»Es ist eine super Motivation, dass das eigene Handeln auch ein Stück weit die Lebensrealität von Schülerinnen und Schülern verändert«

»Es ist eine super Motivation, dass das eigene Handeln auch ein Stück weit die Lebensrealität von Schülerinnen und Schülern verändert«

Hinter den Kultus-Kulissen: In unserem neuen Format treffen wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Hauses an ihrem persönlichen Lieblingsplatz im SMK und sprechen mit ihnen über ihren Job, besondere Momente und ihre Motivation für Bildung in Sachsen zu arbeiten. Wir starten mit Albrecht Handke. Er ist verantwortlich für Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Referent Albrecht Handke an seinem Lieblingsplatz: der »kleinen Semperoper«. Mitgebracht hat er Sitzhocker aus der Kampagne seines Herzensthemas: Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Hallo Albrecht! Stell dich doch gern kurz vor.

Mein Name ist Albrecht Handke und ich bin Referent für Bildung für nachhaltige Entwicklung – kurz BNE – im Referat 36 »Politische Bildung, Migration und Bildung für nachhaltige Entwicklung«.

Ich arbeite seit August 2018 hier im Sächsischen Staatsministerium für Kultus und ganz konkret als »Gesamtkoordinator zur Umsetzung der sächsischen Landesstrategie Bildung für nachhaltige Entwicklung«. Die Landesstrategie betrifft aber nicht nur das Kultusministerium, sondern die gesamte Sächsische Staatsregierung. Ziel ist es, das Themenfeld BNE in allen Bildungsbereichen zu stärken. Federführend liegt die Umsetzung bei uns im Haus, deshalb bin ich hier angesiedelt.

Und weil es eben nicht ein Fach Bildung für nachhaltige Entwicklung gibt, sondern es ein Querschnittsthema ist, stehe ich den verschiedenen Fachbereichen zur Seite und mache darauf aufmerksam, wo BNE eigentlich überall drin vorkommt oder auch verortet werden kann.

Welche Expertise bringst du für deinen Job mit?

Wer so ein übergreifendes Themenfeld in verschiedenen Bildungsbereichen platzieren möchte, muss viel kommunizieren können. Außerdem muss man andere für Ideen gewinnen und begeistern können und eine Vorstellung von den Grundlagen haben – worum geht es überhaupt bei Bildung für nachhaltige Entwicklung.

Rein formal ist es in meinem Fall so, dass ich Diplomsoziologe im ersten Studienabschluss und Diplomkaufmann im zweiten Studienabschluss bin. Das sind natürlich die Abschlüsse, die mir dabei helfen, meine Aufgaben zu erfüllen. Doch viel mehr als die ganz konkreten Inhalte sind es vielleicht noch die Techniken, die man dabei erlernt und die Erfahrungen, die man gesammelt hat. Es geht um Moderation. Ich moderiere zum Beispiel viele Gruppen, in denen sich die Staatsregierung mit der Zivilgesellschaft und andere Akteure überlegt, wie man BNE noch stärker implementieren kann. Freude an Diskussionen und Entscheidungen ist auch hilfreich, ebenso wie Verantwortungsübernahme, zum Beispiel, wenn es um neue Vorhaben oder den Einsatz von Finanzen geht.

Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?

Von außen betrachtet zunächst relativ unspektakulär, denn der absolut durchschnittliche Arbeitstag besteht tatsächlich zum großen Teil aus Büro- oder Homeoffice-Arbeit an einem Schreibtisch mit einem Computer. Zudem gibt es verschiedene Termine, bei denen ich Kooperationspartner treffe, Verträge aushandele, Programme gestalte und steuere. Das, was den Alltag aber auflockert, sind unterschiedliche Veranstaltungen, die ich besuchen kann, um mich selbst sozusagen fortzubilden und im Themenfeld fit zu halten.

Ein anderer Teil besteht eher aus kommunikativen Tätigkeiten, bei denen ich mit anderen Menschen gemeinsam überlege, was gute Maßnahmen sind und wobei ich viel über Bildung für nachhaltige Entwicklung in anderen Bundesländern oder zum Teil auch in anderen Ländern erfahre. Ich hatte kürzlich etwa eine Videokonferenz mit einer Wissenschaftlerin aus Nairobi. Dabei spielt dann die Kommunikation auf Englisch eine große Rolle. Es ist mitnichten so, dass man bei diesem Themenfeld ausschließlich auf Sachsen schaut – das ist natürlich mein Wirkungsfeld –, sondern es kommen auch viele Ideen, Einflüsse und Rahmensetzungen aus anderen Bundesländern oder anderen Ländern, zum Beispiel über die EU oder UN, zum Tragen. Das macht es sehr spannend, weil es eben nicht nur um Sachsen geht, sondern Bildung für nachhaltige Entwicklung betrifft tatsächlich die ganze Welt.

