Künstliche Intelligenz verändert Schule – langsam, aber spürbar. In Sachsen zeigen erste Schulen wie KI-gestützte Tools sinnvoll eingesetzt werden können.
Was passiert bereits konkret? Was brauchen Schulen, um weiterzukommen? Und was sagen Lehrkräfte und Verwaltung zu Chancen und Grenzen von KI – und zu der großen Frage: Was kommt als Nächstes?
Von Antje Tiefenthal
»Der Umgang mit KI muss den Kindern genauso beigebracht werden wie Fahrradfahren«, sagt Ivonne Rehle, Schulleiterin der Freien Schule Erzgebirgsblick in Gelenau. Dort wird KI längst im Unterricht genutzt – nicht, weil sie eine Modeerscheinung, sondern eine Notwendigkeit ist. »Wir müssen uns damit auseinandersetzen. Denn wir merken, dass die Kinder bereits in der 5. Klasse KI nutzen«, sagt Informatiklehrer Christoph Deike. Für ihn ist klar: »KI ist ein Werkzeug – nicht nur für die Schule, sondern zum Beispiel auch für den späteren Arbeitsalltag. Und genau das ist unser pädagogischer Auftrag: Wir müssen die Kinder und Jugendlichen auf das Berufsleben vorbereiten.« Auch Julia Scharsich, Referentin im Referat »Digitalisierung, Medienbildung« des Sächsischen Kultusministeriums (SMK), bestätigt: »Künstliche Intelligenz ist längst Teil der Lebensrealität und damit auch Teil des Schulalltages.« Das Thema beschäftigt Schulen, Schulträger und Verwaltung gleichermaßen. »Viele Lehrkräfte fragen sich: Was darf ich überhaupt nutzen – und in welchem Rahmen?« Für das SMK ist deshalb klar: KI muss in den Schulen thematisiert, erprobt und diskutiert werden – nicht irgendwann, sondern jetzt.
Erste Einsätze und Chancen
Noch ist KI an Sachsens Schulen kein flächendeckender Standard, aber sie ist angekommen. Am Beruflichen Schulzentrum Meißen-Radebeul beispielsweise erstellen einzelne Lehrkräfte mit KI-Unterstützung Übungsmaterialien, nutzen Chatbots oder Lernplattformen. »Der Einsatz von KI ist in unserem Schulalltag noch eher im Anfangsstadium. Die Schülerinnen und Schüler sind den Lehrenden oft weit voraus«, sagt Schulleiterin Kerstin Rahn. Auch am Lessing-Gymnasium Döbeln ist der Wissensstand innerhalb des Kollegiums unterschiedlich ausgeprägt. »Wir hatten einen pädagogischen Tag zum Einsatz von KI im Unterricht. Dabei ist deutlich geworden: Gerade die jüngere Generation nutzt KI sehr gern. Manche Ältere sind noch abgeneigt und denken, KI bedeutet Mehraufwand«, sagt Lehrerin Julia Berger. In einem gemeinsamen Projekt mit der Pacemaker Initiative hat sich das Kollegium der Schule damit beschäftigt, wie es KI nutzen kann, zum Beispiel für die Unterrichtsvorbereitung und -gestaltung. »Unser Ziel ist es, alle Kolleginnen und Kollegen mitzunehmen und ihnen zu zeigen, dass sie keine Angst vor KI haben müssen«, sagt Tommy Greim, stellvertretender Schulleiter des Lessing-Gymnasiums. Er sieht Künstliche Intelligenz als Chance. »KI ist eine enorme Arbeitserleichterung, sowohl für die Lernenden als auch für die Lehrkräfte. Man kann damit zum Beispiel relativ schnell auf unterschiedlichen Niveaustufen arbeiten. So können wir etwa für unsere Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache Texte vereinfachen lassen.«
An den aktuellen Zeitgeist angepasst
