Schüler ohne Abschluss – der Faktencheck

Schüler ohne Abschluss – der Faktencheck

Die Leistungsfähigkeit und der Erfolg eines Bildungssystems hängen auch davon ab, wie viele Schülerinnen und Schüler einen Abschluss schaffen. Trotz Spitzenleistungen bei nationalen und internationalen Bildungsvergleichen hat Sachsen im Länderverglich eine hohe Quote bei Schülern ohne Abschluss. Wie passt das zusammen? Der Faktencheck.

 

Schüler ohne Hauptschulabschluss auf dem ersten Bildungsweg in Sachsen

Aktuelle Tabelle Schüler und Schülerinnen ohne Abschluss bezogen auf alle Absolvierende

2023: 8,6%     2.769 Schülerinnen und Schüler*

2022: 8,5%     2.775 Schülerinnen und Schüler

2021: 8,8%     2.793 Schülerinnen und Schüler

2020: 7,9%     2.455 Schülerinnen und Schüler

2019: 8,7%     2.708 Schülerinnen und Schüler

2018: 8,7%     2.637 Schülerinnen und Schüler

2017: 8,3%     2.566 Schülerinnen und Schüler

2016: 8,4%     2.533 Schülerinnen und Schüler

„Wir müssen weiter unsere Hausaufgaben machen, damit mehr Schülerinnen und Schüler mit einem Abschluss die Schule verlassen. Die Schere zwischen Spitzenleistungen und Misserfolg darf nicht weiter auseinandergehen“, so Kultusminister Christian Piwarz, der darauf verwies, dass alle Bundesländer vor dieser Herausforderung stehen. „Die gestiegene Heterogenität in der Gesamtgesellschaft spiegle sich auch in der Schule wider. Die Antwort darauf muss mit vielfältigen und individuellen Lernangeboten sowie mit genügend gut ausgebildeten Lehrkräften erfolgen. Für uns zählt jeder Schüler und jede Schülerin. Klar ist aber auch, Schule kann nicht die alleinige Reparaturwerkstatt für die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen sein“, so Piwarz.

Ländervergleich schwierig – statistische Erhebungsverfahren sind zu unterschiedlich

Immer wieder steht Sachsen beim Ländervergleich mit einer hohen Quote an Schülern ohne Abschluss in der Kritik. Ein genauer Blick in die Zahlen zeigt, dass die unterschiedlichen Erhebungsdaten einen Ländervergleich schwierig machen. Im Ergebnisse steht am Ende ein verzerrtes Bild, das nicht die tatsächlichen Realitäten in den einzelnen Ländern widerspiegelt.

In Sachsen werden z. B. die Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung und Lernen in der Statistik mitgeführt. Von den 8,5 % der Schüler ohne Hauptschulabschluss 2022 sind etwa 970 Schüler, die einen Abschluss im Förderschwerpunkt Lernen erworben haben (ca. 3%) und rund 340 Schüler, die einen Abschluss im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung erworben haben (ca. 1%). Diese 4% aller Absolventen dürfen nicht als Schüler ohne Abschluss diskriminiert werden.

Erfolgreicher Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg

Bei der Quote wird zudem nicht berücksichtigt, ob junge Menschen auf einem anderen Weg ihren Hauptschulabschluss nachholen, z. B. über die Schulfremdenprüfung, im Berufsvorbereitungsjahr oder durch Zuerkennung eines guten Berufsabschlusses. Beim Anteil der erfolgreichen Absolventen an den Abgängern aus dem Berufsvorbereitungsjahr steht Sachsen mit an der Spitze der Bundesländer. Das bedeutet, der größte Anteil der sächsischen Schüler erwirbt am Ende der Schulzeit einen Schulabschluss, der den individuellen Leistungsmöglichkeiten entspricht. 95 Prozent aller 20 bis 30-jährigen in Sachsen verfügen zumindest über einen Hauptschulabschluss. Deutschlandweit liegt dieser Wert bei 93,2 Prozent. (Zahlen sind von 2021, neuere liegen dazu noch nicht vor).

