Lehrerstreik: wichtige Fragen und Antworten

Lehrerstreik: wichtige Fragen und Antworten

Die GEW hat zum Warnstreik aufgerufen.

  • Darf die das überhaupt?
  • Was hat der Streik mit dem Maßnahmenpaket zur Lehrerversorgung zu tun?
  • Wer kümmert sich um die Schüler?

Alle wichtigen Fragen und Antworten lesen Sie im SMK-Blog.

Warum wird gestreikt?

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) möchte Tarifverhandlungen zur Eingruppierung der Lehrkräfte in Sachsen und zur Verbesserung der Eingruppierung der Grundschullehrer durchsetzen.

Deshalb hat die GEW ihre Mitglieder an allen öffentlichen Grundschulen der Städte Chemnitz, Leipzig und Dresden (einschl. Radebeul, Radeburg und Moritzburg) zum Warnstreik aufgerufen. Gestreikt werden soll am Mittwoch, 30. November, in der 1. bis 3. Unterrichtsstunde.

Kann Sachsen den Forderungen der GEW nachkommen?

Theoretisch ja, praktisch nein. Der Freistaat Sachsen ist als Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) an die Satzung und die Beschlüsse der Mitgliederversammlung der TdL gebunden. Aus diesem Grund lehnt Sachsen die Aufnahme eigenständiger Tarifverhandlungen auf Landesebene zur Eingruppierung der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen ab.

Weder enthält der Tarifvertrag der Länder (TV-L) eine entsprechende Öffnungsklausel, noch stimmt die Mitgliederversammlung der TdL einer entsprechenden Aufnahme von landesbezirklichen Tarifverhandlungen zu. Insofern wäre nur die TdL zu entsprechenden Tarifverhandlungen ermächtigt.

Würde Sachsen den gewerkschaftlichen Forderungen nach einem landesbezirklichen Tarifvertrag nachkommen, müsste der Freistaat die TdL verlassen oder würde ausgeschlossen.

Wann laufen Verhandlungen auf der Ebene der TdL?

Ab Januar 2017 werden die Finanzminister der Länder wieder mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes über die Entwicklung des Tarifrechts und der Gehälter im öffentlichen Dienst verhandeln.

Was ist die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL)?

Als Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sind die Bundesländer zu einer Arbeitgebervereinigung zusammengeschlossen. Die TdL vertritt die Länder bei Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, zu denen unter anderem auch die GEW gehört. Das Land Sachsen wird in der TdL vom amtierenden Finanzminister vertreten.

Darf die GEW zum Warnstreik aufrufen?

Ja. Die GEW hatte dem 2015 zwischen der TdL und dem dbb beamtenbund und tarifunion abgeschlossenen Tarifvertrag über die Eingruppierung und die Entgeltordnung für die Lehrkräfte der Länder nicht zugestimmt. Insofern gilt für die GEW nicht die tarifvertraglich vereinbarte Friedenspflicht. Der Freistaat Sachsen wendet diesen Tarifvertrag auf alle seine Lehrkräfte an öffentlichen Schulen an.

Dürfen Lehrer überhaupt streiken?

Angestellte Lehrer dürfen von ihrem Streikrecht Gebrauch machen. Das Recht dazu gründet sich auf Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes. In diesem Paragrafen ist die Koalitionsfreiheit geregelt, die auch die Streikfreiheit umfasst. Für die Beamten hingegen gilt das Beamtenrecht – und das verbietet es Staatsbediensteten, nach den in Artikel 33 Abs. 5 des Grundgesetzes verankerten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, in den Streik zu treten.

Wie werden angestellte Grundschullehrer in anderen Bundesländern bezahlt?

Angestellte grundständig ausgebildeten Grundschullehrer werden in allen Bundesländern in die Entgeltgruppe 11 eingruppiert.

Was hat der Lehrerstreik mit dem unlängst beschlossenen Maßnahmenpaket der Staatsregierung zu tun?

Im Grunde wenig. Zu Beginn der Gespräche über das Maßnahmenpaket zur Lehrerversorgung hatte die Staatsregierung den Lehrergewerkschaften deutlich gemacht, dass keine Tarifverhandlungen geführt werden. Tarifverhandlungen könnten nur auf der Ebene der TdL geführt werden. Die Gespräche zum Maßnahmenpaket wurden nicht mit dem Ziel geführt, allen Lehrern eine höhere Eingruppierung zu ermöglichen, sondern mehr Lehrer für eine Einstellung in Sachsen zu gewinnen und im Schuldienst zu halten. Deshalb sieht das Paket unter anderem für Grundschullehrer eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit, Überstundenvergütung und bessere Altersregelungen vor.

Wenn Lehrer streiken, wer kümmert sich um die Schüler?

