Inklusion im neuen Schulgesetz: Wer stattet die Schulen eigentlich aus?

Inklusion im neuen Schulgesetz: Wer stattet die Schulen eigentlich aus?

Eine der größten Veränderungen durch das neue Schulgesetz ist die Abschaffung der Förderschulpflicht. In den Medien gab es bereits Kritik, dass die Schulen dafür weder personell noch sächlich ausgestattet seien. Die Frage, wie das funktionieren soll, steht im Raum. Die Antwort dazu haben wir.

Neues Schulgesetz wird für mehr Inklusion sorgen
Eins muss man voranstellen: Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist Aufgabe aller Schulen. Schon jetzt integriert eine überwiegende Zahl der Regelschulen in Sachsen Schüler mit besonderem Förderbedarf.

Was ändert sich?
Neu ist unter anderem, dass Schüler mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung und Lernen zukünftig an den Oberschulen unterrichtet werden können, und zwar nach individuellen Lehrplänen. Der Fachbegriff dafür heißt „lernzieldifferenter Unterricht“. Das war bisher nur an Grundschulen möglich.

Es ist jedoch unrealistisch, dass jede Schule Kinder mit diesen Förderschwerpunkten aufnehmen und lernzieldifferent unterrichten kann. Dafür benötigen die Schulen Ressourcen und die Lehrer die erforderlichen Kompetenzen. Das Kultusministerium wird dafür sorgen, dass sich in den nächsten Jahren ein Netz von Schulen entwickelt, die alle benötigten Voraussetzungen erfüllen. Diese Schulen sollen für die Schüler in zumutbarer Entfernung sein.

Schulen bekommen Anschubfinanzierung
Damit Schulen lernzieldifferenten Unterricht umsetzen können, plant der Freistaat eine Anschubfinanzierung von insgesamt 2,7 Millionen Euro.

Mehr Personal für die Inklusion
Zudem brauchen Schulen für die Inklusion mehr Personal. Deshalb hatte sich die Regierung bereits in den Koalitionsverhandlungen darauf geeinigt, ab 2017 über drei Jahre hinweg jährlich 100 Lehrer zusätzlich dafür einzustellen. Insgesamt 300 zusätzliche Lehrer werden es bis einschließlich 2019 sein. Um die Kompetenzen der Lehrer zu stärken, gibt es sehr viele Fortbildungsangebote zur Inklusion. Eine neue Handreichung soll ebenfalls die pädagogische Arbeit unterstützen.

Inklusionsassistenten unterstützen Lehrer
Ab dem kommenden Schuljahr arbeiten sachsenweit Inklusionsassistenten an den Schulen. Die Assistenten werden die Lehrer beim gemeinsamen Lernen von Schülern mit und ohne Behinderung unterstützen. Dafür stehen aus dem Europäischen Sozialfonds und aus Landesmitteln bis zum Ablauf des Schuljahres 2020/2021 rund 51 Millionen Euro zur Verfügung.

Die zusätzlichen Fachkräfte kommen ab dem Schuljahr 2016/17 an ausgewählten Grundschulen, Oberschulen, Gymnasien, Schulen zur Lernförderung sowie an berufsbildenden Schulen aller Schularten zum Einsatz. Inklusionsassistenten sollten erzieherische und sozialpädagogische Erfahrungen mitbringen. Voraussetzung ist mindestens eine Ausbildung auf Fachschulniveau.

Manja Kelch, Pressereferentin und Redakteurin für Social Media in der Pressestelle des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus

11 Kommentare

  1. Doreen Loos 7 Jahren vor

    Sehr geehrte Frau Kelch,
    ist es beispielsweise möglich, dass eine Kindertagespflegerson (Qualifizierung ohne Fachschulabschluss) eine z.B. Fortbildung zum Inklussionsassistenten besucht und dann als dieser tätig sein kann? Und wird bereits irgendwo diese Fortbildung angeboten bzw. ist diese von Seiten des SMK geplant?

    • Autor
      Manja Kelch - SMK 7 Jahren vor

      Sehr geehrte Frau Loos, danke für Ihr Interesse! Eine Fortbildung zum Inklusionsassistenten bietet das SMK nicht an. Voraussetzung für eine Einstellung bei einem Freien Träger für das Projekt ist der Fachschulabschluss im sozialen und/oder pädagogischen Bereich. Für genauere Infos zu den Projektträgern können Sie sich gerne per Mail an uns wenden.