Warum hast du dich ausgerechnet für das SMK als Arbeitgeber entschieden?

Die ehrliche Antwort müsste eigentlich sein: Ich habe mir überhaupt nicht das Kultusministerium ausgesucht, sondern das SMK hat mich ausgesucht. Ich habe mich ursprünglich für eine Stelle im Landesamt für Schule und Bildung beworben. Beim Vorstellungsgespräch im LaSuB wurde ich dann gefragt, ob ich auch ins SMK gehen würde, worauf ich gesagt habe: »Das kommt auf die Tätigkeit an.«

Deshalb wäre vielleicht die Frage »Warum Bildung für nachhaltige Entwicklung als Themenfeld?« treffender. Ich glaube, es gibt große Zukunftsaufgaben. Da gehört sicherlich die Digitalisierung dazu, da gehören Fragen des demografischen Wandels dazu, von Wohlstand und Veränderung.

Große Themenfelder, die es nicht erst seit gestern gibt, sondern schon viel länger, sind globale Gerechtigkeit und Klimawandel. Die Menschen erkennen, dass sich etwas in ihrer Umwelt verändert und die Globalisierung einfach alle betrifft.

Das sind letztlich auch die Kernfragen von Bildung für nachhaltige Entwicklung. Ich finde es sehr spannend, an solchen Fragestellungen und Lösungsvorschlägen mitzuarbeiten, denn die entstehen eben durch Wissen. Unsere Gesellschaft ist letztlich eine Wissensgesellschaft. Deshalb ist es besonders spannend für mich, in einem Kultusministerium zu arbeiten, was sich quasi per Auftrag mit Bildung auseinandersetzt und damit, wie mit den großen Zukunftsfragen auch kreativ und – nicht zu vergessen – mit entsprechenden Kompetenzen und Werten durch Lehrende und Lernende umgegangen werden soll.

Was motiviert dich, täglich für die Bildung in Sachsen zu arbeiten?

Einerseits sind es meine eigenen Kinder, weil ich mir denke: »Mensch, die profitieren ja auch davon«. Andererseits habe ich den Eindruck, es gibt ganz viele Schülerinnen und Schüler, die in verschiedenen Veranstaltungen, bei Demonstrationen oder in Zusammenarbeit mit ihren Lehrkräften immer wieder zum Ausdruck bringen, dass diese Fragen, die wir hier verhandeln, für sie relevant sind. Ich finde, es ist eine super Motivation, zu sehen, dass man durch das eigene Handeln und die Sachen, die man bewirken kann, auch ein Stück weit die Lebensrealität von den Schülerinnen und Schülern verändert.

Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, eine Facharbeit einer angehenden Erzieherin zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung im frühkindlichen Bereich zu lesen. Wenn man sieht, dass sich jemand, der professionell mit Kindern arbeiten möchte, dieses Themenfeld aussucht, sich damit auseinandersetzt und so viele Aspekte, die man sozusagen selbst bearbeitet, mitberücksichtigt, dann merkt man, dass das eigene Tun tatsächlich relevant für andere, also Erzieherinnen und Erzieher, aber auch angehende Lehrkräfte, ist. Das ist ein sehr schönes Feedback und bestärkt mich.

Was war der bisher schönste oder erinnerungswürdigste Moment bei deiner Arbeit? Worauf bist du besonders stolz?

Worauf ich besonders stolz bin, ist unser Umgang mit der Corona-Pandemie, speziell im Kontext der BNE. Wir hatten einen Fachtag, den wir zum Beispiel zusammen mit der Landesstiftung Natur und Umwelt durchgeführt haben – und den konnten wir von Tag eins an digitalisieren. Das lag sicherlich auch am großen Engagement der beteiligten Kolleginnen und Kollegen. Ich bin stolz, dass es uns gelungen ist, trotz Pandemie viele Vernetzungs- oder Kooperationsformate so zu digitalisieren, dass man trotzdem im Gespräch bleiben konnte. Wir haben, egal, ob über die BNE-Implementierungskampagne oder andere Veranstaltungen, über digitale Formate weiterhin mit den Schulen kommuniziert. Dass uns das wirklich gelungen ist, ist eine große Sache.

