»Gerade in Zeiten, wo viele Menschen sich als passiven Spielball verschiedenster Interessengruppen wahrnehmen, ist es von größter Wichtigkeit, dass Kinder und Jugendliche die essentielle Erfahrung eigener positiver Wirkmächtigkeit durch sinnhaftes Engagement erleben.«

»Gerade in Zeiten, wo viele Menschen sich als passiven Spielball verschiedenster Interessengruppen wahrnehmen, ist es von größter Wichtigkeit, dass Kinder und Jugendliche die essentielle Erfahrung eigener positiver Wirkmächtigkeit durch sinnhaftes Engagement erleben.«

Seit mehreren Jahren existiert in Sachsen die Koordinierungsstelle »Lernen durch Engagement«. Sie versteht sich als Beraterin, Unterstützerin und Begleiterin sächsischer Schulen aller Schularten und Regionen. Ihr Fokus: Kinder und Jugendliche setzen gemeinnützige Projekte mit Engagementpartnern in Stadtteil oder Gemeinde um und werden aktiv für soziale, ökologische, politische oder kulturelle Themen, die sie bewegen. Sie tun etwas für andere Menschen und für die Gesellschaft und sammeln bei ihrem Engagement demokratische Erfahrungen. Wie das geht und worauf man dabei achten sollte, erzählt Susanne Paul, Lehrerin an der Marie-Curie-Oberschule Dohna.

Wie würden Sie den Ansatz von »Lernen durch Engagement« (LdE) jemanden erklären, der noch nie etwas damit zu tun hatte?

In Verbindung mit dem Lehrplan suchen sich Schülerinnen und Schüler eigenverantwortlich ein Problem außerhalb der Schule in ihrer realen Lebensumwelt und engagieren sich bei dessen Lösung. Damit bedeutet LdE, »ein Feuer zu entfachen und nicht einen Eimer zu füllen«. LdE ist der Weg, der beschritten werden muss, wenn gelebte Demokratie und Partizipation zukünftig in der Gesellschaft verankert werden sollen. Lehrplananforderungen werden durch selbstbestimmtes »Nützlichmachen« erlebbar und damit echte Bildung.

Eindrücke vom Landesnetzwerktreffen 2022:

Womit haben Sie an Ihrer Schule begonnen, um LdE in die Schulkultur zu integrieren? Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht? Was empfehlen Sie anderen Schulen in dieser Phase?

Kolleginnen und Kollegen, die sich mit LdE beschäftigt und dazu weitergebildet haben, teilen ihre Informationen, Ideen und Material mit dem ganzen Team. Es gibt einen digitalen Pool, auf den jeder zurückgreifen kann, wenn ein eigenes Projekt entwickelt werden soll. Durch Vernetzung und Austausch mit anderen LdE-Schulen und Unterstützung durch das immer hilfsbereite Team der Koordinierungsstelle »Lernen durch Engagement« konnte bzw. kann leicht ermittelt werden: Welche erfolgreichen Projekte gibt es? Wie machen’s die anderen? Was läuft gut, was gilt es zu beachten? Die Devise dabei ist: abgucken (ausdrücklich gewünscht!), anpassen, weiterentwickeln, weitergeben. Eine Empfehlung bzw. ein Tipp für Neueinsteiger: Keine Perfektion am Anfang erwarten. Auf jeden Fall Projekt starten, auch wenn vielleicht noch nicht alle sechs LdE-Qualitätsstandards korrekt erfüllt sind. Im regen Austausch mit Partnern und anderen LdE-Kolleginnen bleiben und das Projekt dadurch weiterentwickeln. Bei Problemen Hilfe bei »Profis« suchen, über Erfolge ausgiebig freuen, locker bleiben.

Wie sehen an Ihrer Schule LdE-Projekte aus? Mit wem arbeiten Sie dabei zusammen?

LdE erfolgt in allen Klassenstufen und wird in den fächerverbindenden Unterrichtstag eingebunden. Daraus ergeben sich günstige Rahmenbedingungen, zum Beispiel Lehrerteams und eine gute Rhythmisierung. Auch wenn die Qualität noch unterschiedlich ist, sehen die bisher gemachten Erfahrungen vielversprechend aus. Wir lernen voneinander und miteinander. Die Kolleginnen und Kollegen der Nawi-Fächer haben etwa gemeinsam das Projekt »Seifensieden« entwickelt. Partner sind dabei die Freiwillige Feuerwehr Dohna und das Altersheim. In der Grundschule wird Englischunterricht durch die siebten Klassen vermittelt. Zur Zeit werden verschiedene LdE-Projekte neu entwickelt. Dabei sollen auch neue Partner gewonnen werden bzw. bestehende Partnerschaften nach der unfreiwilligen Coronapause neu belebt werden.

Wo liegt aus Ihrer Sicht der Nutzen von LdE für Schülerinnen und Schüler, wo der für Lehrerinnen und Lehrer? Wo sehen Sie aber auch Grenzen?

Der Nutzen von LdE für alle Beteiligten kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. LdE fördert exakt Kreativität, kritisches Denken, positive Kommunikation und Kooperation und damit die dringend erforderlichen Zukunftskernkompetenzen bei jungen Menschen. Für die Gesellschaft entwickeln sich dadurch mündige, selbstbestimmte, Demokratie bejahende Bürgerinnen und Bürger. Gerade in Zeiten, wo viele Menschen sich als passiven Spielball verschiedenster Interessengruppen wahrnehmen, ist es von größter Wichtigkeit, dass Kinder und Jugendliche die essentielle Erfahrung eigener positiver Wirkmächtigkeit durch sinnhaftes Engagement erleben. Grenzen sind für LdE nicht durch die Lehrmethode an sich, sondern durch die allgemeinen Rahmenbedingungen gegeben. Das heißt, die Grenzen, die wir im gewohnten Schul- und Lebensalltag wahrnehmen, begrenzen auch LdE: zu große Klassen, zu wenig Zeit, Lehrermangel, zu viel Bürokratie (erschwert speziell auch die Gewinnung von Engagementpartnern), veraltete Rollenbilder.

Was schätzen Sie an der sächsischen Koordinierungsstelle »Lernen durch Engagement« (KLE)?

Die KLE leistet erstklassige (Pionier-)Arbeit bei der Einführung und Entwicklung von LdE. Die freundlichen, hochkompetenten Mitarbeiterinnen organisieren, helfen, motivieren und unterstützen, wo immer möglich. Diese beispielhafte Umgangskultur wünscht man sich immer und findet sie leider sehr selten.

Was werden sie brauchen, um LdE mittel- oder gar langfristig an Ihrer Schule zu verankern?

Dazu braucht es folgende »Zutaten«: fröhliche, motivierte Mitstreiter, die Unterricht neu denken wollen, viele freundliche Engagementpartner, positive Akzeptanz von LdE durch die Elternschaft, eine Schulleitung, die schulorganisatorisch günstige Rahmenbedingungen absteckt, Zeit, kreative Ideen, positive öffentliche Aufmerksamkeit, Durchhaltevermögen, Ermutigung und Hilfe bei Fehlschlägen, Geld.

Die oben erwähnten sechs Qualitätsstandards lauten: realer Bedarf, curriculare Anbindung, Reflexion, Partizipation, außerhalb der Schule, Abschluss.

Mehr dazu finden Sie auf der Homepage der Koordinierungsstelle »Lernen durch Engagement«.

 

Text: Ralf Seifert

Lynn Winkler, Redakteurin für Social Media in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

0 Kommentare