehr Kinder im Freistaat gehen in zweisprachige Kitas. Und immer mehr Schüler belegen eine Nachbarsprache als zweite Fremdsprache.

Allein in Ost- und Südsachsen gibt es zurzeit rund 70 Kitas, in denen Kinder schon ab drei Jahren bilingual aufwachsen. Das sind vor allem die Landkreise direkt an der Grenze, wie diese Karte der Sächsischen Landesstelle für frühe nachbarsprachige Bildung zeigt. Seit 2014 fördert der Freistaat Kindertagesstätten, die Kindern Polnisch oder Tschechisch beibringen.

Kinder lernen Sprache nebenbei

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Zweisprachig großwerden: 60 Kinder besuchen die Kita „Wichtelhäusl“ in Deutschneudorf im Erzgebirge.

Die Kitas spielen aber nicht Schule. Es gibt keinen klassischen Unterricht. Der Alltag in den Einrichtungen läuft einfach zweisprachig ab. Vor dem Spazierengehen wird laut durchgezählt, ob alle da sind. Die Erzieherinnen zählen vor, erst in Deutsch, dann in Tschechisch. Die Kinder zählen laut nach. Beim Mittagessen lernen sie, dass Nudeln auf Tschechisch těstoviny heißen und jablečný Apfel bedeutet. Und in Kitas mit Polnisch-Angeboten werden die Kinder nach dem Zähneputzen auf Polnisch ins Bett geschickt.

Unterstützt wird die bilinguale Betreuung dadurch, dass in vielen Kitas in den Grenzregionen ohnehin Kinder deutscher Eltern neben polnischen Kindern am Klettergerüst stehen. So sprechen die Jungen und Mädchen auch untereinander beide Sprachen.

Sprachforscher sind sich einig, dass das Alter beim Spracherwerb eine entscheidende Rolle spielt: Je früher Kinder fremde Sprachen hören, desto leichter fällt es ihnen, sie zu verstehen. Ein Kleinkind, das deutsch- und englischsprachig aufwächst, fragt sich irgendwann, warum es im Deutschen viele Artikel und im Englischen nur einen gibt – und lernt dabei. Ein Jugendlicher macht sich darüber schon keine Gedanken mehr. Sein Gehirn eignet sich Vokabeln ganz anders an.

Und es gibt noch einen Grund, warum der Freistaat die bilingualen Kitas unterstützt: Gehen „dobré ráno“ (Guten Morgen) und „dobrý večer“ (Guten Abend) erst mal ohne Verrenkungen von der Zunge, fällt auch der Kontakt mit den Nachbarn leichter. Kinder, die schon im Kleinkindalter Ausflüge ins Nachbarland gemacht haben, stehen dem Land als Erwachsene später viel offener gegenüber.

An Sachsens Schulen der gleiche Trend

Auch die Zahl der Schüler, die Polnisch oder Tschechisch als zweite Fremdsprache wählen, steigt seit Jahren. Im laufenden Schuljahr lernen 2.222 Schüler Polnisch und 2.996 Tschechisch. Verglichen mit 2005 ist das eine Verdopplung. An 27 Schulen wird zurzeit Polnisch unterrichtet, an 26 Schulen Tschechisch.

Rund 30 Gymnasien, Grund- und Oberschulen bieten daneben auch polnische oder tschechische Arbeitsgemeinschaften an, bei denen Schüler und Lehrer Exkursionen ins Nachbarland machen. Auch davon liegen die meisten nicht weit weg von der Landesgrenze.

Stefan Kuhfs ist als Praktikant in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus tätig.

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