Die Eigenverantwortung von Schulen stärken

Die Eigenverantwortung von Schulen stärken

»Lernen«, »Professionalisierung«, »Infrastruktur« und »Steuerung«: Das sind die vier Handlungsfelder, zu denen derzeit Expertenräte im Auftrag des Sächsischen Kultusministeriums Handlungsempfehlungen entwickeln. Bis 28. Juni erarbeiten die Gremien im Rahmen des Projekts »Bildungsland Sachsen 2030« Empfehlungen, die dann ab Sommer in regionalen Bildungsforen weiter beraten werden. In dieser Artikelserie stellen wir die vier Expertenräte und ihre Themen näher vor.

Teil 4: Expertenrat »Steuerung«

»Die größte Herausforderung im Handlungsfeld ›Steuerung‹ ist es, eine gute Balance zu finden zwischen der Eigenverantwortung der Schule auf der einen und der Sicherung gleichwertiger Bildungschancen im sächsischen Schulsystem auf der anderen Seite«, sagt Matthias Böhme, Leiter des Referats »Grundsätze, Qualitätsentwicklung, Bildungsmonitoring, Internationales« des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus.

Steuerung, damit kennt sich Böhme aus: Er leitet die Projektgruppe »Bildungsland Sachsen 2030«, die aktuell im Auftrag von Kultusminister Christian Piwarz die Schule der Zukunft entwickelt. Und er hat selbst bis 2014 als Schulleiter eines Gymnasiums gearbeitet.

Foto: Ralf Menzel

Das große Stichwort im Handlungsfeld »Steuerung« des Projekts »Bildungsland Sachsen 2030« heißt »schulische Eigenverantwortung«: Wo benötigen Schulen mehr Gestaltungsspielraum? Welche Rolle spielen externe Partner dabei und wie kann die Kommunikation zwischen Schule und Schulaufsicht weiterentwickelt werden? Und was muss passieren, damit die wichtige Aufgabe »Schulleitung« auch weiterhin attraktiv bleibt?

Matthias Böhme bringt ein Beispiel: Längst haben auch sächsische Schulen die Möglichkeit, mit mehr Budget-Verantwortung externe Bildungsangebote in die Schule zu holen oder an externe Lernorte zu gehen. Aber daraus entsteht auch Verwaltungsaufwand, Schulleitungen haben Rückfragen zum Thema Geld, sie sind keine Betriebswirte. Dafür mussten erst Strukturen geschaffen werden: Seit dem Programm »Aufholen nach Corona« 2021 kümmert sich die »Servicestelle für besondere Bildungsangebote« beim Landesamt für Schule und Bildung um solche Themen. »Die Frage ist: Wie können die finanziellen Budgets gebündelt und weiterentwickelt werden, damit sie von Schulen unbürokratisch und flexibel für attraktive und passgenaue Bildungsangebote vor Ort eingesetzt werden können?«, so Böhme. Auch das Thema »Schulverwaltungsassistenz« spielt dabei eine Rolle.

Foto: Ralf Menzel

Schulleitungen und Lehrkräfte, aber auch Eltern und Schülerinnen und Schüler merken selbst, dass Schulen aktuell sehr unterschiedlich mit den vorhandenen Freiheiten umgehen. »Die unterschiedliche Nutzung von Gestaltungsspielräumen – das sind die Stellen, wo wir Unterschiede zwischen Schulen feststellen«, sagt Böhme. Und fügt an: »Es stellt sich also die Frage, wie es gelingen kann, dass alle Schulen die Gestaltungsmöglichkeiten nutzen und welche Rahmenbedingungen es dafür braucht?«

»Die Zusammenarbeit von Schulleitungen mit der Schulaufsicht ist ein weiteres Thema im Expertenrat ›Steuerung‹«, berichtet Thore Wilkens, der den Expertenrat moderiert. »Es gibt hier zum Beispiel die Forderung, alles deutlich zu entbürokratisieren und den Schulleitungen viel mehr Verantwortung zu übergeben«, berichtet er. »Ein anderes Thema ist der Vorschlag, Schulaufsicht und -beratung voneinander zu lösen.«

19 Mitglieder hat der Expertenrat – wie in den anderen drei Gremien sind Theorie und Praxis sowie Interessensvertretungen gut gemischt. Mit dabei sind zum Beispiel Landeselternrat, Schulleitungen und Lehrerschaft, Personalvertretung, Schulträger, Hochschulen und sogar die Handwerkskammer und die Vereinigung der sächsischen Wirtschaft (die Zusammensetzung sehen sie hier). Die Gruppe hat sich für die drei Ziele, die sie zu bearbeiten hat, in Kleingruppen aufgeteilt, berichtet Wilkens. In der abschließenden Sitzung sollen die erarbeiteten Vorschläge diskutiert und verabschiedet werden (hier finden Sie die Ziele im Handlungsfeld »Steuerung«).

