Weniger Faktenwissen, mehr Kompetenzen: Sachsens Lehrpläne werden überprüft

Weniger Faktenwissen, mehr Kompetenzen: Sachsens Lehrpläne werden überprüft

Mit der Novelle des Schulgesetzes ist auch eine Überprüfung der Lehrpläne aller Schularten verbunden und das gleich aus mehreren Gründen. In der öffentlichen Diskussion um den Entwurf des Schulgesetzes blieb ein Thema bislang weitgehend unberücksichtigt: die Lehrpläne. Doch auch sie müssen im Zuge der geplanten Gesetzesänderungen überprüft werden. Wesentlicher Grund dafür sind die Änderungen im Paragraph 1 des Schulgesetzentwurfes, der den Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule vorgibt. Bereits im vorliegenden Referentenentwurf ist der Absatz 3 neu formuliert worden.* Damit werden neue Leitlinien für das Unterrichten an Sachsens Schulen vorgegeben. Ob die vor über zehn Jahren erarbeiteten Lehrpläne dazu passen, muss jetzt geklärt werden.

Belastung der Schüler ist zu hoch

Weitere Gründe sprechen für die Überprüfung der Lehrpläne. Auf den Dialogforen zum Schulgesetzentwurf sprachen Eltern immer wieder den Unterrichtsstress ihrer Kinder an. Die Unterrichtsbelastung sei zu groß. Die Kinder hätten kaum noch Zeit für andere Dinge. „Eine Mutter sprach sogar von einem Kindeswohl gefährdenden Lernstress ihrer Töchter“, erinnert sich Kultusministerin Brunhild Kurth. Auf die Belastung der Schüler geht auch der Abschlussbericht zur Evaluation der gymnasialen Oberstufe ein. Wissenschaftlich begleitet von der Universität Tübingen und der technischen Universität hatte das Sächsische Bildungsinstitut in der Zeit von 2009 und 2014 die gymnasiale Oberstufe unter die Lupe genommen. Der Abschlussbericht liegt nun vor. HauptfachEin Ergebnis der Untersuchung: Die Unterrichtsbelastung in den Klassenstufen 11 und 12 wird als zu groß empfunden. In der Tat müssen sächsische Gymnasiasten mehr leisten als die Kultusministerkonferenz verlangt. Die KMK gibt als Gesamtstundenvolumen, das von der 5. Klasse bis zum Abitur geleistet werden muss, 265 Jahreswochenstunden vor. Sachsen liegt mit 269 Jahreswochenstunden darüber.

Vermittlung von Kompetenzen wichtiger als Faktenwissen

Gründe genug für Kultusministerin Brunhild Kurth, den Kurs für die Überprüfung der Lehrpläne vorzugeben. „Die Kunst muss für uns nun darin bestehen, an der anerkannt hohen Qualität der schulischen Bildung festzuhalten und gleichzeitig die Belastung der Schüler zu senken“, so die Ministerin. In einer Welt, in der sich das Wissen in immer kürzeren Zeitabständen vervielfache, komme es immer weniger auf Faktenwissen an, sondern vielmehr um die Vermittlung von Kompetenzen. „Schüler müssen lernen selbst zu denken. Guter Unterricht muss die Fähigkeit entwickeln, Antworten auf eigene Fragen zu finden. Um Schüler für das Leben auszurüsten, benötigen sie neben einem Basiswissen vor allem analytische Fähigkeiten. Sie sollten sich mit der Welt auseinandersetzen können und nicht allein Gelerntes nachbeten“, stellt die Kultusministerin klar.

Wann das Ergebnis der Lehrplanüberprüfung vorliegt, steht noch nicht fest. Klar ist nur, mit Inkrafttreten des neuen Schulgesetzes zum Schuljahr 2017/2018 müssen die Arbeit abgeschlossen und die Stundentafeln angepasst worden sein.

* Mit dem neuen Schulgesetz ist der Paragraph 1 des Schulgesetzes nunmehr neu gefasst und in Kraft getreten.