      Viele Grüße

  2. Sehr geehrte Frau Meerheim,
    ich möchte mich der Frage von Frau Lehmann anschließen bzw. sie erweitern auf andere Kommunikationsmittel.
    In Sachsen leben sehr viele nicht-oder wenigsprechende, autistischen Kinder, welche auf Kommunikationsmittel wie z.B. Gebärden, aber auch Sprachaugabegeräte ( Talker, Ipad ) angewiesen sind. Aber auch sprechende, autistische Kinder benötigen die visuelle und handlungsgeführte Begleitung. Dies kann z.B. das Arbeiten am Ipad sein, aber auch die Unterstützung durch einen Laptop ( bei graphomotorischen Schwierigkeiten ). Erst durch diesen Einsatz der Hilfsmittel ist ein Lernen nach den Fähigkeiten des Kindes möglich. Sind und werden Inklusionsassistenen darauf vorbereiten, so dass auch bennante autistische Schüler mit Hilfsmittelbedarf barrierefrei am Unterricht teilnehmen können. Wie wird die Versorgung mit diesen Hilfsmitteln an den Schulen gewährleistet?
    Mit freundlichen Grüßen
    Tina Crimmann

    • Autor
      Manja Kelch - SMK 8 Jahren vor

      Liebe Frau Crimmann, um Ihre Frage zu beantworten, muss ich etwas ausholen und auch nocheinmal etwas zur Definition und Ausbildung der Inklusionsassistenten sagen: Inklusionsassistenten unterstützen den Lehrer oder die Lehrerin beim gemeinsamen Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Kindern und Jugendlichen. Sie sind in der Regel ausgebildete Erzieher, Heilerziehungspfleger oder Personen mit einem Berufsabschluss im sozialen oder pädagogischen Bereich, mindestens auf Fachschulniveau. Vor ihrem Einsatz werden sie in einem Vorbereitungskurs auf ihre verantwortungsvolle Aufgabe im Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit einer Behinderung bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf vorbereitet. In dem Kurs werden die Teilnehmer für die Besonderheiten individueller Förderbedarfe sensibilisiert und mit einem umfassenden Handlungsrepertoire ausgestattet.

      Der Vorhabensbereich „Inklusionsassistent“ ersetzt jedoch keine anderen staatlichen Leistungen oder Leistungen des Bundes – insbesondere keine Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB VIII oder SGB XII. Schüler, die für die Bewältigung des Schulalltages auf ein hohes Maß an Unterstützung angewiesen sind (so wie Sie das in Ihren Beispielen beschreiben), erhalten diese durch Maßnahmen der Eingliederungshilfe (z. B. durch einen Integrationshelfer). Diese individuelle Hilfe wird von Inklusionsassistenten nicht übernommen.

  3. Nach UN-Konvention ist die Beteiligung von Selbstvertretern an Prozessen der Inklusion zu fördern.
    Im Fortbildungsportal sind jedoch keine Weiterbildungen von Selbstvertretern registriert. Zum Thema Autismus sind die Weiterbildung auch sehr auf „Verhalten“ fokussiert, jedoch nicht am Bedarf orientiert. Wir möchten Sie gern auf die Möglichkeiten unserer Weiterbildungen hinweisen. Unser Anliegen ist es über Autismus aufzuklären und lösungsorientierte und barrierefreie Sturkturen vorzustellen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Tina Crimmann
    http://www.leipzig-und-autismus.de

  4. Kristin Lehmann 8 Jahren vor

    Ich habe gelesen, dass ab dem neuen Schuljahr Inklusionsassistenten eingesetzt werden sollen. Das freut mich sehr. Trifft das auch für Gebärdensprachdolmetscher zu? Gerade an den Förderschulen für Hörgeschädigte ist die Benutzung der Deutschen Gebärdensprache verpönt, nahezu ausgeschlossen. Wie wird dann über die Einstellung der Dolmetscher entschieden? Wer veranlaßt die Beantragung?

    • Dr. Susann Meerheim - SMK 8 Jahren vor

      Sehr geehrte Frau Lehmann,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Pauschal ist ein Gebärdensprachedolmetscher als Inklusionsassistent nicht auszuschließen, allerdings müsste man sich die Ausbildung genau anschauen. Der Schwerpunkt liegt nämlich eher auf einer erzieherischen, pädagogischen Ausbildung, da es bei der Arbeit der Inklusionsassistenten um den Förderschwerpunkt Lernen sowie soziale und geistige Entwicklung geht (also nicht um das Hören). Ab März wird die Ausschreibung veröffentlicht, dieser können Sie dann genauere Informationen entnehmen. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich an die freien Träger (die die Ausschreibung und Auswahl vornehmen) oder die entsprechende Schule zu wenden, um den Bedarf abzufragen.

      Ich hoffe, die Information hilft Ihnen erst einmal weiter.

      Beste Grüße

      Susann Meerheim

    • Kristin Lehmann 8 Jahren vor

      Vielen Dank für die Antwort!