Im Prüfungsjahr 2022 nahmen z. B. ca. 450 Personen die Möglichkeit wahr, den Haupt- bzw. Realschulabschluss über eine Schulfremdenprüfung abzulegen.

Sächsischer Hauptschulabschluss mit hoher Qualität

In Sachsen ist der Hauptschulabschluss mit einem vergleichbar hohen Leistungsanspruch verknüpft. Während bei uns im Freistaat der Hauptschulabschluss nur mit einer zentralen Prüfung erworben werden kann, ist dieses bei einem großen Teil der Bundesländer nicht der Fall.

Was wird getan, um die Quote der Schüler ohne Abschluss zu senken?

Um Schülerinnen und Schüler, denen das Lernen schwerfällt, den Weg zum Schulabschluss zu ebnen, hat das Kultusministerium verschiedene Projekte und Unterstützungsprogramme in das Regelschulsystem integriert. Durch die höchst individuellen und alternativen Lernangebote können mehr Jugendliche zu einem Abschluss geführt werden. Hier ein paar Beispiele dafür:

Produktives Lernen:

Das im Regelsystem fest verankerte Projekt wendet sich an abschlussgefährdete Schüler der 8. und 9. Klassenstufe einer Oberschule. Hier werden außerschulische Tätigkeiten an selbst gewählten Praxisplätzen mit dem Lernen an der Schule verbunden. Das Lernen in der Schule erfolgt an 2 Tagen in der Woche fachbezogen, fachübergreifend und fächerverbindend. Das Lernen in der Praxis an 3 Tagen in der Woche ist das Kernstück des „Produktiven Lernens“, wobei sich die Schülerinnen und Schüler auf Grundlage einer intensiven Erkundung ihrer Interessen und Kompetenzen weitestgehend selbständig Praxisplätze in einem Betrieb, einer Behörde, einer kulturellen, sozialen oder auch politischen Einrichtung suchen.

In Sachsen bieten derzeit 9 Oberschulen „Produktives Lernen an. Welche Erfolge damit erzielt werden und weitere Details sind abrufbar unter: https://www.schule.sachsen.de/produktives-lernen-6099.html

Praxisberater:

Praxisberater bieten den Schülern Hilfe und Unterstützung bei der Berufsorientierung, um die Jugendlichen für einen Schulabschluss zu motivieren. Derzeit sind im Freistaat Sachsen an 251 Oberschulen 302 Praxisberaterinnen und Praxisberater tätig. Weitere Infos gibt es hier: https://praxisberater-sachsen.de/das-projekt/

Berufseinstiegsbegleiter:

Berufseinstiegsbegleiter begleiten die Jugendlichen an Oberschulen und allgemeinbildenden Förderschulen individuell bis in die Ausbildung hinein. Sie haben sich als sinnvolles Instrument erwiesen, um leistungsschwächere Schüler bzw. Schülerinnen in ihrer Motivation doch zu einem schulischen Abschluss und zu einem erfolgreichen Übergang in die Ausbildung zu führen. Personal zur Unterstützung – Berufliche Orientierung – sachsen.de

Förderangebote durch Lerncamps und Ganztagesangebote:

Die Lerncamps in den Ferien haben starke praktische Bezüge, die nicht nur die Lernlücken schließen, sondern auch die Lernmotivation steigern sollen.

Auch die Ganztagesangebote an den Schulen dienen dazu, die Lernmotivation zu erhöhen und die Lernlücken zu schließen.

Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg:

In Sachsen gibt es viele verschiedene Möglichkeiten den Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg nachzuholen, z. B. auf den Abendschulen, durch eine Schulfremdenprüfung, über das Berufsvorbereitungsjahr oder die Zuerkennung nach einer guten Berufsausbildung. 2021 waren das fast 2.500 Jugendliche.

Leistungsfähige Schüler der Schule zur Lernförderung erhalten die Möglichkeit, den Hauptschulabschluss zu erwerben. Das waren 2021 etwas mehr als 200 Schülerinnen und Schüler.

