Studie mit Tücken zur politischen Bildung in Sachsen

Studie mit Tücken zur politischen Bildung in Sachsen

Politische Bildung in Sachsen. Eines der Themen, das derzeit heiß diskutiert wird. Angeblich erhalten sächsische Schüler deutlich weniger Unterrichtsstunden in politischer Bildung  als in anderen Bundesländern. Das zumindest behauptet unter anderem auch die Studie „Erfolgreich.Politisch.Bilden“ der Konrad-Adenauer-Stiftung. Doch ist das wirklich so? Wir sind dieser Behauptung auf den Grund gegangen.

So viele Stunden politischer Bildung gibt es tatsächlich

Politische Bildung wird in Sachsen vorrangig in den Fächern Gemeinschaftskunde bzw. Gemeinschaftskunde/ Recht/ Wirtschaft, Geschichte und Geographie behandelt. An der Oberschule sieht die Stundentafel für die Schüler von Klasse 5 bis 10 so aus:

Stundentafel Oberschule

2 Wahlmöglichkeit zwischen Geschichte und Geographie (soll ab kommendem Schuljahr geändert werden).

 

Am Gymnasium sind diese Fächer mit folgender Stundenzahl von Klasse 5 bis 10 vertreten:

 

Stundentafel Gymnasium neu

Politische Bildung im Lehrplan

Das Lehrplanmodell für alle Schularten (seit 2004), verankert anwendungsfähiges Wissen, die Ausbildung sozialer Kompetenzen und eine Werteorientierung, die dem Pluralismus einer demokratischen Gesellschaft gerecht werden soll. Es finden sich in allen Lehrplänen konkrete Zielformulierungen, die diesem Anspruch an politische Bildung entsprechen.

Der Unterricht wird dabei bestimmt durch den so genannten Beutelsbacher Konsens, der

  • das Überwältigungsverbot umfasst,
  •  formuliert, dass das, was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, auch im Unterricht kontrovers erscheinen muss und
  • zum Ausdruck bringt, dass der Schüler in die Lage versetzt werden soll, seine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen.

Darüber hinaus ist die interkulturelle Bildung und Erziehung als eine wesentliche schulische Aufgabe im Grundsatzpapier „Eckwerte Interkulturalität“ und als überfachliches Ziel in den Lehrplänen verankert. Dazu kommt, dass die Lehrpläne  so konzipiert sind, dass genügend Freiräume vorhanden sind, politische Bildung in allen Fächern zu vermitteln. Nicht zuletzt ist die gelebte Demokratie an den Schulen enorm wichtig, nur so können die Schüler Demokratie verinnerlichen und verstehen wie Demokratie funktioniert.

Ein Vergleich von Äpfel und Birnen

Beim ersten Blick auf die Grafiken der Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung stockt der Atem. Sachsen scheint weit abgeschlagen. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar, dass die Datengrundlage  (Vergleich Studie ab Seite 169) problematisch ist.  Die Studie vergleicht offenbar „Äpfel mit Birnen“: Für Sachsen werden lediglich die Wochenstunden für das Fach Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft bzw. Gemeinschaftskunde  aufsummiert.  Unberücksichtigt bleiben die separaten Fächer Geschichte und Geographie. Dagegen bilden bei Ländern wie Nordrhein-Westfalen mit dem Fach „Gesellschaftslehre“ oder Bremen mit dem Fach „Weltkunde“ die Wochenstunden-Anzahl dieser integrierten gesellschaftswissenschaftlicher Fächer (Politik/ Geschichte Geographie) insgesamt die Datengrundlage. Das bedeutet, die Fächer Geschichte und Geographie, in denen ebenfalls politische Bildung verankert ist, werden für Sachsen nicht mitgezählt. Die Studie gibt also nicht die tatsächliche Gewichtung der politischen Bildung bzw. des gesellschaftswissenschaftlichen Anteils in Sachsen wieder. Der Anteil gesellschaftswissenschaftlicher Fächer ist in Sachsen  jedoch genauso hoch wie in anderen Bundesländern. Richtig ist, dass Sachsen besonderen Wert auf naturwissenschaftliche Fächer legt. Deshalb haben wir insgesamt aber auch eine umfangreichere Stundentafel als andere Länder.

Manja Kelch, Pressereferentin und Redakteurin für Social Media in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

9 Kommentare

  1. Sybille Höhne 8 Jahren vor

    Gerade eben haben unsere Oberschüler der 9.Klasse zwischen Geschichte und Geografie gewählt.
    Wenn das „ab kommendem Schuljahr geändert“ werden soll, informieren Sie bitte schnellstens die Schulleitungen.

