In Deutschland fehlen immer mehr Kindern die grundlegenden Fähigkeiten Lesen, Schreiben und Rechnen – das brachte der IQB-Bildungstrend 2021 zutage. Umso wichtiger ist die Bildungsarbeit der Grundschulen.
Fast ein Fünftel der Viertklässlerinnen und Viertklässler kann nicht richtig lesen, fast jeder Dritte nicht regelkonform schreiben und in Mathematik verfehlen fast 22 Prozent die Mindeststandards – das sind die deutschlandweiten Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2021 der Kultusministerkonferenz, der Anfang Juli dieses Jahres präsentiert wurde.
Die Ergebnisse fielen damit schlechter aus als in früheren Untersuchungen. Eine Ursache wird in den pandemiebedingten Einschränkungen gesehen. »Allerdings haben auch schon in den früheren Kohorten zu viele Kinder nicht die Mindeststandards erreicht. Um diese Kinder muss sich das Bildungssystem systematischer kümmern«, so Prof. Dr. Petra Stanat, wissenschaftliche Leiterin des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen.
Laut Petra Stanat reichen vorübergehende Corona-Aufholprogramme nicht aus, um den hohen Anteil an Kindern, denen grundlegende Fähigkeiten fehlen, dauerhaft zu verringern. Damit ist klar: Die grundlegenden Fertigkeiten müssen von Anfang an im Fokus stehen. Legen doch die ersten beiden Schuljahre den Grundstein für selbstständiges Arbeiten und motivieren zum lebenslangen Lernen. Die ersten beiden Schuljahre sind somit fundamental für den weiteren Bildungsweg.
Das Kultusministerium unterstüzt die Bildungsarbeit der Grundschulen mit pädagogischen Handreichungen. Ein Überblick.
Diagnostik ist das A und O
Bereits in der ersten Klassenstufe der Grundschule ist es besonders wichtig, an den jeweiligen Entwicklungsstand der Schulanfänger anzuknüpfen. Viele spätere Lernprobleme deuten sich bereits früh an und verstärken sich über die Jahre hinweg, wenn ihnen nicht präventiv begegnet wird. Dazu müssen zunächst einmal die Entwicklungsstände der Kinder diagnostiziert werden. Nicht von ungefähr ist in der Schulordnung Grundschulen festgehalten, dass innerhalb der ersten Schulwochen eine Ermittlung des aktuellen Entwicklungsstandes durch die Lehrkräfte erfolgt. Der Fokus liegt auf den vier Bereichen der kognitiven Entwicklung, der sprachlichen Entwicklung, der emotionalen und sozialen Entwicklung sowie der körperlich-motorischen Entwicklung. Hinweise dazu geben eine Reihe von Publikationen des Kultusministeriums.
Die Handreichung »Förderung der emotionalen und sozialen Entwicklung« beleuchtet den sehr zentralen Entwicklungsbereich am Übergang vom Kindergarten in die Grundschule.
Die kognitiven Fähigkeiten zählen zu den basalen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Lernen in der gesamten Schulzeit und bedürfen deshalb im Anfangsunterricht schon einer besonderen Beachtung. Impulse gibt die Handreichung »Förderung der kognitiven Entwicklung«.
Ziel der Broschüre »Förderung der körperlich-motorischen Entwicklung« ist es, Impulse zur Begleitung der Kinder zu geben, um ihre Motorik und damit ein gutes Körpergefühl zu entwickeln. Mit der Broschüre wird den Lehrkräften im Anfangsunterricht ein Material an die Hand gegeben, das nützliches Hintergrundwissen zur körperlich-motorischen Entwicklung von Kindern im Grundschulalter bereithält und gleichzeitig hilfreiche Tipps und Tricks in Form eines Bewegungsbaukastens liefert.
Mathematik von Anfang an
Der Anfangsunterricht in Mathematik muss von Alltagserlebnissen der Kinder und ihrem Denken über Mengen, Zahlen und Rechenoperationen ausgehen. Ohne Anschauung, ohne den Umgang mit Mengen, ohne Vorstellung von Zahlen und Größen und ohne das Lesen und Schreiben von Ziffern ist ein gesichertes Rechnen nicht möglich.
Hinweise für das Fach Mathematik im Anfangsunterricht gibt die Broschüre: »Rechenschwierigkeiten vorbeugen – Empfehlung zur Förderung im Anfangsunterricht«. Dabei stehen pädagogische Diagnostik und Förderung im Fokus.
Eine Reihe von sachsenspezifischen Anregungen stehen zur Verfügung, zum Beispiel: Grundlegende Hinweise auf den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule und in den Hort gibt die Broschüre »Bewährtes neu denken«.
Die Schriftsprache lernen
Die Grundschule muss gewährleisten, dass tatsächlich alle Kinder Lesen und Schreiben lernen. Dabei sind auf der Grundlage einer pädagogischen Diagnostik angepasste Bildungs- und Förderangebote für alle Schülerinnen und Schüler notwendig.
Basiskompetenzen wie flüssiges Lesen, zügiges und richtiges Schreiben müssen so geübt sein, dass die Aufmerksamkeit auf das Verstehen und Gestalten von Texten gerichtet werden kann. Die Gestaltung des Schriftspracherwerbs muss daher gut durchdacht und reflektiert werden.
