Bürgerforum in Pirna mit Aufruf an Dresden – Sachsens Schulgesetznovelle stößt auf lebhaftes Interesse im Schiller-Gymnasium

Bürgerforum in Pirna mit Aufruf an Dresden – Sachsens Schulgesetznovelle stößt auf lebhaftes Interesse im Schiller-Gymnasium

Pirna. Was am Montag in Frankenberg begann, setzte sich auch am Dienstag in Pirna fort: Der Bürgerdialog zur ersten Fassung von Sachsens Schulgesetznovelle stößt auf lebhaftes Interesse und mündet in ernsthafte, konstruktive Diskussionen: 73 Bürger – beruflich als Kultusministerin oder deren Experten, als Schuldirektor, als Lehrer oder Moderator, aber privat meist auch als Eltern in der Pflicht wie Kür – diskutierten im Friedrich-Schiller-Gymnasium.

Foto: Nicole Herzog

Diskussion zum Bürgerforum in Pirna – Foto: Nicole Herzog

Sechs Journalisten und zwei parlamentarische Berater schauten und hörten dabei genau zu. Und natürlich auch Schuldirektor Bernd Wenzel, der anfangs Brunhild Kurth, die er aus elf gemeinsamen Arbeitsjahren am Gymnasium kennt, mit dem sorbischen Brauch von Backwaren zur Kindervogelhochzeit begrüßte: Sie brauche auch mal „etwas Süßes statt immer nur Saures“.

Ambitionierter Zeitplan

In einer kurzen Begrüßung wies Kultusministerin Brunhild Kurth, die sich mehr als Frau der Praxis denn als Politprofi sehe, noch einmal auf die Bedeutung hin: Es sei an der Zeit, das haltbarste Schulgesetz der Bundesrepublik, welches seit 2004 in Kraft sei, zu überarbeiten. Aber gleichzeitig ist dies das größte sächsische Gesetzesvorhaben dieser Legislaturperiode überhaupt.

Kurth, die von 2007 bis zu ihrer Berufung als Staatsministerin selbst fünf Jahre lang als Direktorin der Sächsischen Bildungsagentur die Ressourcenprobleme leibhaftig erfuhr, machte auch klar: Der Kernpunkt sei die Inklusion – da hätte Sachsen einerseits keine Wahl und in der rechtlichen Hausaufgaben zu machen. Der gesetzliche Zeitrahmen zur Anhörung der ersten Fassung gehe noch bis zum 7. März, ihr sportliches Ziel des Inkrafttretens sei der 1. August 2017.

Berufsschulnetz sachsenweit planen?

Anders als tags zuvor in Frankenberg blieben die vier Diskussionsrunden im Saal, was akustisch manchmal problematisch war. Die Verteilung auf die Problemfelder blieb hingegen fast identisch, nur der Punkt „Schulen im ländlichen Raum“ war in Pirna begehrter. Und hier hatte auch Thomas Rechentin, im Kultusministerium Abteilungsleiter für Lehrer und Ressourcen, viel zu erklären. Denn seitens der Handwerkschaft kam der Einwurf, dass man die Planung der Berufsschulangebote keinesfalls den rein politisch denkenden Planungsverbänden überlassen dürfe: Denn die Stadt Dresden habe sich in den letzten Jahren gegenüber den umliegenden Städten, die alle selbst tolle Berufsschulzentren hätten, immer wieder recht unsolidarisch gezeigt. Das solle doch besser das Ministerium planen. Rechentin verwies auf den Fall Seifhennersdorf, wo der Freistaat vorm Bundesverfassungsgericht in Sachen Schulnetzplan verlor, verwies aber darauf, dass sich im Planungsverband künftig Dresden mit drei anderen arrangieren müsse – das sei ein Vorteil gegenüber jetzt.

Inklusionsskepsis und Sehnsucht nach Bildungskanon

Am meisten bewegt aber wieder der Punkt Inklusion: Hier stellte der Moderator „90 bis 95 Prozent“ Skepsis bei den fast zwanzig Diskutanten fest, ob denn die künftige Wahloption funktioniere könne. Ein Förderschullehrer erklärte, dass über vier Fünftel seiner Eltern sehr zufrieden mit dem jetzigen System seien – und er befürchtet eine rasche Erosion der Förderschulen, vor allem bei Abzug der Fachkräfte. Außerdem, so Konsens in der Runde, müsse die Ausbildung von Inklusionsassistenten schnell forciert und vor allem in staatliche Hände gelegt werden. Auch eine Schülerin beteiligte sich am Dialog und forderte in der Runde „Ausstattung von Schulen“ generell eine bundesweite Diskussion des Zieles von Schulbildung: Ihr fehlt eine Art fixer Bildungskanon im föderalen Geflecht.

Die nächsten Termine des erstmalig praktizierten Bürgerforums mit insgesamt neun derartigen Veranstaltungen sind am 27. Januar in Meißen (18 Uhr, Franziskaneum), am 1. Februar in Bautzen (18 Uhr, Schiller-Gymnasium) und am 22. Februar in Zwickau (18 Uhr, Käthe-Kollwitz-Gymnasium) sowie am 1. März in Chemnitz (18 Uhr, BSZ Wirtschaft I). Die Veranstaltung in Leipzig am 29. Februar 2016 ist bereits ausgebucht. Um eine Anmeldung wird aus Planungsgründen gebeten. Eine weitere Beteiligungsoption bietet das Ministerium aber auch im Netz an.

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