Zwischen TikTok und Tagesschau: Wie Schülerinnen und Schüler Nachrichten besser verstehen lernen
Die sächsische Initiative spreuXweizen setzt sich leidenschaftlich für die Stärkung der Nachrichtenkompetenz von Jugendlichen ein. Im Interview spricht Aline Mörath, Projektreferentin bei spreuXweizen, über die Herausforderungen und Chancen, die sich in der Arbeit mit jungen Menschen in einer von Social Media dominierten Informationswelt ergeben. Mörath erklärt, wie spreuXweizen mit innovativen Bildungsangeboten Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler dabei unterstützt, kritisch und selbstbewusst mit Nachrichten umzugehen.
Was ist die Idee und der Ansatz von spreuXweizen?
Uns geht es vor allem darum, Jugendlichen mehr Nachrichtenkompetenz zu vermitteln. Wir bieten verschiedene Programme an, insbesondere Workshops, die sich an der Lebenswelt der Jugendlichen orientieren. Das bedeutet, wir greifen ihr Nachrichtenverhalten auf Social Media auf und helfen ihnen, Nachrichten besser auf ihre Vertrauenswürdigkeit zu prüfen. Es geht auch darum, Desinformationen zu erkennen und die Qualität von Nachrichten zu bewerten. Außerdem wollen wir erklären, warum Journalismus wichtig ist, was das mit Demokratie zu tun hat und warum freie Berichterstattung notwendig ist. Das Ziel ist es, den Jugendlichen Werkzeuge an die Hand zu geben, um sich in der Flut an Informationen zurechtzufinden und sich nicht überfordert zu fühlen.
Die Jugendlichen von heute informieren sich vor allem über soziale Medien und lesen nicht mehr die klassische Tageszeitung oder schauen um 20 Uhr die Tagesschau. Versuchen Sie, die Schülerinnen und Schüler für klassische Medien zu begeistern, oder akzeptieren Sie ihr Mediennutzungsverhalten und arbeiten damit?
Es ist eine Mischung aus beidem. Natürlich müssen wir akzeptieren, dass sich das Medienverhalten verändert hat. Unser eigenes Informationsverhalten unterscheidet sich schließlich auch von dem unserer Eltern oder Großeltern. Das ist normal. Deshalb arbeiten wir zunächst mit dem bestehenden Informationsverhalten der Jugendlichen und zeigen ihnen, dass es auch auf Social Media seriöse Nachrichtenquellen gibt. Wir sagen nicht, dass sie unbedingt die Tagesschau schauen müssen, aber wir nutzen beispielsweise den TikTok-Kanal der Tagesschau, um zu zeigen, wie man auch auf diesen Plattformen glaubwürdige Informationen findet.
Über die sozialen Medien sind die Schülerinnen und Schülern einer ständigen Nachrichtenflut ausgesetzt. Was macht das mit den jungen Menschen und wie reagiert spreuXweizen darauf?
Wir nehmen eine gewisse Überforderung wahr. Verschiedene Studien zeigen, dass die sogenannte »News Avoidance«, also die Abkehr von Nachrichten, zunimmt. Das kann frustrierend sein, insbesondere in Zeiten, in denen man ständig mit schlechten Nachrichten konfrontiert wird. Unser Ziel ist es, den Jugendlichen zu vermitteln, warum es trotzdem wichtig ist, sich zu informieren. Dabei geht es auch darum, ein gewisses Maß an Selbstfürsorge zu vermitteln – man muss nicht rund um die Uhr Nachrichten konsumieren. Wir zeigen ihnen, dass man durch informierte Entscheidungen viel Handlungsfähigkeit gewinnt, sei es in politischen oder gesellschaftlichen Fragen. Das ist besonders relevant, da viele unserer Jugendlichen bald wahlberechtigt sind und durch ihre Entscheidungen unsere Gesellschaft und Politik mitgestalten können.
Welche Rolle spielt dabei das Thema Glaubwürdigkeitsverlust im Journalismus?
Vor allem in ländlichen Regionen nehmen wir eine gewisse Skepsis gegenüber traditionellen Medien wahr, die oft schon im Elternhaus mitgegeben wird. Diese Skepsis begegnet uns auch in unseren Fortbildungen für Lehrkräfte und andere Gruppen. Dort sehen wir nicht nur Kritik, sondern oft auch Misstrauen gegenüber den Medien, die dann alle gleich mit der Regierung assoziiert werden. Das ist ein Problem, aber vielleicht auch ein Vorteil unseres Projekts: Wir arbeiten zwar mit Journalistinnen und Journalisten zusammen, verstehen uns selbst aber als politische Bildnerinnen und Bildner – und nicht als Medienhaus. Das erleichtert uns den Zugang zu Schulen und anderen Einrichtungen.
Wie nehmen die Schulen und die Jugendlichen Ihr Angebot wahr? Wie ist die Bereitschaft, sich darauf einzulassen?
Das ist sehr unterschiedlich. Bei den Jugendlichen ist das Interesse meist groß, allein schon, weil es kein normaler Unterricht ist und jemand Externes kommt. Unsere Multiplikatoren, die die Workshops leiten, sind oft näher am Alter der Zielgruppe, was zusätzlich Interesse weckt. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen wir auf Widerstand stoßen, vor allem in Klassen mit stark rechten Einstellungen. In solchen Fällen ist es schwierig, unsere Inhalte zu vermitteln, aber das ist eher die Ausnahme. Insgesamt ist die Offenheit groß, und auch die Schulen zeigen ein zunehmendes Interesse an unseren Angeboten. Besonders nach Ereignissen wie der Pandemie, dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine oder den jüngsten Konflikten im Nahen Osten spüren wir einen Anstieg der Anfragen.
Wie schützen Sie sich persönlich vor der Nachrichtenflut?
Zum einen achte ich darauf, mein Wohlbefinden im Blick zu behalten. Das bedeutet, ich plane bewusst Zeiten ein, in denen ich mich mit bestimmten Themen beschäftige, und vermeide es, ununterbrochen am Handy zu sein und Push-Nachrichten zu checken. Nachrichtenvermeidung ist für mich jedoch keine Option, da ich aufgrund meiner Arbeit, aber auch aus persönlichem Interesse informiert bleiben möchte. Eine Sache, die mir sehr wichtig ist und die wir auch unseren Teilnehmern vermitteln, ist die Vielfalt der Nachrichtenquellen. Es ist wichtig, aus seiner Filterblase auszubrechen und verschiedene Perspektiven zu hören.
Wie erklären Sie das den Jugendlichen? Wie vermitteln Sie ihnen die Bedeutung von Nachrichtenvielfalt?
Indem wir ihnen zum Beispiel raten, verschiedene Medien zu abonnieren, sowohl auf Social Media als auch im analogen Bereich. Es geht darum, unterschiedliche Quellen zu nutzen und sich auch mit Menschen auszutauschen, die eine andere Meinung haben. So lernt man, die eigene Blase zu verlassen und vielfältigere Informationen zu erhalten.
Mehr zu spreuXweizen gibt es hier.
Text: Antje Tiefenthal
Grafik: spreuXweizen