Wenn es brenzlig wird an Schulen – Handreichung soll Lehrkräften helfen

Wenn es brenzlig wird an Schulen – Handreichung soll Lehrkräften helfen

Beleidigungen in sozialen Netzwerken, verfassungsfeindliche Symbole auf Tischplatten, menschenfeindliche Äußerungen von Schülern – im Schulalltag werden Lehrinnen und Lehrer zunehmend mit Situationen konfrontiert, die besonderes pädagogisches Handeln erfordert. Damit Lehrkräfte mehr Sicherheit im Umgang mit derartigen Vorfällen bekommen, hat das Landesamt für Schule und Bildung eine Handreichung erstellt.

„Schule ist immer auch ein Spiegelbild der Gesellschaft. Beleidigungen, körperliche Übergriffe, rassistische Äußerungen im sozialen Umfeld – was in unserer Gesellschaft geschieht, bringen Kinder und Jugendliche auch in die Schule mit. In dieser Situation benötigen Lehrerinnen und Lehrer Unterstützung, von den Eltern, aber auch von der Schulaufsicht. Die Handreichung soll helfen, die besonderen Herausforderungen an Schule zu meistern“, begründet Kultusminister Christian Piwarz die Broschüre.

Anhand von realen Vorkommnissen an sächsischen Schulen werden die aktuell gültige Rechtslage erklärt und Hinweise zum schulorganisatorischen Handeln gegeben. Außerdem werden den Lehrkräften mögliche pädagogische Maßnahmen und fallspezifische Unterstützungsangebote benannt. Die Fallbeispielsammlung versteht sich nicht als eine Handlungsanleitung oder gar -vorgabe, sondern vielmehr als Empfehlung, die mehr Handlungssicherheit bei Schulleitungen und Lehrkräften schaffen soll.

Hier zeigen wir ein Beispiel in Auszügen.

Fallbeispiel: Rassistische Beleidigungen in sozialen Netzwerken

Die Schülerin Laura P. der 11. Jahrgangsstufe eines Gymnasiums hat auf ihrem Instagram-Account ein Bild ihrer Mitschülerin Aise F. mit beleidigendem und rassistischem Inhalt geteilt. Mehrere Mitschülerinnen und Mitschüler sind auf diesen Beitrag aufmerksam geworden und informieren am nächsten Tag die Tutorin ihres Leistungskurses.

Rechtslage

Strafrechtliche Betrachtung

Durch das Teilen des beschriebenen Beitrages auf ihrem Instagram-Account könnte sich Laura P. der Volksverhetzung nach § 130 StGB und der Beleidigung nach § 185 StGB strafbar gemacht haben. Eine Information der Polizei über den Vorfall durch die Schule sollte nach pädagogischer Abwägung wohlüberlegt sein und obliegt allein der Schulleitung. Auf Grund des Legalitätsprinzips nach 163 StPO könnte die Information der Polizei die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach sich ziehen. Die Schule selbst hat dann keinen Einfluss mehr auf den weiteren Fortgang des Verfahrens, was sie aber nicht von ihrer pädagogischen Verantwortung für die betroffenen Schülerinnen entbindet. Davon unabhängig kann durch die Geschädigte Aise F. bzw. – im Falle der Minderjährigkeit – durch ihre Eltern, Strafantrag gestellt werden. Neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen muss Laura P. mit Schmerzensgeldansprüchen rechnen, die auf zivilrechtlichem Wege oder im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens innerhalb des Strafprozesses gegen sie geltend gemacht werden können.

Schulrechtliche Betrachtung

Unabhängig von der strafrechtlichen Betrachtung trägt die Schulleitung auch immer Verantwortung für die Einhaltung und Erfüllung des im Schulgesetz festgelegten Erziehungs- und Bildungsauftrages an ihrer Schule. Nach § 1 Abs. 5 Ziffer 4 SächsSchulG sollen Schüler insbesondere lernen, „allen Menschen vorurteilsfrei zu begegnen, unabhängig von ihrer ethnischen und kulturellen Herkunft, äußeren Erscheinung (…) sowie für ein diskriminierungsfreies Miteinander einzutreten“. Daraus folgt, dass es nicht im Ermessen einer einzelnen Lehrkraft liegt, ob sie auf Äußerungen mit volksverhetzendem und rassistisch beleidigendem Charakter reagiert; daher ist die Einbeziehung der Schulleitung geboten, damit diese ihrer Verpflichtung zur Meldung eines besonderen Vorkommnisses gegenüber den Schulaufsichtsbehörden nachkommen kann. Um den Erziehungs- und Bildungsauftrag zu sichern, müssen im vorliegen-den Fall Ordnungsmaßnahmen nach § 39 SächsSchulG eingesetzt werden, da Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichend sind, um den Schulfrieden wiederherzustellen. Dies begründet sich dadurch, dass die Handlung der Schülerin eine Straftat gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung darstellt. Die Ermessensentscheidung ist auf Grundlage einer zuvor erfolgten Sachverhaltsaufklärung und unter Abwägung der daraus resultierenden Umstände zu treffen. An dieser Stelle sei auf die juristische Handreichung zu Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen verwiesen.

Ist ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren hierzu anhängig, schließt dies schulische Ordnungsmaßnahmen nicht aus. Das Verbot der Doppelbestrafung findet keine Anwendung, da die schulischen Ordnungsmaßnahmen einen anderen Zweck als strafrechtliche Maßnahmen verfolgen.

Schulorganisatorische Maßnahmen

Unmittelbare Maßnahmen

  • unverzügliche Information der Oberstufenberaterin oder des Oberstufenberaters und der Schulleitung über den Vorfall durch die Tutorin
  • Meldung des diskriminierenden und rassistischen Beitrags an das Instagram Hilfe Center durch die Schulleitung, um dessen Löschung durch den Dienstanbieter zu ermöglichen: help.instagram.com
  • telefonische Vorabinformation der zuständigen Schulreferentin oder des zuständigen Schulreferenten durch die Schulleitung
  • Meldung des besonderen Vorkommnisses über das Schulportal durch die Schulleitung
  • Information der Eltern von Laura P. und Aise F. durch die Schulleitung
  • ggf. Information an die örtliche Polizeidienststelle durch die Schulleitung

Mögliche pädagogische Maßnahmen

Individuelle Arbeit mit Laura P.

  • Gespräche mit einer Vertrauensperson in der Schule zur Ursachenergründung und Bewusstmachung der eigenen Handlungen

Individuelle Arbeit mit Aise F.

  • Gespräche mit einer Vertrauensperson in der Schule oder dem Schulpsychologen zur Verarbeitung der Geschehnisse

Die Handreichung „Herausforderungen politischer Bildung und pädagogischen Handelns an sächsischen Schulen. Eine Fallbeispielsammlung“ mit allen Fallbeispielen gibt es hier.

Lynn Winkler, Redakteurin für Social Media in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

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