Um Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben vorbeugen zu können, wird das Kultusministerium den Grundschulen im Oktober Empfehlungen zur Förderung im Anfangsunterricht geben. Eine entsprechende Handreichung wird derzeit erstellt.
Weitere Informationen zur Grundschule gibt es hier: https://www.schule.sachsen.de/aufbau-und-angebote-4014.html.
Der Frage und Aufforderung der Lehrerin kann ich mich nur anschließen. In der jetzigen Notsituation haben wir keine Zeit für eine Handreichung. Lesen und Schreiben – das sind Basisfähigkeiten, die man durch einen sehr guten Anfangsunterricht erlernt. Die besten Lehrer müssen eine 1. Klasse bekommen, mit einer sehr guten Didaktik und der Fähigkeit, auch große Unterschiede im Vermögen der einzelnen Schüler abfangen und ausgleichen zu können. Das müssen Lehramtsanwärter durch viel Praxis und einer nicht verkopften Didaktikschulung im Studium lernen. Das alles sind jedoch Binsenweisheiten und seit Jahrzehnten bekannt. Meine sehr gute Facschulausbildung (1984 – 88) ist mir noch heute eine gute Grundlage meiner Arbeit bis zur 10.Klasse. Ein Lehrer sollte auch selbst eine sehr gute Schrift haben. Computer können unsere Arbeit unterstützen, aber selbst zu schreiben ist eine Fähigkeit, die leider immer mehr verkümmert, obwohl sie so wertvoll ist. Ohne Anstrengung und Üben wird es allerdings nicht funktionieren. Lehrkräfte benötigen praktische und zeitnahe Unterstützung und keine Beschimpfungen wie durch die Abgeordnete Gockel.
Würden denn die ambitionierten Ersteller der Handreichungen auch an Schulen arbeiten können und diese gern selbst umsetzen? Bitte stellen Sie Ihre Kräfte zur Verfügung! Es brennt! Helfen Sie!
Die Handreichungen werden von Fachberatern erstellt, welche auch selbst an Schulen arbeiten.
Sehr geehrte Damen und Herren, was wir Grundschullehrer*innen brauchen sind keine Handreichungen, sondern ZEIT für die Kinder und eine deutlich bessere „Ausbildung“ im Sinne eines vernünftigen Studiums. Der organisatorische Aufwand, Bürokratie, ständig neue Verordnungen, große Klassen, Inklusion ohne entsprechende Unterstützung, permanenter Ausfall an Daz-Stunden etc. und natürlich Personalmangel sind Ursachen für dieses Dilemma. Handreichungen, die niemand aus Zeitnot mehr liest und erst recht kaum umsetzt, sind wenig hilfreich.
Sehr geehrte Frau Funke,
aus Ihrem Kommentar spricht der Ärger über die Gesamtsituation und die schwierige personelle Lage. Das ist in der Tat verständlich. Einerseits wälzt die Gesellschaft und damit auch die Politik immer mehr Aufgaben auf die Schulen ab. Andererseits fehlt es an Personal, um all den Ansprüchen gerecht zu werden. Doch in jedem Beruf ist es notwendig, sich den Herausforderungen zu stellen. Es geht auch nicht allein darum, die Handreichungen vollumfänglich umzusetzen, sondern den rechtlichen Rahmen eigenverantwortlich und je nach den Möglichkeiten vor Ort auszugestalten. Und natürlich bedarf es dazu mehr, als nur Handreichungen. Hoffen wir, dass es der Arbeitsmarkt bald erlaubt, den Schulen mehr Personal für die herausfordernde Arbeit zur Verfügung zu stellen.
Herzliche Grüße
Dirk Reelfs
Sehr geehrter Herr Reelfs,
Schulen sind unterbestetzt. Das ist ein Fact der sich aus der Realität nicht wegwischen läßt. Kinder sind keine Maschienen sonderen menschliche Wesen und brauchen Zuwendung, um erfolgreich zu lernen.
in einem anderen Artikel betonen Sie, dass Sachsen angeblich seit ein paar Jahren mehr Lehrer einstellt als ausscheiden. Wie passt das mit der erlebten Realität zusammen, dass es massiv an Lehrern fehlt, eine übergroße Zahl der Unterrichtsstunden nach wie vor ausfallen muss, es in Grundschulen noch nicht möglich ist, einen verbindlichen Stundenplan zu erstellen, die Klassenstärke immer größer wird … es ist eine endlose Liste an Mangelérscheinungen.
Es ist Zeit, im warmen Ministerium die harte Realität an den Schulen vor Ort wahrzunehmen und zu verändern. Ein paar schön geschrieben Zeilen und gute Absichten sowie falsche Schuldzuweisungen lösen die großen Probleme nicht. Ich empfinde es als falsch und unproduktiv, den Lehrern durch solche Texte Schuldzuweisungen in Form von „ist doch alles Bestens, warum schafft ihr das bloß nicht“ zu machen. Es ist „unfair“ reihenweise schlechte Gewissen wecken zu wolllen, anstatt die eigene Verantwortung wahrzunehmen.