Höher, schneller, weiter

Höher, schneller, weiter

Das Mega-Thema Digitalisierung beherrscht die Diskussion um die Zukunft der berufsbildenden Schulen. Die Gegenwart ist derweil oft geprägt durch den Mangel an Azubis, Lehrern und moderner Ausstattung. Bei näherer Betrachtung zeigt sich: Alles hängt miteinander zusammen.

Text: Alexander Laboda, KLASSE-Redaktion; Fotos: Benjamin Jenak

Nach der ersten Frage lächelt Andreas Duesmann. Erspart ihm der Reporter durch seinen Besuch eine Unterrichtsstunde? „Ja, eigentlich hätte ich Russisch“, sagt Duesmann. Der 19-Jährige ist Schüler der Karl-Heine-Schule Leipzig. Nach dem Gespräch mit dem angehenden Industriemechaniker ist klar: Die Verschnaufpause war dem jungen Mann nur allzu sehr zu gönnen.

Zeit zum Ausruhen hat Andreas Duesmann sonst wenig. Er absolviert eine Art Turbo-Ausbildung. Kommendes Jahr wird der Azubi des Leipziger BMW-Werks voraussichtlich nicht nur die Prüfung zum Industriemechaniker erfolgreich ablegen, sondern zugleich das Abiturzeugnis in der Tasche haben – und das nach nur vier Jahren. Normalerweise dauert das sechseinhalb Jahre. Möglich macht das die „Duale Berufsausbildung mit Abitur in Sachsen“ (DuBAS). „Wir haben im Wechsel wochenweise Berufsschule, Ausbildung im Betrieb und Unterricht in den Abiturfächern“, erklärt Duesmann den Ablauf von DuBAS.

Dabei ist geistige Flexibilität gefragt. Für das Abitur befasst sich Duesmann derzeit etwa mit der „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz und mit Vektorenrechnung. In der Berufsschule stehen Statik, Getriebe und Automatisierungstechnik auf dem Plan. Und im Betrieb geht es unter anderem um Werkzeugbau. „Das ist schon alles sportlich, man muss sich hinsetzen“, sagt Duesmann. Schulferien gibt es für die Schüler nicht, lediglich Urlaubstage. Die Zeitersparnis kommt außerdem zustande, indem Doppelungen bei der praktischen und theoretischen Ausbildung sowie in Berufsschule und Beruflichem Gymnasium vermieden werden.

DuBAS-Schüler sind bisher eine seltene Spezies. Im vergangenen Schuljahr begannen nur knapp 178 junge Menschen eine solche Ausbildung – bei einer Gesamtzahl von 101.022 Schülern an berufsbildenden Schulen in Sachsen. Dennoch ist die Bedeutung von DuBAS kaum zu unterschätzen. Der neue Bildungsgang, der 2011 als Schulversuch in Leipzig, Dresden und Bautzen startete, ist eine Antwort auf gleich zwei Herausforderungen: die Digitalisierung und den Mangel an Azubis.

Fachkräfte für die digitalisierte Wirtschaft

„Wir halten große Stücke auf DuBAS“, sagt Dr. Gert Ziener, Abteilungsleiter für Wirtschafts- und Bildungspolitik bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig. Im Blick hat er dabei zunächst die Lage auf dem Ausbildungsmarkt: „Viele junge Menschen wollen die Hochschulreife. Wir müssen die berufliche deshalb stärker an die akademische Bildung koppeln.“ DuBAS bringe aber auch Fachkräfte hervor, die für die digitalisierte Wirtschaft, die Industrie 4.0, benötigt werden. „Nicht umsonst haben wir bei DuBAS ja auch mit den Informatik- und Metallberufen begonnen“, erklärt Ziener. Ein Teil der Fachkräfte von morgen müsse eine höhere Qualifizierung mitbringen als heute. „Da ist es gut, wenn man Abitur und Berufsausbildung hat und danach noch draufsatteln kann.“

Bisher können in Sachsen nur IHK-Azubis die duale Berufsausbildung mit Abitur machen. Ab 2018 sollen Lehrlinge aus dem Handwerk hinzukommen, zunächst aus dem Elektrobereich.
Dr. Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden, will so ebenfalls die Attraktivität der Lehre erhöhen: „Wir müssen feststellen, dass wir bislang nicht genügend adäquate Angebote für ambitionierte Bewerber haben. Wir müssen uns aber möglichst breit aufstellen. Deshalb brauchen wir mehr Durchlässigkeit zu höheren Abschlüssen“, sagt er. Zugleich müssten generell Lehrpläne aktualisiert werden, weil ständig neue Anforderungen entstehen. Auch im Handwerk wachsen die Ansprüche an Bewerber mit der Digitalisierung. Als Beispiel nennt Brzezinski die Gebäudetechnik: „Hier gibt es einen fließenden Übergang zum Thema Smart Home, also zur Vernetzung von Technik und Geräten in Haushalten. Das ist ein Bereich, in dem wir in Zukunft auch Ansprechpartner mit akademischer Bildung brauchen.“

Doch was nützen aktuelle Lehrpläne und attraktive Abschlüsse, wenn die Ausstattung veraltet ist und digitales Lernen keine Rolle spielt? Der „Monitor Digitale Bildung“, eine kürzlich erschienene Studie der Bertelsmann-Stiftung, attestiert den deutschen berufsbildenden Schulen hier großen Nachholbedarf. Die Potenziale des digitalen Lernens kämen bislang kaum zur Geltung. „Innovation scheitert an mangelnden Kompetenzen und Ressourcen“, schrieben die Autoren. Alarmierend sei, dass überwiegend kein oder nur unzureichendes WLAN zur Verfügung stehe.

Den ganzen Beitrag können Sie in der aktuellen KLASSE nachlesen ab Seite 6.

Bianca Schulz, Redakteurin für Social Media in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

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