Multiprofessionelle Teams an Schulen:

Um die gestiegene Heterogenität an Schule gestalten zu können, brauchen die Lehrkräfte und Schulleitungen zusätzliche Unterstützung. Diese Unterstützung erfolgt durch weitere Fachkräfte aus unterschiedlichen Berufsbereichen, sodass sich an den Schulen zunehmend multiprofessionelle Teams bilden. Insgesamt beschäftigt der Freistaat über 500 Schulassistenten, die überwiegend nach sozialen Kriterien an Schulen zum Einsatz kommen. An jeder sächsischen Oberschule finanziert der Freistaat eine Stelle für Schulsozialarbeit. Weitere Schulsozialarbeiter, über deren Verteilung die Träger der öffentlichen Jugendhilfe überwiegend nach sozialen Indikatoren entscheiden, werden mit bis zu 90 % vom Freistaat gefördert. 230 Inklusionsassistenten finanziert der Freistaat zu Förderung inklusiven Unterrichts. Dazu kommen Praxisberater an über 250 Oberschulen, die der Freistaat zusammen mit der Bundesagentur zum Einsatz bringt. Und an über 50 Schulen unterstützen Berufseinstiegsbegleiter diejenigen, denen der Übergang in den Beruf besonders schwerfällt. Details: https://www.schule.sachsen.de/schulassistenz-6864.html

 

*Aktualisiert am 8. April 2024

Dr. Susann Meerheim, stv. Pressesprecherin des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

3 Kommentare

  1. Lehrer01 1 Jahr vor

    Hallo,
    wenn es um Fakten geht, dann sollte man auch alle nennen.
    In Sachsen ist es im HS Bereich möglich, zu keiner einzigen Prüfung zu gehen und einen dem Hauptschulabschluss gleichgestellten Abschluss zu bekommen. (§51 SOOSA)
    Es ist sehr „erfrischend“, wenn einige Hauptschüler völlig entspannt zu keiner mündlichen Prüfung kommen und die Prüfungskommision sich ein Loch in den Bauch wartet.
    Ist das ein hoher Leistungsanspruch oder täuschen wir ihn nur an?

  2. Jörn Bohn 1 Jahr vor

    Der Verweis auf die bereits bestehenden Programme ist nicht zielführend. Sie dienen lediglich dazu, den Status Quo bei der Schulabbrecherquote zu erhalten. Es wäre geradezu illusorisch zu glauben, bereits existierende Maßnahmen könnten die Zahlen senken. Das haben sie ja in der Vergangenheit schon nicht getan. Zudem wird nicht realisiert, dass die Defizite von Kindern und Jugendlichen weiter steigen. Lehrerinnen und Lehrer würden Ihnen aber genau davon berichten. Fazit: Das, was getan wird, ist nicht ausreichend.

    • Dirk Reelfs - SMK 1 Jahr vor

      Sehr geehrter Herr Bohn, den Status Quo zu halten, angesichts wachsender Herausforderungen, zunehmender Heterogenität der Schülerschaft und zum Teil maßloser Forderung der Gesellschaft an Schulen, ist für mich bemerkenswert genug. Ich würde das nicht herabwürdigen. Dass ferner in der Quote auch Schülerinnen und Schüler erfasst werden, die aufgrund sonderpädagogischen Förderbedarfs keinen Hauptschulabschluss machen können, kann nicht oft genug erwähnt werden. An Ermunterung, Motivation, Engagement der Schulen und Beratung durch die Kultusverwaltung mangelt es ganz sicher nicht. Die im Bei-trag genannten Maßnahmen werden kontinuierlich und systematisch begleitet, evaluiert und wenn nötig angepasst. Ein pures Mehr an Maßnahmen ist auch kein Erfolgsgarant. Dessen ungeachtet gibt es noch eine Reihe anderer Maßnahmen und Systeme, die helfen, aber im Beitrag nicht genannt wurden, wie etwa klassischer Förderunterricht, das Programm Aufholen nach Corona, Schulbegleitung oder Produktionsschule.
      Viele Grüße
      Dirk Reelfs