Eine große Herausforderung im Handlungsfeld »Steuerung« ist auch, dass die Voraussetzungen und die Möglichkeiten der Schulen in Stadt und Land häufig sehr unterschiedlich sind: Eine Grundschule auf dem Land hat beispielweise ganz andere Möglichkeiten für den Sachunterricht; die außerschulischen Angebote und Lernorte in der Stadt unterscheiden sich deutlich von denen im ländlichen Raum.

»Um heute eine Schule eigenverantwortlich leiten zu können, ob auf dem Land oder in der Stadt, benötigen Schulleitungen passgenaue Informations- und Beratungsangebote«, fasst Böhme zusammen. Das bezieht er auch auf die übergeordneten Strukturen. »Schulleitungen wünschen sich etwa in Rechts- und Verwaltungsfragen schnelle lösungsorientierte Antworten, auf die alle gleichermaßen und schnell zugreifen können. Das betrifft schulbezogene Steuerungs- und Begleitsysteme wie auch die Zusammenarbeit mit externen Partnern«, so Böhme. »Ergänzend zur klassischen schulaufsichtlichen Beratung können hier ggf. intelligente digitale Systeme weiterhelfen, mit denen es gelingt, Schulleitungen bei auftretenden Fragen schnelle und verlässliche Antworten zu liefern.«

 

Text: Peter Stawowy

Lynn Winkler, Redakteurin für Social Media in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

2 Kommentare

  1. Engagierter 11 Monaten vor

    Guten Abend,
    nachdem ich mir die Mitglieder aller 4 Expertenräte mehrmals angeschaut habe, muss ich feststellen, dass der Anspruch „Bildungsland Sachsen 2030“ offensichtlich ein alleinig allgemeinbildender ist. Denn in keinem einzigen der vier Expertenräte gibt es einen Vertreter oder eine Vertreterin einer berufsbildenden Schule in Sachsen.
    Das ist ein Offenbarungseid und Armutszeuignis ohnegleichen!
    Die Landschaft berufsbildender Schulen in Sachsen ist so vielfältig und groß, neben den ca. 60 BSZ gibt es eine Vielzahl freier Träger. Industrie 4.0, Handwerk 4.0 sind in aller Munde, wo ist deren Quelle? Ausbildung 4.0 – das sind der Anspruch und die Notwendigkeit berufsbildender Schulen – und das in FÜNF verschiedenen Schularten der Berufsqualifikation, Studienqualifikation und Weiterbildung. Keine einzige allgemeinbildende Schulart ist auch nur annähernd so nah am Puls von Wirtschaft und Gesellschaft wie berufsbildende Schulen und oft sogar Universitäten. Dies zu ignorieren, lässt wenig Hoffnung bzgl. der Ergebnisse des Gesamtprozesses aufkommen. Denn genau so läuft Bildungspolitik in Sachsen seit 31 Jahren. Für Berufsbildung ist weder Zeit noch Geld noch Interesse. Da bleibt nur die Hoffnung, dass im Zuge der zu bildenden Bildungsforen Berufsbildner das Glück haben, hineingelost zu werden. Aber wahrscheinlich hat sich da gar keiner mehr dafür beworben.
    Schade um den Gesamtprozess, aber, um ein Bild zu verwenden, diesem Auto „Bildungsland“ fehlt ein entscheidendes Rad.

    • Dirk Reelfs - SMK 10 Monaten vor

      Lieber „Engagierter“,

      Sie sprechen in der Tat eine Schwachstelle an. Leider hatten Kolleginnen und Kollegen aus dem Kreis der BSZ ihre Teilnahme an den Expertenräten wieder abgesagt oder zu spät reagiert. So sind lediglich Expertinnen und Experten der Schulforschung aus dem berufsbildenden Bereich dabei. Allerdings wird das Projekt Bildungsland Sachsen 2030 auch durch eine Runde von Schulleitungen beratend begleitet. Dort sind die BSZ vertreten. Der Blick in die Teilnehmer der ab Sommer tagenden Bildungsforen zeigt zudem, das auch dort die BSZ vertreten sein werden.
      Viele Grüße
      Dirk Reelfs