Online-Kurse statt Unterrichtspräsenz

Online-Kurse statt Unterrichtspräsenz

Die Umstellung auf digitalen Unterricht während der Schulschließungen verlief für Mathelehrer Jan Heilmann und seine Kollegen am Abendgymnasium Chemnitz geräuschlos. Das E-Learning via Moodle gehört hier nämlich schon länger zum Alltag.

Text: Ulrike Polster

 Vorreiter in Sachen E-Learning

 „Ein Großteil unserer Schüler ist zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt. Es ist nicht selten, dass sie bereits eigene Familien gegründet und einen Beruf erlernt haben“, erzählt Jan Heilmann. „Damit sie neben Familie, Schichtarbeit oder Dienstreisen ihr Abitur im zweiten Bildungsweg absolvieren können, bieten wir bereits seit 2011 Online-Klassen für unsere Lernerinnen und Lerner an.“ Bisher konnten die Schüler selbst entscheiden, ob sie den Lernstoff bei voller Unterrichtspräsenz pauken, oder die Flexibilität des Online-Kurses nutzen und einen Teil des Unterrichtsstoffes zuhause bearbeiten wollen.

Unterricht via Moodle

Mit den durch die Corona-Pandemie bedingten Schulschließungen wurde nun der gesamte Unterrichtsbetrieb am Abendgymnasium auf Online-Kurse umgestellt. Für Jan Heilmann kein Problem: „Das Material für die Online-Kurse war ja vorhanden“, sagt er. Der Fachlehrer für Mathematik, Informatik und Physik stellt seinen Lernern über die Plattform Moodle, die vom Schulträger administriert wird, Material zur Verfügung: Lesestoff, interessante Links, Erklärvideos und Aufgaben zur Bearbeitung zuhause. Die Schüler lösen die Aufgaben bis zu einem festgelegten Zeitpunkt und laden ihre Ergebnisse innerhalb der Plattform hoch. So erarbeiten sie sich ihre Creditpoints. „Meine Kollegen und ich finden die Moodle gut. Mittlerweile arbeitet die gesamte Lehrerschaft an unserem Gymnasium mit dem Tool“, erzählt Heilmann nicht ohne Stolz.

Aller Anfang ist schwer

Das war nicht immer so: 2009 waren es nur Heilmann und drei weitere Kollegen, die das Lernen online an ihrem Gymnasium gern implementieren wollten. Vom Sächsischen Ministerium für Kultus bekamen die jungen Lehrer damals zusätzliche Lehrerstunden gestellt und konnten so verschiedene digitale Werkzeuge testen. Benutzerfreundlich, übersichtlich, DSVGO-konform sollte es sein. Schnell stieß man auf Moodle. Doch: „Wir haben den für Sachsen typischen Altersdurchschnitt bei den Lehrern an unserer Schule. Viele sahen die Notwendigkeit des E-Learnings zu diesem Zeitpunkt einfach nicht. Es ging ja auch so“, erzählt Heilmann. Im Laufe der nächsten Jahre zeigten aber immer mehr Lehrer Interesse; es gab interne Schulungen, in denen der Informatiker seine Kollegen an die Arbeit mit Moodle und Co. heranführte.

Foren, Uploads und Schulorganisation

Und die Open-Source-Lernplattform überzeugt: In nur wenigen Minuten können Pädagogen einen privaten Bereich erstellen und internetbasierte, modulare Kurse entwickeln und durchführen. Die Nutzeroberfläche kann individuell an die Bedürfnisse des Kurses angepasst werden. Flexible Software-Tools, wie ein Kurskalender, Wikis oder Foren können je nach Bedarf ergänzt oder weggelassen werden.

Weltweit verzeichnet Moodle mehr als 195.000.000 Nutzer. Die University of Cambridge und namhafte Unternehmen wie Vodafone und Shell nutzen Moodle, um ihren Bildungs- und Schulungsbedarf zu decken.

Auch für die allgemeine Schulorganisation erweist sich das Tool als praktisch, meint Heilmann. So sind alle Vertretungspläne, Punktelisten, die Bewertungskriterien für Arbeiten u.ä. für die Lehrer, Schüler und Gäste (wie etwa zukünftige Schüler) des Abendgymnasiums in Chemnitz einsehbar. Auch die schulinterne Kommunikation verläuft über diesen Kanal.

Keine Prüfungsnachteile

Jan Heilmanns Schüler sind froh, dass der Unterricht trotz Schulschließungen weitergehen kann. „Anfangs gab es von Seiten der Schüler die Befürchtung, dass Stoffvolumen verloren geht und so Nachteile für die Prüfungen entstehen“, erzählt Heilmann. Dies würde durch die Online-Lösung aber gut abgefangen werden.