Schulen haben auch im Streikfall eine Aufsichts- und Betreuungspflicht gegenüber den Schülern. Kein Schüler darf vor verschlossenen Türen stehen. Der Unterricht fällt an den bestreikten Schulen nicht automatisch aus. Je nach Streikbeteiligung der Lehrer werden Betreuungspläne aufgestellt bzw. findet eine Beschulung statt. Sind sich Eltern unsicher, ob sie ihr Kind Zuhause lassen können, sollten sie sich telefonisch bei der Schule erkundigen. Schulleiter haben im Ausnahmefall auch die Möglichkeit – in Abstimmung mit der Gewerkschaft bzw. der örtlichen Streikleitung – so genannte Notdienstarbeiten anzuweisen.

Wie beurteilt Kultusministerin Brunhild Kurth den Streik?

Kultusministerin Brunhild Kurth:

„Grundschullehrerinnen und -lehrer leisten eine außerordentlich verantwortungsvolle Arbeit. Sie legen den Grundstein für den weiteren Bildungsweg der Kinder. Diese Arbeit muss angemessen bezahlt werden.

Ich habe aber kein Verständnis für die Streikaktion der GEW. Sie sind das falsche Mittel zum falschen Zeitpunkt. Denn die Forderungen der GEW können nur auf der Ebene der Tarifgemeinschaft der Länder gelöst werden. Ab Januar sitzen die Gewerkschaften mit Staatsminister Unland und den Finanzministern wieder am Verhandlungstisch. Da gehören die Forderungen hin. Niemand kann ernsthaft erwarten, dass Sachsen aus der Tarifgemeinschaft ausschert. Die GEW sollte ihre Schlachten auf Bundesebene führen, und nicht auf dem Rücken sächsischer Grundschüler.“

*12. Februar 2019: Aktuelle Informationen gibt es hier.

Dirk Reelfs, Pressesprecher im Sächsischen Staatsministerium für Kultus

6 Kommentare

  1. Gabriel Garin 7 Jahren vor

    Sehr geehrter Herr Reelfs,
    vielen Dank für Ihre positive Antwort. Es freut mich sehr zu hören, dass Sachsen die Forderung der Grundschullehrkräfte nach einer angemessenen Eingruppierung – als GEW verstehen wir darunter die E13 – unterstützt.

    Um jedoch keine Missverständnisse entstehen zu lassen: Die Mehrheit der Lehrkräfte in der GEW fordert keine Verbeamtung. Denn auch beim Beamtenstatus gibt es Ungerechtigkeiten, z.B. in Bezug auf das Alter und die unterschiedlichen Abschlüsse. Außerdem tritt die GEW für eine Stärkung der Sozialversicherungssysteme ein und nicht für deren Schwächung.

    Gestreikt wurde heute daher für einen sächsischen Eingruppierungstarifvertrag für Lehrkräfte. Denn nur auf diese Weise können einerseits die Einkommensunterschiede zu den verbeamteten Lehrkräften in den anderen Bundesländern ausgeglichen werden, um junge Lehrerinnen und Lehrer zu gewinnen. Andererseits können aber auch die ostdeutschen Besonderheiten in Bezug auf die Ausbildung der älteren Lehrkräfte angemessen berücksichtigt werden.

    Mit freundlichen Grüßen
    Gabriel Garin (Bildungsgewerkschaft GEW)

    • Autor
      Dirk Reelfs - SMK 7 Jahren vor

      Sehr geehrter Herr Garin,
      nie würde ich der GEW unterstellen, für die Verbeamtung von Lehrern einzutreten. Wie gesagt, sowohl am Verhandlungstisch mit den Gewerkschaften als auch auf Regierungsseite war und ist Frau Staatsministerin Kurth, die einzige, die sich für eine Verbeamtung ausgesprochen hat und ausspricht.

      Mit freundlichen Grüßen
      Dirk Reelfs

  2. Claudia Graefe 7 Jahren vor

    Leider wird die oben genannte Aufsichts- und Betreuungspflicht nicht durch die Grundschule unseres Sohnes
    (84. GS Dresden-Hellerau) erfüllt. Durch einen Dreizeiler, welcher den Kindern ausgehändigt wurde, wurde gestern durch das Lehrerteam informiert, dass die Schule erst 10.40 Uhr Einlass gewährt und eine vorherige Notbetreuung nicht angeboten wird. Durch die Schule wurde sich nicht einmal rückversichert, ob diese Information auch die Eltern tatsächlich erreicht.

    • Autor
      Dirk Reelfs - SMK 7 Jahren vor

      Sehr geehrte Frau Graefe,

      vielen Dank für Ihre Nachricht. Das Agieren der Schule ist in der Tat bedauerlich. Über die Gründe will ich besser nicht spekulieren. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie den Sachverhalt mit der Schulleitung besprechen, damit es zukünftig besser läuft. Natürlich steht Ihnen auch die Regionalstelle Dresden, der Sächsischen Bildungsagentur zu Verfügung, sollte das Gespräch mit der Schulleitung nicht fruchten.

