„Das ist nichts, was man so nebenbei macht“. Eine Schulleiterin spricht über ihre Erfahrung mit Seiteneinsteigern.

„Das ist nichts, was man so nebenbei macht“. Eine Schulleiterin spricht über ihre Erfahrung mit Seiteneinsteigern.

Anne-Kathrin Kreis ist Schulleiterin an der Oberschule „Clara Zetkin“ in Freiberg. Es ist die Schule von Seiteneinsteigerin Sylvie Schuster, die wir bereits im Blog vorgestellt haben. Die Schulleiterin ist dankbar für die neuen Kollegen, ohne die gerade im ländlichen Raum oft kein flächendeckender Unterricht mehr möglich wäre. Die neue Situation ist aber für sie und ihr Kollegium auch eine ziemliche Herausforderung. Eszter Bodnár hat mit ihr darüber gesprochen.

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Anne-Kathrin Kreis, Schulleiterin an der Clara Zetkin Oberschule Freiberg, Foto Christoph Reichelt.

Wie viele Seiteneinsteiger haben Sie?

Wir haben fünf Seiteneinsteiger bei uns, fünf sehr nette Kollegen, die gerne in die Schule wollen. Und wir versuchen jetzt, dass das klappt.

Über welchen Weg kamen sie an Ihre Schule?

Sie haben sich bei der Bildungsagentur beworben und wir brauchten dringend Lehrer bei uns, da sich für Schulen außerhalb der beiden Großstädte Dresden undLeipzig viel zu wenige ausgebildete
Lehramtsabsolventen bewerben. Wir haben 2015 zunächst Frau Schuster und eine weitere Seiteneinsteigerin bekommen, im folgenden Jahr kamen noch mal drei. Nicht nur die Seiteneinsteiger
wurden ins kalte Wasser geworfen – auch die Schulen selbst.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Das war schon keine einfache Aufgabe. Sie in den Schulalltag einzugliedern und in die Stundenpläne, das ist nichts, was man so nebenbei macht. Dafür mussten wir viel Kraft und Zeit investieren.
Die Seiteneinsteiger haben immer wieder bei uns hospitiert, wir bei ihnen. Wir haben Gespräche angeboten. Sie müssen viel fragen und wir haben Mentoren, die helfen.

Was ist die genaue Aufgabe der Mentoren?

Die Mentoren sind Kollegen, die gemeinsam mit den Seiteneinsteigern die Unterrichtsvorbereitung absprechen, die sich auch mal in den Unterricht setzen und Feedback geben. Sie sind Kollegen unserer Schule, die gesagt haben, sie machen das jetzt noch nebenbei, neben ihrem eigenen Unterricht. Für Frau Schuster, die jetzt Klassenleiterin ist, haben wir außerdem noch eine weitere Kollegin, die hilft ihr speziell bei dieser verantwortungsvollen Arbeit.

Kritiker fürchten, Seiteneinsteiger könnten die Anforderungen des Berufs unterschätzen. Was, glauben Sie, ist die größte Herausforderung für die neuen Kollegen?

Sicherlich, alles unter einen Hut zu bekommen. Frau Schuster macht jetzt einmal pro Woche ihre Fortbildung in Chemnitz. Sie hat eine eigene Klasse. Sie muss ihre Vorbereitung machen. Sie hat eine Familie. Das alles zu meistern, ist schon eine große Herausforderung. Und dann muss sie auf die Probleme der Kinder eingehen, wird täglich mit neuen Aufgaben konfrontiert. Es ist immer was Neues in der Schule. Kein Tag ist wie der andere. Bis das alles funktioniert, dauert es schon ein Stück.

Was wünschen Sie sich für Ihre neuen Kollegen?

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Foto: Christoph Reichelt

Dass sie hier an der Schule auch Erfolgserlebnisse haben. Aber dazu braucht man Zeit, viele Stunden. Und Kollegen, die sich der Sache annehmen. Das würde ich mir wünschen. Dann wird das alles gelingen.

Das Thema Seiteneinstieg wird uns noch länger begleiten – sowohl das Interesse als auch der Bedarf bleiben anhaltend hoch. Haben Sie einen Rat für diejenigen, die damit liebäugeln?

Wenn jemand nur als Lehrer arbeiten möchte, um einen Job zu haben, geht das nicht gut – die Schule ist kein Zufluchtsort. Lehrer muss man von Herzen sein. Man muss ein Gefühl für die Kinder haben. Ich muss gerne mit ihnen arbeiten und kann nicht sagen, die Probleme, die die Kinder haben, das sind nicht meine Probleme. Das Methodische, also die ganzen Regeln, damit die Kinder mit dem Kopf dabei sind, kann man sich aneignen. Aber das Gefühl für die Kinder, das muss man mitbringen. Wenn jemand nur als Lehrer arbeiten möchte, um einen Job zu haben, geht das nicht gut – die Schule ist kein Zufluchtsort. Lehrer muss man von Herzen sein.

Mehr zum Thema Seiteneinstieg in den Lehrerberuf gibt es in der Sonderbeilage der KLASSE „Wir sind die Neuen“.

Manja Kelch, Pressereferentin und Redakteurin für Social Media in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

2 Kommentare

  1. Vater 7 Jahren vor

    Kürzlich konnten wir hier die Meinung einer Seiteneinsteigerin lesen, jetzt lesen wir die Sicht der Schulleiterin. Interessantester Satz des ganzen Aufsatzes: „Die Schulleiterin ist dankbar für die neuen Kollegen, ohne die gerade im ländlichen Raum oft kein flächendeckender Unterricht mehr möglich wäre.“ Ein Offenbahrungseid. Wo sind wir nur hingekommen? Der Lehrermangel wurde doch strategisch in Kauf genommen, zumindest jedoch war er seit mindestens 15 Jahren absehbar. Aber zurück zum Artikel: Fragt demnächst mal die Schüler, wie es ist, von einem didaktischen Laien (Amateur im positiven Sinne) unterrichtet zu werden. Ein Schüler braucht z.B.. keinen Dr. der Mathematik, sondern einen Lehrer, der ihm die komplexe Materie erklären kann, zielführende Übungen für ihn ausarbeitet und notfalls auch mal einen Spruch beibringt. Ich erinnere mich an mein Technikstudium, wo hochdotierte Professoren vor Mathestudenten verzweifelt sind, weil sie es einfach nicht rüberbringen konnten. Das droht jetzt unseren Schülern. Wer in didaktisch ungebildeten Seiteneinsteigern eine wirkliche Bereicherung sieht, versucht vom Problem der Planlosigkeit abzulenken. Weiters: Seiteneinsteiger sollen Noten vergeben, die ggf. über den weiteren beruflichen Werdegang eines Schülers (bspw. Zugang zum Hochschulstudium insb. in NC-Fächern) entscheiden?