Am Goethe-Gymnasium Auerbach setzt Lehrer Justus Weber in seinem fächerverbindenden Wahlgrundkurs »Computermathematik« auf projektorientiertes Arbeiten. »Gerade in Zeiten von KI halte ich solche Formate für sinnvoller als das klassische Auswendiglernen und Reproduzieren. In meinem regulären Fach Mathematik fehlt mir aus Zeitgründen oft die Freiheit, Neues auszuprobieren und den Unterricht dem aktuellen Zeitgeist anzupassen. Dabei gäbe es auch in der Mathematik großartige Ideen, wie man KI im Unterricht gewinnbringend einsetzen kann – etwa um Konzepte anschaulich zu machen oder interaktive Experimente durchzuführen«, erklärt er. Justus Weber lässt nicht nur seine Schülerinnen und Schüler mit KI arbeiten, sondern nutzt die Technologie selbst: »KI erlaubt mir, deutlich effektiver zu arbeiten. Mein Unterricht wird durch KI erheblich besser, weil ich Zeit bei redundanten Arbeiten einsparen kann.«
Wenn KI zu schnell wird
Mit dem Einsatz von KI wachsen die Fragen. Viele Schulen stehen vor ganz praktischen Problemen und kämpfen mit Unsicherheiten, etwa beim Datenschutz, Urheberrecht oder bei der Frage: Was darf ich mit KI überhaupt machen? Für Hanspeter Höra, Lehrer für Englisch und Geschichte am Gymnasium Markneukirchen, ist es eine Herzensangelegenheit, aufzuklären. Er bietet sachsenweit Fortbildungen zum Thema KI für Lehrkräfte sowie für Schülerinnen und Schüler an. »Mir begegnet regelmäßig die Frage, was aus uns Lehrkräften wird. Ich glaube nicht, dass der Lehrberuf wegfallen wird. Ich sehe KI eher als einen Assistenten, der uns ganz viel abnehmen kann.« Ihn sorgt stattdessen die wachsende Kluft zwischen Menschen mit guten und schlechten Bildungschancen: »Die fitten Kinder werden durch KI noch mal fitter. Die anderen geben einfach was ein und übernehmen das Ergebnis ungeprüft – da geht die Übungsphase verloren. Ich bin überzeugt, dass mit KI die Bildungsschere weiter aufgeht.« Für Justus Weber ist das größte Problem die rasante Geschwindigkeit, mit der sich die Technologie weiterentwickelt. »Es ist schwierig, für Kolleginnen und Kollegen eine ultimative Antwort zu finden, wie KI auf Seiten der Lernenden und Lehrenden sinnvoll eingesetzt werden kann. Ich kann auf Fragen zwar immer eine aktuelle Antwort geben, aber in drei Wochen ist sie dann schon wieder veraltet. Deshalb tauschen wir uns ständig aus: Jeder findet etwas Neues, zeigt es dem anderen. Eine feste Linie, wo man sagt ,So machen wir es jetzt‹, kann es noch nicht geben.«
Was Schulen brauchen
Über alle Schulen hinweg wünschen sich Lehrkräfte mehr Orientierung, Austausch und Qualifizierung. »Wir brauchen eine flächendeckende KI-Grundausbildung«, fordert Christoph Deike. »Meine Kolleginnen und Kollegen erarbeiten sich vieles selbst oder fragen mich. Aber das ist auf Dauer keine Lösung.« Auch Justus Weber sieht einen strukturellen Engpass: »Es fehlen vor allem die zeitlichen Ressourcen, um KI in die Fachschaften zu bringen. Wir müssen erst mal Unterricht absichern.« Das Kultusministerium sieht es als eine seiner zentralen Aufgaben, genau die Handlungssicherheit zu geben, die sich die Schulen wünschen. »Wir wollen Lehrkräfte so unterstützen, dass sie KI-Systeme souverän und reflektiert einsetzen können«, sagt Julia Scharsich. Bereits seit 2023 gibt es unter mesax.de/ki ein umfassendes Informationsangebot, das rechtliche Fragen klärt, Tipps gibt und Beispiele zeigt. Mit dem »Assistenten KAI« wurde ein datenschutzkonformer und niedrigschwelliger Zugang zu generativer KI geschaffen – gezielt für den geschützten schulischen Raum. »Jede Lehrkraft, die Interesse hat, soll mit KAI die Möglichkeit bekommen, Künstliche Intelligenz für ihren Unterricht zu nutzen. Eine wichtige Rolle spielen dabei unsere unterstützenden Angebote – darunter Fortbildungsangebote, PITKo, Fachberater sowie die Medienpädagogischen Zentren«, erklärt Julia Scharsich.
