Am Förderzentrum Erich Kästner in Aue weht seit zwei Jahren ein frischer Wind. Schulentwicklung wird hier nicht nur gedacht, sondern gelebt – von allen gemeinsam. Wie das gelingt, erzählen Jacqueline Hoffmann, erfahrene Lehrerin, und Carolin Alpers, pädagogische Fachkraft. Mit neuen Ideen und viel Teamgeist gestalten sie Schule neu.
Von Antje Tiefenthal
Die Veränderungen am Förderzentrum Erich Kästner in Aue sind nicht zu übersehen – nicht im Schulhaus, nicht im Unterricht, nicht im Kollegium. »Es fühlt sich so an, als hätten wir im Grunde alles verändert«, sagt Lehrerin Jacqueline Hoffmann mit einem Lächeln. Was sie meint: Tagesstruktur, Öffnung nach außen, Digitalisierung, Elternarbeit, Schulprogramm – überall wurde angepackt. Und überall hat sich etwas bewegt.
Ein Team, ein Ziel
Jacqueline Hoffmanns Kollegin Carolin Alpers ist pädagogische Fachkraft und gehört seit 2013 zum Team. Damals lag das Büro für die pädagogischen Fachkräfte noch in einer anderen Etage, weit entfernt vom Lehrerzimmer. Heute liegen alle auf einer Ebene nebeneinander: das Schulleitungsbüro und die Räume für das Kollegium. Dahinter steht eine neue Haltung: »Wir funktionieren als ein großes Ganzes. Wir haben teilweise neue Teams gebildet, setzen auf regelmäßigen Austausch und entwickeln auch Schule gemeinsam weiter«, erklärt Carolin Alpers und fügt hinzu: »Das bedeutete für uns neue Arbeitszeiten, was zunächst ein großer Umbruch war. Im Nachhinein hat es sich aber als sehr gewinnbringend herausgestellt.« Inzwischen würden die Kinder nicht mehr zwischen Lehrkraft und pädagogischer Fachkraft unterscheiden. »Wir sind einfach ein Team für die Kinder – und das ist für uns eine absolut positive Entwicklung«, sagt Jacqueline Hoffmann.

Eine Schule öffnet sich
Schulleiterin Anja Schüller hat den Wandel initiiert – mit ganzheitlichem Blick. Sie hat selbst als Lehrerin am Förderzentrum unterrichtet, bis sie vor zwei Jahren die Leitung der Schule übernahm und den Schulentwicklungsprozess startete. »Ich habe mich gefragt: Was unterscheidet uns eigentlich von Regelschulen? Was machen wir wirklich anders, außer dass es bei uns kleine Klassen gibt?« Anja Schüller wollte mehr als nur kleine Klassen – mehr Bewegung, mehr Eigenverantwortung für Kinder, mehr Raum für Beziehung. »Mein Ziel ist, dass es allen in der Schulgemeinschaft gut geht«, sagt sie.
Daraufhin entwickelte das Kollegium ein Schulprogramm, das erstmals sichtbar macht, was die Schule auszeichnet. Wöchentliche Teamzeiten, klare Werte, neue Kommunikationsformate, ein »digitales Lehrerzimmer« oder pädagogische Tage mit externer Unterstützung sorgen für Zusammenhalt. Eine wichtige Impulsgeberin war dabei die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, deren pädagogischer Tag einen regelrechten Aufbruch ausgelöst hat.
»Wir haben externe Partner an Bord geholt – aus dem gesamten Erzgebirgskreis«, berichtet Jacqueline Hoffmann. Die Schule arbeitet mit Menschen aus der Ergo-, Klang- und Lerntherapie zusammen, kooperiert mit Vereinen und Seniorenzentren. Selbst ein Therapiehund kommt regelmäßig zu Besuch. Geplant sind Schulhaustiere, ein Musik-Erlebnisraum, eine Achtsamkeitspause für alle – und ein neu gestalteter Schulhof.
Gemeinsame Lernwege
»Vor dem Leitungswechsel war alles noch analog – auf Papier. Der Vertretungsplan, alles«, erinnert sich Jacqueline Hoffmann. Die Umstellung war herausfordernd, gerade für erfahrene Kolleginnen wie sie. Doch durch gegenseitige Unterstützung wurde sie zur Chance: »Man hat eine jüngere Kollegin an der Seite, man kann um Hilfe bitten – und bekommt sie auch.«
Neben der Digitalisierung war die Umstrukturierung des Schulalltages ein zentrales Element der Schulentwicklung. »Unsere Kinder kommen aus dem gesamten Erzgebirgskreis, viele mit längerer Anfahrt«, erzählt Jacqueline Hoffmann. »Morgens starten die Kinder zunächst mit einer Spielzeit auf dem Schulhof.« Danach wird gemeinsam gefrühstückt, bevor der Unterricht um 8:15 Uhr beginnt. Auch die Schulstunden selbst wurden verändert: »Eine Schulstunde dauert bei uns nicht mehr 45, sondern 40 Minuten«, so Carolin Alpers. Gelernt wird in Blöcken, mit regelmäßigen Bewegungspausen – eine spürbare Entlastung für Kinder und für das Personal.
Schulentwicklung als Haltung
Was es braucht, damit solche Prozesse gelingen? Für Jacqueline Hoffmann ist die Antwort klar: »Eine tolle Leitung – und die haben wir.« Ebenso wichtig sei der Zusammenhalt im Kollegium: »Wir sind ein buntes Team, das sich gegenseitig stärkt.« Auch die regelmäßige Teamzeit am Freitag trägt dazu bei: »Da reflektieren wir, manchmal mit dem Jugendamt. Das ist wichtig, um gemeinsam arbeitsfähig zu bleiben.« Dabei ist allen bewusst, dass Veränderung nicht auf Knopfdruck gelingt. »Nicht alles muss sofort gelingen – aber man muss es wenigstens versuchen.«
Die Vision? »Eine Schule zu sein, in der das Personal flexibel auf die Kinder eingehen kann«, so Carolin Alpers. Und ein Ort, an dem jedes Kind seinen Platz finden kann. »Nicht mehr Sonderschule mit negativem Touch – sondern eine offene Schule für alle«, ergänzt Jacqueline Hoffmann. Dass die Schule auf dem besten Weg dahin ist, zeigen die Rückmeldungen – von den Kindern, den Eltern und dem Kollegium. »Wenn die Kinder sagen: ›Was, der Unterricht ist schon vorbei?‹, ist das ein großes Lob«, sagt Carolin Alpers und lächelt.