Dirk Reelfs, Pressesprecher im Sächsischen Staatsministerium für Kultus

7 Kommentare

  1. David 7 Jahren vor

    Gefühlt steigt der Schulstress bei Schülern immer weiter an. Als ich vor 15 Jahren Abitur gemacht hab war der Lehrplan (zumindest in Mathe) noch schlanker und G8 gab es noch nicht. Da wir alle immer älter werden frage ich mich wieso wir immer schneller immer mehr lernen müssen. Besser wäre es, sicherer in der Anwendung zu werden.
    Wenn ich mir heute Oberstufenschüler anschaue, verstehen diese meistens das aktuelle Thema; Nur haben sie die Grundlagen nie richtig trainiert.

  2. Vater 8 Jahren vor

    Ich gebe Ihnen Recht, das die in Sachsen verbreitete „Bildungsbulemie“ schnellstens abgeschafft werden muss und die Befähigung zum eigenständigen Lernen und zum Erkennen von komplexen Zusammenhängen in den Vordergrund pädagogischer Arbeit rücken muss. Das sage ich als leidgeprüfter Vater zweier im sächs. Bildungssystem befindlicher Kinder. Aber, sorry, ich glaube Ihnen nicht, das die in Aussicht stehende Stundenreduzierung rein gar nichts mit der (hausgemachten) Lehrermisere zu tun hat. Hier würde uns allen ein bischen mehr Ehrlichkeit gut zu Gesicht stehen. 100.000 Ausfallstunden per anno sprechen eine deutliche Sprache. Eine Entlastung der Kinder wäre neben dem Ausmisten der Stundenpläne auch durch Reduzierung der Schülerzahlen pro Klasse, kürzere Schulwege und eine insgesamt längere Lernzeit möglich. Die Stundenreduzierung mit Ihrer o.g. Begründung ist die einzig mögliche Form der Abwendung politisch schwerwiegender Eingeständnisse.

  3. Vater 8 Jahren vor

    Kann es sein, das die Reduzierung der Stundenanzahl ein offenkundiger Versuch ist, das Lehrerproblem in Sachsen zu entschärfen? Die Pflichtstundenanzahl der Lehrer oder die Anzahl der Schüler pro Klasse werden doch sicher nicht reduziert. Bei weniger Schulstunden braucht man automatisch weniger Lehrer. Zufall? Es passt zumindest in die seit Jahren laufende Diskussion um den allgegenwärtigen Lehrermangel.
    Und lassen Sie mich rechnen: Sachen unterrichtet 269 anstelle 265 Stunden, also satte 1,5% mehr als die KMK empfiehlt. Gleichzeitig pressen wir den Lernstofff in 12 anstelle 13 Jahren in die Kinder rein. Das sind dann rund 8% Lernzeit weniger. Wäre eine Entlastung der Schüler nicht auch durch Verlängerung der Schulzeit möglich? Rein rechnerisch würde das eine Reduzierung der Stunden pro Zeiteinheit ergeben. Warum wird darüber nicht laut nachgedacht?

    • Manja Kelch - SMK 8 Jahren vor

      Es muss doch dennoch möglich sein, eine bildungsfachliche Diskussion zu führen. Ziel soll sein, die Belastung der Schüler zu senken, ohne dass das Bildungsniveau darunter leidet. Der Schulgesetzentwurf gibt zudem neue Leitlinien vor, für die die Lehrpläne geändert werden müssen. Und zum Thema G 8 / G9: Es kann nicht darum gehen, den Schülern möglichst viel Stoff zu vermitteln und deshalb ein neunjähriges Gymnasium zu fordern. Es kommt eben vielmehr darauf an, Kompetenzen zu entwickeln und Schüler zum „Weiterlernen“ zu befähigen. Genau deshalb spielt die Dauer der Schulzeit nicht die entscheidende Rolle. Hauptziel muss es sein, den Abiturienten grundlegendes anwendungsbereites Wissen und Kompetenzen zu vermitteln, dass sie für ihren weiteren Bildungsweg benötigen.

    • Vater 8 Jahren vor

      Nun, das heisst, der geringer werdende Bedarf an Lehrern, Gebäuden und Ausrüstung ist nur ein angenehmer Nebeneffekt. Alle Überlegungen zur Reduzierung der Stundenzahl haben mit dem Lehrerproblem absolut nichts zu tun?

    • Manja Kelch - SMK 8 Jahren vor

      Wir gehen die Diskussion um die Lehrpläne jetzt ausschließlich bildungsfachlich an.

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