      Viele Grüße
      Dirk Reelfs

  3. Gabriel Garin 7 Jahren vor

    Sehr geehrter Herr Reelfs,
    vielen Dank für die Versachlichung der Diskussion durch Ihre FAQs zum Streik. Eine Frage und die dazugehörige Antwort, die gerade für die jungen Kolleg*innen interessant ist, möchte ich jedoch ergänzen:

    In Sachsen sollen neu eingestellte Lehrer*innen in Mangelregionen bis zu zwei Gehaltsstufen (ca. 570 Euro brutto an der Grundschule) höher bezahlt werden. Stimmt es, dass damit in der Grundschule der Einkommensunterschied zu den anderen Bundesländern ausgeglichen werden kann?

    Aktuell liegt das Einstiegsgehalt einer ausgebildeten Grundschullehrkraft nur in Sachsen und Thüringen nach einem halben Jahr bei 2.000 Euro netto in der Entgeltgruppe 11, Stufe 2. In zehn anderen Bundesländern liegen die Einstiegsbezüge bei mindestens 2.500 Euro netto. So zum Beispiel in Brandenburg bei 2.580 Euro netto oder beim Spitzenreiter Hamburg bei 2680 Euro netto. Da außer in Berlin (2.450 Euro netto) in allen anderen Bundesländern Absolvent*innen mit der A 12 verbeamtet werden, müssen Kinderzuschläge (ca. 120 Euro pro Kind) noch hinzugerechnet und Beiträge für die private Krankenversicherung (ca. 250 Euro) abgezogen werden.

    Auch wenn in den meisten Fällen mit dieser Zulage der Einkommensunterschied für Absolvent*innen zunächst knapp ausgeglichen werden kann, bleiben auf lange Sicht massive Einkommenseinbußen. Denn die Zulage ist befristet auf den Zeitraum bis zum Erreichen der entsprechenden Stufe. Insofern ist nach 2,5 Jahren der volle Einkommensunterschied gegenüber den anderen Bundesländern wieder da. Hinzu kommen die zu erwartenden Renteneinbußen gegenüber den verbeamteten Kolleg*innen.

    Herr Reelfs, natürlich stimmt es, dass in den anderen Bundesländern die „angestellten“ Lehrkräfte auch nur die E11 bekommen. Absolvent*innen werden dort in der Regel aber nicht angestellt, sondern in der A12 verbeamtet. Und damit muss sich Sachsen auch vergleichen.

    Maßnahmen zur Gewinnung von qualifizierten, jungen Lehrkäften sehen insofern anders aus. Berlin hat es vorgemacht und beschlossen, den Grundschullehrerinnen und -Lehrern so wie allen anderen Lehrkräften die E13 zu zahlen. Für einen Landestarifvertrag zur Eingruppierung muss Sachsen die TdL im Übrigen auch nicht zwangsläufig verlassen. Sachsen könnte einen Antrag stellen, um sich Verhandlungen von der TdL genehmigen zu lassen. Die Argumente wären angesicht des Lehrermangels sicher auf seiner Seite.

    Mit freundlichen Grüßen
    Ihr Gabriel Garin von der GEW

    • Autor
      Dirk Reelfs - SMK 7 Jahren vor

      Sehr geehrter Herr Garin,
      vielen Dank für Ihre freundliche Nachricht. Gern will ich darauf antworten. Zunächst zu Ihrer Frage. Mit der höheren Einstufung von Lehrern in Mangelregionen werden wir attraktiver gegenüber anderen Bundesländern, die diese bessere Einstufung von angestellten und neu eingestellten Lehrern nicht ermöglichen. Gleichwohl wiegt es die Einkommensunterschiede gegenüber verbeamteten Lehrern nicht vollständig auf. Das gilt im Grunde natürlich auch für die übrigen Einkommensverbesserungen, die mit dem Maßnahmenpaket der Staatsregierung verbunden sind. Sachsen wird attraktiver, eindeutig ja! Aber ob wir damit auf dem hart umkämpften Lehrerarbeitsmarkt so konkurrenzfähig werden, damit wir unsere Einstellungsbedarfe befriedigen können, wird die Zeit zeigen. Mit einer Verbeamtung sächsischer Lehrer wäre diese Frage eindeutiger beantwortet. Aber wie Sie wissen, war Kultusministerin Kurth, die einzige, die sich das gewünscht hatte.
      Noch ein Wort zu Berlin. Ja, es ist richtig, dass Berlin die E 13 für Grundschullehrer anstrebt, aber umgesetzt ist noch nichts, sondern nur angekündigt. Denn auch Berlin kann dies nur im Rahmen der TdL durchsetzen. Ob dies gelingt, ist fraglich. Dessen ungeachtet, hätten wir natürlich überhaupt nichts dagegen, wenn die im Januar beginnenden Verhandlungen auf der Ebene der TdL eine höhere Eingruppierung für Grundschullehrer zum Ergebnis hätten. Im Gegenteil.

      Mit freundlichen Grüßen
      Ihr Dirk Reelfs