      Nein, sie reicht mir leider nicht. Ich war vielleicht nicht konkret genug. Wenn ein hörgeschädigtes Kind zweisprachig aufwächst und auf die Gebärdensprache nicht nur angewiesen ist, sondern sie auch zu seiner Persönlichkeit gehört, wie kann es dann in einer Schule am Unterricht teilnehmen und wie wird seine Gebärdensprachkompetenz und persönliche Entwicklung gefördert? In sächsischen Regelschulen ist mir nur ein Fall bekannt, an Förderschulen für Hörgeschädigte habe ich noch nicht davon gehört, dass die Deutsche Gebärdensprache unterrichtet und im Unterricht als Kommunikationsmittel benutzt wird. In Berlin z.B. ist mir bilingualer Unterricht bekannt und die Kinder entwickeln sich sehr gut. Wird dieses Problem im Gesetzesentwurf gelöst oder müßte eine Regelung im Sinne der Inklusion erst noch gefunden werden? (Seit dem Mailänder Kongress 1880 warten gehörlose Kinder auf gleichwertige Bildungsmöglichkeiten und die Anerkennung und Verwendung der Gebärdensprache im Unterricht.) Und wenn ja, wie nennen sich dann die Pädagogen oder Begleiter, Dolmetscher, Helfer, …. und werden sie von der Schule gestellt? Eine Beantragung über die Eingliederungshilfe belastet die Eltern zu stark, dauert of sehr lange und ist meines Erachtens auch nicht ihre Aufgabe, da für das Gelingen der Kommunikation an der Schule auch die Schule selbst verantwortlich sein muß.

      Vielen Dank

      Kristin Lehmann

    • Autor
      Manja Kelch - SMK 8 Jahren vor

      Sehr geehrte Frau Lehmann, gerne beantworten wir Ihre Fragen. Also der von Ihnen beschriebene konkrete Sachverhalt der Unterrichtung eines hörgeschädigten Kindes, das auf die Gebärdensprache angewiesen ist, wird nicht im Rahmen des Entwurfes des Schulgesetzes geregelt. Der inklusive Unterricht bei einer immer größeren Anzahl von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf kann verantwortungsbewusst nur in einem schrittweisen Umsetzungsprozess erfolgen.

      Bereits jetzt wird ein großer Teil der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Förderschwerpunkt Hören erfolgreich integrativ unterrichtet. Aufgabe und Verantwortung der Schulen für Hörgeschädigte ist es, die Gebärde als notwendiges und geeignetes Kommunikationsmittel für Kinder ohne Lautsprache anzubieten. Dies erfolgt aufgrund der dort eher vorhandenen Ressourcen bisher überwiegend an den Schulen für Hörgeschädigte. Auf der Grundlage und im Ergebnis der sonderpädagogischen Diagnostik haben die Lehrerinnen und Lehrer das Ziel und die Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler entsprechend ihren Voraussetzungen bestmöglich bei ihrer schulischen Entwicklung zu fördern. Aufgrund der großen Heterogenität der Schüler – auch und gerade an den Schulen für Hörgeschädigte – kann dies sowohl durch Nutzung der DGS, der Lautsprachbegleitenden Gebärde (LBG), der Lautsprachunterstützenden Gebärde (LUG) als auch der Lautsprache erfolgen.

      Lehrkräfte der Schulen für Hörgeschädigte interessieren und qualifizieren sich für den Einsatz der DGS in Schule und Unterricht, besuchen Fortbildungen und Kurse. Soweit im Einzelfall vor Ort umsetzbar, erfolgen auch Integrationen von Kindern, die auf Kommunikation in Gebärdensprache angewiesen sind. Dies ist tatsächlich immer nur auf den konkreten Einzelfall bezogen und mit umfassender Unterstützung möglich. Besonderer Schwerpunkt ist u. a. die weitere Erhöhung und Schaffung von Gebärdensprachkompetenz der Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen für Hörgeschädigte sowie an Regelschulen. Die Einstellung von qualifizierten Lehrkräften oder der Einsatz von Inklusionsassistenten mit Gebärdensprachkompetenz würde diesen Prozess ebenfalls unterstützen, erweist sich jedoch mangels geeigneter Bewerber oft als schwierig.

      Viele Grüße
      Manja Kelch

  5. Jana Neubert-Kropf 8 Jahren vor

    Seit Februar 2008 werden regelmäßig Lehrer in Zertifikatskursen „Integrativer Unterricht“ (ZINT) fortgebildet. Leider erfolgte bis heute keine Aufnahme der Tätigkeitsbeschreibung ins Schulgesetz und eine Festlegung einer allgemeingültigen Anrechungsmöglichkeit für alle Schulen. 2014 wurde uns in einem Schreiben von Herrn Rechentin eine Tätigkeitsbeschreibung übersandt und auf eine zeitnahe Abstimmung über die Anrechnungsmöglichkeiten hingewiesen. Bisher müssen die Schulen aber die zugewiesenen Intergationsstuinden verwenden, um die Arbeit der Multiplikatoren für Integration zu unterstützen. Wichtig wäre noch einmal, über eine Einbindung der Multiplikatoren für Integration im Schulgesetz nachzudenken.

    • Autor
      Manja Kelch - SMK 8 Jahren vor

      Liebe Frau Neubert-Kropf, danke für Ihren Kommentar! Meine große Bitte an Sie: Schicken Sie Ihren Kommentar bitte nochmal über das Onlinebeteiligungsformular auf unserem Bildungsserver hier: http://www.schule.sachsen.de/20836.htm Dort werden alle Korrekturvorschläge am neuen Schulgesetz geprüft und wenn sie überzeugen, auch im Schulgesetz aufgenommen! Viele Grüße