Für einige Schüler gestaltet sich die Nutzung der Online-Plattform allerdings schwierig. Gerade in den Einführungsklassen und den Klassen, die sonst nicht online unterrichtet werden, bräuchten seine Schüler öfter Unterstützung. Und auch Schüler mit Migrationshintergrund benötigen zusätzlichen Support, so Heilmann. „Eine meine Schülerinnen konnte mit ihrem Handy eine Datei nicht hochladen. Das Problem ließ sich einfach nicht beheben, also hat sie ihre Lösungen einfach per Post gesendet. Man muss flexibel bleiben,“ plädiert Heilmann.

Videokonferenzen nach Bedarf

Um den Wissenstand besser erfassen zu können, lässt Heilmann sich von den Schülern die benötigte Bearbeitungszeit dokumentieren. Außerdem teilen sie ihm die Quellen ihrer Ausarbeitungen mit, die er sich dann anschaut und Rückmeldung darüber gibt, ob diese Quellen nützlich und gut sind. Außerdem erhält er im Moodle-Gruppenchat einen guten Einblick über eventuelle Schwierigkeiten beim Lernen zuhause. „Es ist toll zu sehen, wie sich die Schüler in den Foren zu Aufgaben austauschen, diskutieren und sich gegenseitig Hilfestellung leisten“, freut sich Heilmann.

Sollte es zu gravierenden Problemen kommen, setzt der Lehrer aber auch 15- bis 20-minütige Videokonferenzen an, wo er sich gemeinsam mit der Klasse einer Problemstellung widmen und diese erklären kann. Für die Videokonferenzen greift Heilmann auf das Modul EduDip der Lerplattform LernSax des Sächsischen Kultusministeriums zurück. Gängige Programme wie Skype und Zoom bieten nicht die notwendige DSGVO-Konformität.

Fehlende Bühne

Er selbst sieht im E-Learning eine zeitgerechte Lösung, den individuellen Ansprüchen der Schülerschaft gerecht zu werden – nicht nur in Zeiten der Schulschließungen. Dennoch ist und bleibt Lernen eben auch ein soziales Miteinander. „Der Augenkontakt zu meinen Schülern, das Gefühl, vor meiner Klasse zu stehen und die Lerner in meinen Bann zu ziehen, das Spiel mit Strenge und Humor – das geht online einfach nicht. Gerade eben fehlt mir die Bühne“, erzählt Heilmann. Denn so schön man das Lernen zuhause für seine Schüler auch gestaltet: E-Learning kann ein wunderbares ergänzendes Element zu normalem Unterricht sein. Aber es wird den Lehrer im Unterricht niemals ersetzen.

Lynn Winkler, Redakteurin für Social Media in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

11 Kommentare

  1. Katja 4 Jahren vor

    Es gibt die Leopoldina Studie zu Corona, die klar benennt, das Grundschule in der Priorität der Öffnung am Anfang stehen sollte. Frau Merkel bezeichnet die Studie als maßgebend. Warum hält sich dennoch keiner daran? Wir brauchen hier nicht über Online-Beschulung diskutieren, gerade in Grundschulen. Das stellt keine Alternative dar. Sollte dies funktionieren, kann sich der Lehrerstand gleich selbst abschaffen. Keine spricht über die bildungsfernen Familien und deren Kinder, die zwingend wieder in die Schulen gehen müssen. Öffnet die Schulen, schnellstmöglich!!!!!

  2. Pohl Ronny 4 Jahren vor

    Guten Abend
    Das ist ein guter Weg aber nicht wirklich neu.
    Das Problem liegt nicht nur in der tech.Ausstattung ,sondern auch in der Bereitschaft der Lehrer und Schüler sich auf diesen Weg zu begeben. Man kann Deutsch,Englisch und auch anderen Fächer online mit Lehrer Betreuung buchen.. Betonung liegt auf buchen da es sich in den meisten Fällen Privatschulen sind und diewollen bezahlt werden ,mit recht. Persönlich finde ich den Weg gut , er kommt für mein Kind zu spät aber die Richtung stimmt . Zum Thema Endgerät sollte die Dame ihren Post noch einmal über denken ,nicht alle verfügen über die Finanzkraft um eventuell Endgeräte zu kaufen ( es sollten für alle Nutzer auch die gleiche sein ,ist das selbe wie mit den Rechner im Matheunterricht). Meine Meinung sie kann falsch sein ,das wird aber erst die Zeit bringen.

