Dialogforum in Leipzig: Unfaire Ausstattung von Schulen

Dialogforum in Leipzig: Unfaire Ausstattung von Schulen

Das Leipziger Reclam-Gymnasium füllte sich recht früh und rasch: Erstaunlich viele Eltern und Elternvertreter, etliche Schüler, recht wenige Studenten – so der erste Eindruck vom Andrang zur achten Bürgerwerkstatt zur sächsischen Schulgesetznovelle, die – so der Plan von Initiatorin Brunhild Kurth – bereits am dem Schuljahr 2017/18 wirken soll. Ein sportliches Programm, was Sachsens Kultusministerin von ihren Mitarbeitern fordert – ebenso wie der Bürgerdialog selbst.

Ihn erklärt sie zu Beginn in der ob des echten Winterwetters recht kühlen Mensa: Keine alten Erklärformate mehr, mit Frontalberieselung in Stuhlreihen, nach der man mehr über- statt miteinander rede, sondern eine organisierte Form, in der alle Kritik Platz hat und systematisch erfasst wird. „Wir nörgeln nicht, sondern beschreiten einen neuen Weg, der Freude macht“, betont Kurth zu Beginn. Dafür warteten, dem zu erwartenden Andrang gerecht werdend, so wie in Dresden sechs statt der geplanten vier Thementische auf die Diskutanten. Bildergalerie

Wie zu erwarten, ging es bei beiden Runden zum Thema Inklusion – wie in Dresden mit zusammen 59 Interessenten – richtig rund. Am ersten Tisch kamen zum ersten Mal die Belange von Sprach- oder Hörgeschädigten zum Ausdruck, wofür eigens zwei Gebärdendolmetscherinnen zum unermüdlichen Einsatz kamen. Ihre Anliegen ähneln den üblichen: Einerseits Integration nicht nur durch Inklusion ersetzen, sondern den Unterschied wahren – und auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ausweiten. Andererseits sollten die erkannten Anforderungen sofort mit Ressourcen untersetzt werden.

Expertengrillen und Showvorwurf

Am zweiten Tisch gestand Moderator Marten Hayen, dass sein Fachexperte am Tisch, Richard Neun, Referatsleiter Grund- und Förderschulen, „echt gegrillt“ wurde. Das lag zum einen an dramatischen Einzelschicksalen, die von den Eltern vorgetragen wurden: So schildert ein Vater den Leidensweg seiner Tochter, die neben ihm im Rollstuhl saß, für die jeder weitere Diagnostiktag ein Rückschlag sei. Oder eine Mutter, deren nicht sprechender autistischer Sohn seit einem Jahr nicht mehr an der Schule teilnehmen kann. Hierfür gab es im Anschluss die Chance zur detaillierten Problemschilderung.

Andererseits bestand Kritik am Gesetz überhaupt: Eine Schülerin beklagte sich über die unterschiedliche Ausstattung von Leipziger Schulen. Das sei unfair. Hier müsse das Gesetz den Schulträgern klare Vorgaben machen. Die versammelte Schülerschaft stellte das ganze Dialogforum infrage, wenn danach keine Änderungen am Gesetz erfolgten, die Richard Neun hier natürlich noch nicht fix zusagen konnte. Hier antwortete der Leipziger CDU-Landtagsabgeordnete Holger Gasse, der fleißig mitschrieb: Er säße eigens als Ausschussmitglied hier, um die Anregungen in die Fraktion einzubringen.

Matthias Böhme, Referatsleiter für Grundsätze, Qualitätsentwicklung und Migration, musste sich bei der Diskussion nach der künftigen Eigenverantwortung sofort die nach deren Grenzen stellen – zum Beispiel bei der Frage nach dem besten Schulbuchverlag. Er musste die Lehrerin insoweit enttäuschen, als dass dies auch nur im Einklang mit dem Schulträger geschehen könne. Moderator Dr. Michael Kossakowski fasste die Diskussion zusammen: Mehr Klarheit über Fragen nach Schulformen, Profil oder der Kompetenz der Schulkonferenz seien dringend gewünscht.

Feedback-Kultur und Leistungsanreize

Erwartungsgemäß entpuppte sich Leipzig als heißes Pflaster, wobei sich en passant einige Kritik entlud, die man gerechterweise den kommunalen Schulträgern zuschreiben müsste. Aber auch sonst hatten die Ministeriumsmitarbeiter, diesmal von insgesamt vier laufenden Kameras (davon zwei große) beobachtet, einen flinken Tag am Stift zu bewältigen – 133 Leute nahmen die Chance war, sich am ersten Bürgerdialog dieser Art live zu beteiligen – natürlich jene nicht mitgezählt, die sich nur im Foyer unterhielten oder am Büfett labten.

Eine neuen Hinweis gaben Leipziger Schülervertreter: Die forderten unter dem Punkt Eigenverantwortung auch das Recht auf Lehrerbewertung. Und sprachen sogar von Leistungsanreizen via Entlohnung – analog der eigenen Zensuren. Das Reclam-Gymnasium zum Beispiel pflege seit kurzem eine Art Feedback-Kultur, die Lehrerschaft in die Pflicht nimmt. Dauerrenner sind wie allerorten die Themen Lehrerstellen und deren Besetzung, wobei einige Leipziger ihren Standortvorteil als begehrte Stadt soweit verinnerlicht haben, als das sie den Standortvorteil gern für Bevorzugung bei der Auswahl nutzen würden, was das Kultusministerium natürlich aufgrund weiterer Benachteiligung des ländlichen Raumes nicht mittragen kann.

Heute (1. März, 18 Uhr, Chemnitz, BSZ Wirtschaft 1) folgt die letzte Etappe der neuntägigen Sachsentour. Auch hier wird es, den Anmeldezahlen entsprechend, einen zusätzlichen Tisch zum Thema „Inklusion“ geben. Danach wäre noch bis 7. März Zeit für weitere Einwendungen und Anregungen.

Links zur Onlinebeteiligung sowie zum Gesetzentwurf und zur Synopse .

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