    • Autor
      Manja Kelch - SMK 8 Jahren vor

      Es steht noch nicht fest, ab wann genau. Voraussichtlich ab nächstem Schuljahr. Einen schönen Abend und viele Grüße

  2. Christian Storch 8 Jahren vor

    Wo ist mein erster Kommentar hin?

    Freundliche Grüße
    Christian Storch

  3. Felix Englisch 8 Jahren vor

    Die Theorie klingt überaus lobenswert. Aber eine Frage: Inwiefern gibt es politsche Bildung in Geschichte und Geographie? Steht dazu etwas im Lehrplan?
    Die direkten Themen politischer Bildung, die Arbeit der drei Gewalten, die Parteien, die Verfassung und Wahlen, werden ausschließlich in Gesellschaftskunde angeschnitten, und selbst dort kommt dies reichlich kurz.
    Aus persönlicher Erfahrung können wir die Studie nur bestätigen. Selbst am Gymnasium weiß kaum ein Schüler, wie Rathaus, Landtag oder Bundestag funktionieren. Über die Parteien besteht ein von den Medien bestimmtes Halbwissen. Die Schule muss dort Verantwortung zeigen und diese Aufgabe ernst nehmen. Was passiert, wenn dies nicht der Fall ist, sieht man durch das Erstarken des Rechtspopulismus. Wir sehen imam Bildungssystem eine Teilschuld, da man solches Gedankengut frühzeitig durch Bildung verhindern muss.
    Wir sind sehr gespannt, wie der Beschluss über mehr politische Bildung an sächsischen Schulen umgesetzt wird.
    Über eine kurze Antwort würde ich mich freuen.

    • Autor
      Manja Kelch - SMK 8 Jahren vor

      Ja, in Geschichte natürlich und auch in Geographie ist an der Oberschule und am Gymnasium die historische und politische Entwicklung, interkulturelle Bildung und dabei die Einbeziehung aktueller Ereignisse expliziter Bestandteil des Lehrplans (z.B. vor dem Hintergrund geographischer Zusammenhänge) Hier der Link zum Lehrplan Geographie am Gymnasium http://www.schule.sachsen.de/lpdb/web/downloads/lp_gy_geographie_2011.pdf?v2 und an der Oberschule http://www.schule.sachsen.de/lpdb/web/downloads/lp_ms_geographie_2009.pdf?v2
      Viele Grüße
      Manja Kelch

    • Daniela B. 8 Jahren vor

      Meine Kinder (Klasse 10 und 12 im Gymnasium in Dresden) haben bisher in Geographie nur (mehrfach!) Landkarten in allen verschiedenen Variationen auswendig lernen müssen, insbesondere mit Schwerpunkt auf den osteuropäischen Ländern.

      Weil das so langweilig war, hat mein älteres Kind alles dafür unternommen, Geo in der Oberstufe (im Tausch gegen Philosophie) abwählen zu können.

      Von politischer Bildung konnte ich in den vergangenen Jahren, was nunmehr etliche sind, nichts vernehmen – eher im Gegenteil.

      Noch nicht mal die wenigen demokratischen Strukturen, die es an sächsischen Schulen gibt, werden gefördert und gelebt. Auch hier Fehlanzeige.

      Das kenne ich aus anderen Bundesländern schon anders und schätze den Unterschied als sehr groß ein.

      Ich kann der Studie nur zustimmen bzw. bin dankbar für dieses Auswertung, die meine Erfahrungen bestätigt.

  4. Christian Storch 8 Jahren vor

    Liebe Frau Kelch,

    wieso gestehen Sie nicht einfach ein, dass in Sachsen Schülerinnen und Schüler keine sonderlich gute politische Bildung zuteil wird? Und zwar nicht, weil die Lehrkräfte schlecht ausgebildet wären, sondern weil das Fach Gemeinschaftskunde in allen Schulen wenig unterrichtet wird.

    Nur zu Ihrer Information, vergleichen kann man zunächst alles und ich finde die KAS hat hier einen sehr guten Job gemacht um Vergleichbarkeit herzustellen. Oder wollen Sie etwas behaupten, dass im hochpolitischen Fach Geographie im Freistaat Sachsen mehr als 50 Prozent der Unterrichtszeit politische Bildung einnimmt? Wenn ja, worauf gründen Sie dann diese Behauptung? Werden Geographielehrer und Lehrerinnen in Sachsen etwas auch bei ihrer Einstellung nach ihren Kompetenzen im Bereich der politischen Bildung bewertet?

    Wie wäre es, wenn Sie einen Beitrag schreiben in dem Sie einfach mal zugeben, dass Sachsen im Bereich der politischen Bildung ein Problem hat und skizzieren, wie Ihr Ministerium nun konkret zur Lösung dieses Problems beitragen möchte und wird.

    Dieses beschönigende versuch des Rausreden hier hilft nicht weiter!

    Freundliche Grüße
    Christian Storch

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