Seiteneinsteigerin Sylvie Schuster wagte den Sprung ins kalte Wasser
Sie ist eine von 1.134 Seiteneinsteigern an öffentlichen Schulen in Sachsen, die in den vergangenen beiden Jahren eingestellt wurden. Seit 2015 unterrichtet Sylvie Schuster an der Oberschule Clara-Zetkin in Freiberg. Mittlerweile ist sie sogar Klassenlehrerin. Bis dahin war der Weg anspruchsvoll und kräftezehrend. Aber es hat sich gelohnt. Für die Seiteneinsteigerin ist es schön zu sehen, wie ihre Schüler mit ihrer Hilfe lernen und sich weiterentwickeln. Für die neue Sonderbeilage der KLASSE „Wir sind die Neuen“ sprach Eszter Bodnár mit Sylvie Schuster über Herausforderungen und Chancen des Seiteneinstiegs in den Lehrerberuf.
Frau Schuster, Sie wurden bereits im August 2015 als Seiteneinsteigerin in den sächsischen Schuldienst eingestellt. Was hatten sie zuvor beruflich gemacht?
Ich habe in Chemnitz Erwachsenenbildung studiert, für Englisch und Italienisch. Nach dem Studium habe ich sieben Jahre Kurse für private Bildungseinrichtungen gegeben. Viel Business Englisch für Firmen oder Wirtschaftsenglisch an der Uni. Das hat mir super viel Spaß gemacht.
Das hört sich sehr erfüllt an. Was hat sie zum Wechsel bewegt?
Die vorherige Arbeit hat mir wirklich Freude bereitet, aber das waren meistens befristete Verträge. Vieles auf Honorarbasis. Ich bin dann schwanger geworden, in Elternzeit gegangen und habe mich nach der Elternzeit fast ein Jahr lang überall beworben. Aber fast alles waren Angebote für Selbstständige und ohne Festanstellung.
Woher hatten Sie vom Seiteneinstieg erfahren?
Ich habe über die Uni einen Tipp bekommen, dass die Schulen Lehrer suchen. Einige meiner Kommilitonen aus dem Studium haben das auch gemacht. Und weil ich den pädagogischen Hintergrund ja habe, ist mir der Schritt auch nicht schwer gefallen. Ich habe mich beworben und schon am ersten Tag nach dem Ende der Bewerbungsfrist kam die E-Mail: Einladung zum Bewerbungsgespräch.
An der Schule mussten Sie dann ins kalte Wasser springen…
Das stimmt, da war erst mal alles neu und ganz anders. Ich war zwar durch meine Arbeit fachlich vorbereitet, aber so eine Schule ist natürlich ein ganz anderes Lern- und Lehrumfeld als die Erwachsenenbildung. Neben der reinen Wissensvermittlung spielen noch so viele andere Dinge eine wichtige Rolle. Kleine und große Probleme, die miteinander diskutiert werden müssen. Erzieherische Dinge – auch dass ich von meinen Schülern um einen persönlichen Rat gefragt werde. So etwas hat es in der Erwachsenenbildung selten gegeben, in der Schule ist das beinahe alltäglich. Es kommen immer noch Situationen, wo ich mir noch unsicher bin. Aber ich hatte von Anfang an auch viel Unterstützung durch die Kollegen, die mir den Einstieg sehr erleichtert haben.
Wie sah das genau aus? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Die Atmosphäre hier ist schon besonders. Sehr familiär und hilfsbereit, ich schätze das sehr. Ich habe da viele Tipps bekommen. Ich denke, man muss dann auch viel selber ausprobieren, was zu einem passt. Zur eigenen Person, zum eigenen Stil. Durchschauen, was gut funktioniert. Wie kriege ich die Kinder wieder dazu, sich zu konzentrieren? Was klappt bei mir noch nicht so gut? Vieles ist auch von Klasse zu Klasse unterschiedlich. Ich glaube, generell ist es ganz wichtig, dass man sich immer wieder Hilfe holt und nicht versucht, sich da alleine durchzukämpfen. Ganz entscheidend hierfür war auch die dauerhafte Unterstützung durch meine Mentorin Martina Uhlmann.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit Ihrer Mentorin aus?
Martina Uhlmann und ich haben im Lehrerzimmer einen Tisch zusammen. Da können wir in den Pausen immer reden, wenn irgendwas ist. Sie hat mir für den Notfall auch ihre Telefonnummer gegeben, wenn ich am Wochenende bei der Unterrichtsplanung mal nicht weiterkomme. Das klappt super.
Sie nehmen jetzt auch noch an einem Qualifizierungsprogramm teil. Bringt Sie das weiter?
Ja, ich absolviere meine berufsbegleitende Qualifizierung derzeit in Chemnitz. Es gibt eine sehr gute Ausbilderin und nette Kommilitonen, wir helfen uns auch gegenseitig. Dieser Studientag motiviert mich immer sehr, weil man viele wirklich nützliche und praxisnahe Dinge an die Hand bekommt. Es gibt da auch noch zahlreiche andere Weiterbildungsangebote, aber mit dem Studium habe ich momentan genug zu tun. Es gibt Hausaufgaben, Präsentationen, Dinge zum Ausarbeiten …
Das hört sich insgesamt auch recht stressig an.
Das kostet zumindest alles sehr viel Zeit – die Arbeit als Lehrerin an sich. Wirklich jede Stunde muss vorbereitet werden. Zurzeit arbeite ich sieben Tage in der Woche. Wenn ich mal einen freien Tag haben will, muss ich das vorarbeiten. Es ist manchmal schwierig, das mit einem kleinen Kind alles zu handeln. Ich habe zum Glück den Rückhalt der Familie, auch Oma und Opa helfen. Und mit Ende der schulpraktischen Ausbildung wird es zeitlich auch wieder besser, da sehe ich für das Familienleben wieder Licht am Ende des Tunnels.
Hand aufs Herz, haben Sie Ihre Bewerbung schon mal bereut?
Es gab schon Tage, wo ich einfach kaputt und müde war und mit der Arbeit immer noch nicht fertig. Wo ich mir dachte, jetzt würde ich viel lieber mit meinem Kind spielen oder eine Stunde vorm Fernseher sitzen, was aber einfach nicht drin war. Aber bereut habe ich es nicht, dafür gibt es genügend erbauliche Momente, die die Anstrengungen ausgleichen.
Was sind das für Momente im Schulalltag, die Sie motivieren?
Besonders dann etwa, wenn man über ein Problem gesprochen hat und sieht, das wird vom Schüler angenommen. Manche Klassen habe ich jetzt schon im zweiten Jahr. Es ist schön zu sehen, wie sie größer werden und wie sie sich entwickeln. Und ich bin nach wie vor so gerne Englischlehrerin. Es macht mir Spaß zu sehen, wie andere diese Sprache lernen und ich das irgendwie herbeigeführt habe.