Die Zukunft von KI an Schulen
KI nimmt Fahrt auf – in der Verwaltung ebenso wie im Kollegium. Immer mehr Lehrkräfte und Schulleitungen denken weiter: Wie kann KI im Schulalltag noch wirksamer werden? Und was braucht es, damit der nächste Schritt gelingt? »Wir wünschen uns, dass in den kommenden Jahren die Integration von KI im Schulalltag noch stärker voranschreitet«, sagt Kerstin Rahn vom Beruflichen Schulzentrum Meißen- Radebeul. Ihr Wunsch: KI-gestützte Lernplattformen, die auf individuelle Bedürfnisse eingehen, mehr Effizienz und Inklusion ermöglichen – ohne die pädagogische Arbeit zu ersetzen. »Dabei ist es wichtig, ethische Fragen und den Datenschutz stets im Blick zu behalten, um das Vertrauen aller Beteiligten zu sichern.« Auch strukturell stehen Veränderungen an. »Ich glaube, Schule wird sich grundsätzlich verändern müssen – so sehr wie noch nie in ihrer Geschichte«, sagt Tommy Greim vom Lessing-Gymnasium Döbeln. Und Hanspeter Höra vom Gymnasium Markneukirchen beschreibt den Einsatz von KI in Schule und Unterricht als Aufbruch ins Unbekannte: »Wir sind Argonauten, die sich in Gewässern bewegen, in denen noch nie jemand unterwegs war.« Dass dieser Kurs anspruchsvoll ist, bestreitet niemand. Julia Scharsich hat das Ziel fest im Blick: »Ich wünsche mir, dass alle Lehrkräfte und alle Schülerinnen und Schüler wissen, wie sie KI für ihre Ziele nutzen können.«

Fortbildungskurse und weitere Informationen
Das Landesamt für Schule und Bildung hat im Selbstlern-Fortbildungskurs »Online Lernen und Lehren in Sachsen« das Modul »Künstliche Intelligenz in Schule und Unterricht« ergänzt. Das Modul bietet eine praktische Einführung in die Arbeit mit KI-Anwendungen wie ChatGPT.
Hier geht es zum Interview mit Prof. Birte Platow.

Damit ich MIT den SuS eine datenschutzkonforme KI nutzen könnte, um den Schülern den Umgang damit zu vermitteln, müsste KAI auch für die SuS nutzbar sein. Sonst müsste ich ja mit den Modelen von Google oder Microsoft bzw. OpenAI arbeiten, in den Naturwissenschaften mit deepseek, weil das nahezu immer richtig rechnet oder Perplexity bzw. die europäische Mistral – alternativ natürlich kostenpflichtige Angebote wie SchulKI, eduhu u.a.
Wenn KI datenschutzkonform an die Schule gehört, dann muss der Freistaat auch die datenschutzkonforme Möglichkeit für die Schüler schaffen.
Wenn dann noch selbst die Bezahlversion von Perlplexity falsch rechnet (es sind ja nur Sprachmodelle) … siehe
https://www.opal-schule.de/olat/auth/RepositoryEntry/3844571137/CourseNode/1742959137686170001
Des weiteren erwarte ich natürlich auch entsprechende Vorgaben, Fortbildungen, Entwicklungen von meinem Arbeitgeber. Wir führen das CAS im Matheunterricht ein, nur damit ich dann vor der Abiprüfung per Update und Ürüfungsmodus das Gerät kastriere und es im verlängerten hilfsmittelfreien Teil gar nicht nutzen kann. Und jetzt kommt KI dazu?
Lieber J. Fiebig,
wir danken Ihnen für Ihre Anmerkung, die wir sehr gern aufnehmen. Wir arbeiten aktuell daran, auch Schülerinnen und Schülern einen datenschutzkonformen und altersangemessenen Zugang zu generativer Künstlicher Intelligenz zu ermöglichen. Eine entsprechende Lösung wollen wir noch innerhalb dieses Schuljahres über Schullogin bereitstellen.
Hinsichtlich der gewünschten Fortbildungen und Informationsangebote möchten wir Ihnen gern den Fortbildungskatalog des LaSuB sowie unser zentrales Informationsangebot zum Thema KI in schulischen Bildungsprozessen mesax.de/ki ans Herz legen. Sollten Ihnen nach dessen Lektüre noch Fragen offen bleiben, laden wir Sie ein, das dortige Kontaktformular zu nutzen und Ihre Frage einzureichen. Das Informationsangebot ist dynamisch und wird von uns laufend gepflegt.
Herzliche Grüße
Lynn Winkler