Und noch eine andere Sache: Bildungsprozesse – und das merken wir durch viele Menschen – verändern unsere Gesellschaft sehr langsam. Viele sagen: »Ok, jetzt habt ihr eine tolle Landesstrategie Bildung für nachhaltige Entwicklung, aber was verändert sich denn für mich?« Ich bin stolz darauf, dass es seit 2019 die Landesstrategie gibt und schon nach vier Jahren viele Akteure sagen: »Es haben sich viele Dinge bewegt.« Also, die selbst das Gefühl haben, wir haben durch bestimmte Rahmensetzungen, dadurch, dass es überarbeitete Lehrpläne gibt oder dass es die Jugendhilfeplanung 2021 – 2025 gibt, vieles verändert. Auch durch Unterstützungsmaßnahmen, Kleinprojekteförderungen oder zuletzt den Aufbau von Servicestellen und der BNE-Landeskoordinierungsstelle, aber auch durch bestimmte Kooperationen mit dem Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen, das das BNE-Portal umsetzt, konnten viele eine Veränderung wahrnehmen. Das heißt noch nicht alle, insofern bleibt immer noch viel Arbeit. Aber, dass es schon oft so ein positives Feedback gibt, darauf bin ich tatsächlich auch stolz.

Könntest du ein Zukunftsfach für Schulen wählen: Welches wäre das und warum?

Für meinen Bereich tue ich mich mit einem (Zukunfts-)Fach ein bisschen schwer, weil sich viele Inhalte der Bildung für nachhaltige Entwicklung, aber auch der politischen Bildung nicht in einem Fach verorten lassen.

Wenn wir uns an unsere eigene Schulzeit zurückerinnern, dann bleiben doch vielleicht eher Themen hängen. Diesen Themen hat man sich auch in unterschiedlichen Fächern genähert. Deshalb wäre mein Fach der Zukunft eher, dass man sagt: »Was habe ich in dieser Schule als ganzheitlichen Zusammenhang dieser unterschiedlichen Fächer gelernt.« Ich glaube, es ist überhaupt nicht notwendig, ein Fach – Nachhaltigkeit o.ä. – zu erfinden, sondern mir wäre es viel lieber, dass Nachhaltigkeit in unterschiedlichen Aspekten, da wo es wirklich angebracht ist, gelehrt und vor allem gelebt wird.

Nehmen wir an, eine Schülerin oder ein Schüler verfasst einen Essay, sei es in Englisch, sei es mit Hilfe von ChatGPT, zum Thema Nachhaltigkeit oder Plastikmüll im Pazifik. Wenn wir es schaffen, wenn es auch Lehrkräfte schaffen, Themen so miteinander zu verbinden, dass sich Kinder und Jugendliche dabei nicht nur mit englischer Literatur, sondern sich gleichzeitig noch mit Themen des globalen Lernens oder der Nachhaltigkeit befassen, dann haben wir unheimlich viel gewonnen. Dann brauchen wir auch gar kein einzelnes Fach. Dann brauchen wir eher klug umgesetzte Lehrpläne, an denen immer wieder gearbeitet wird, die Rahmenbedingungen, an denen eigentlich das ganze Kultusministerium arbeitet, um Schule in die Lage zu versetzen, solche Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte und Schüler zu schaffen, dass zukunftsfähiges Denken und Lernen gelehrt und gelernt werden kann.

Mehr zur Bildung für nachhaltige Entwicklung

Im Mittelpunkt der landesweiten BNE-Kampagne des Kultusministeriums steht die Online-Plattform www.bne-sachsen.de. Hier stellen über 130 Vereine ihre Projekte und Initiativen vor, es gibt aktuelle Informationen zur BNE in Sachsen sowie Bildungsangebote und Materialien für den Unterricht.

Das Gespräch führten Laurén Haziak und Lynn Winkler.

Lynn Winkler, Redakteurin für Social Media in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

2 Kommentare

  1. Susanne Voß 1 Jahr vor

    Dieser Text ist sehr interessant und spricht mir aus dem Herzen! Es wird Zeit,daß sich überhaupt im Schulsystem etwas in dieser Richtung verändert.

  2. Ute Slanina 1 Jahr vor

    Sehr interessant zu erfahren, wie verknüpft die Themengebiete sind und wie dringend erforderlich es ist, das Thema Nachhaltigkeit ins tägliche Leben zu integrieren.