  3. Elternteil 4 Jahren vor

    Hallo
    Frage zu: https://www.bildung.sachsen.de/blog/index.php/2020/04/15/schulen-fuer-alle-abschlussklassen-geoeffnet/ …hier, da dort die Kommentarfunktion deaktiviert wurde.

    Besteht nun für die Abschlussklassen eigentlich eine Anwesenheitspflicht oder sind die Konsultationen freiwillig?
    Ich möchte mein Sohn nur ungern in die Schule schicken. In den Medien wird immer von „Vorbereitungen KÖNNEN stattfinden“, „im Vorfeld der Prüfungen kein Regelunterricht“, etc. geschrieben

    Die Schule meint jedoch, dass der Unterricht zur Vorbereitung wie normaler Unterricht eine Pflichtveranstaltung ist.
    Was soll ich tun, bzw. können Sie eine klare Aussage treffen?

    • Autor
      Lynn Winkler - SMK 4 Jahren vor

      Lieber Elternteil,

      vielen Dank für Ihre Nachfrage. Grundsätzlich gilt die Schulpflicht und insbesondere ab Mittwoch für die Abschlussklassen auch wieder die Schulbesuchspflicht. Insofern gibt es hier keine „Wahlmöglichkeit“. Dazu hat sich Kultusminister Christian Piwarz auch in der vergangenen Woche im Livestream geäußert: https://t.co/1eFIziQmuY?amp=1 (ab Minute 13:32). Gern anschauen.

      Herzliche Grüße
      Lynn Winkler

  4. Thomas Herr 4 Jahren vor

    Die Plattformen Moodle ist sicherlich eine mögliche Alternative. Ebenso Lernsax. Abgehängt sind aber die Schüler im ländlichen Raum, bei denen es eben keine stabile und vor allem leistungsfähige Breitbandanbindung gibt.

  5. Lehrerin 4 Jahren vor

    Leider kann man die vorhergehenden Blogbeiträge nicht mehr kommentieren, deshalb meine Frage nun an falscher Stelle: Wo finde ich die Anlage 3 zur neuen Allgemeinverfügung, in der die von den Schulen einzuhaltenden Hygieneregeln stehen? „Mit Anlagen“ heißt sowohl im Schulportal der Lehrkräfte als auch hier im öffentlichen Bereich nur Anlage 1 und 2, obwohl im Text explizit auf eine Anlage 3 verwiesen wird. Auch das angegebene Aktenzeichen führt nur zu allgemeinen Aussagen über Veranstaltungen mit mehr und weniger als 1000 Teilnehmern, aber nicht zu konkreten Regelungen: Wie viele Personen dürfen sich gleichzeitig in einem Unterrichtsraum oder Prüfungsraum aufhalten? Wie und von wem werden die Einlasskontrollen der Schulen durchgeführt? …

  6. Romy Haubensak 4 Jahren vor

    Dann ist es eben Aufgabe der Eltern, ihren Kindern Endgeräte zur Verfügung zu stellen, preiswerte Tablets gibt es schon ab 150 €. Es gibt Familien, die verlassen ihr Heimatland, um ihren Kindern eine bessere Bildung zu ermöglichen, alles eine Frage der Priorität. Immer nur andere für die eigene Misere verantwortlich zu machen, ist leider weit verbreitet, bringt aber gar nichts.

  7. sweetmarille 4 Jahren vor

    Ich finde es mehr als traurig, dass sie sich mit solch hübschen Federn schmücken und all die anderen Schulen hinten runterfallen lassen an denen die Kinder nicht mal über ein Endgerät verfügen bzw. auf einem 4 Zoll Display A4 Arbeitsblätter bearbeiten sollen oder gar mit einem Textprogramm Feedback an die Lehrer schicken sollen. Leuchtturmschulen/-projekte gibt es überall. Die Frage ist, wie es in der Fläche aussieht und da macht Sachsen gerade keine gute Figur. Nur das schreiben sie freilich nicht auf ihren Blog.

    • Dirk Reelfs - SMK 4 Jahren vor

      Hallo „Sweetmarille“,
      eben weil wir wissen, dass die digitale Ausstattung an Schulen nicht überall so aussieht, wie man es gern hätte, zeigen wir Projekte, die beispielhaft für einen Weg stehen könnten. Es ist also in keinem Fall ein Schmücken mit hübschen – noch dazu – fremden Federn, sondern nur Aufzeigen von Möglichkeiten, die evtl. zur Nachahmung anregen.
      Viele Grüße

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