Bürgerforum zur Schulgesetznovelle: Rekordinteresse in Ostsachsen

Bürgerforum zur Schulgesetznovelle: Rekordinteresse in Ostsachsen

Bautzen. Die Anmeldeliste war schon am Freitag voll, 135 Leute kamen dann am Montagabend: Das vierte Bürgerforum zur neuen Schulgesetznovelle erzeugte ein neues Rekordinteresse und füllte die große, ehrwürdige Aula des Bautzener Friedrich-Schiller-Gymnasiums komplett.

Auf dem Flügel spielte zum Empfang Schülerin Luisa, als der Schulleiter Andreas Kämpe die Gäste begrüßte. Im Kontrast zum Saal – vor 115 Jahren als prunkvolle Neugotik gebaut – zeigte eine hypermoderne Multimediatafel den langen Weg des zu diskutierendes Gesetzes, laut Kultusministerin Brunhild Kurth das größte Vorhaben der aktuellen Regierungskoalition im Freistaat überhaupt. So war für den Glanz der Vergangenheit kaum Zeit angesichts des heiklen Themas, der Zukunft von Sachsens Grundlagenbildung.

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    © Nicole Herzog

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© Nicole Herzog

 

Grenzwertiger Ansturm, aber sachliches Klima

Das Grundproblem war hier ein anderes: Durch den Überschwang unangemeldeter Gäste gerieten die vier Diskussionsrunden, die als sanft moderierter, genau einstündiger Fachdialog im Rundtischformat mit Hilfe je eines Gesetzesexperten aus dem Kultusministerium sinnvolle Anregungen liefern, teilweise so groß, dass nicht jeder zu Wort kommen kann. So besteht die Gefahr, dass – wie im normalen Leben – die Schnellen und Lauten die Nach- oder gar Vordenkenden übertölpeln. Doch das ist hier nicht Sinn der Sache, daher die methodisch bedingte Obergrenze. So fanden sich am Thementisch Inklusion, wie überall der anziehendste Aufreger, 57 Leute wieder. Vor allem Vertreter von Grund- und Förderschulen, denen die gesetzlichen Kann-Bestimmungen noch zu vage sind und die in der freien Wahloption zur ersten Klasse Probleme sehen, kamen zu Wort und hoffen auf genaue Auführungsbestimmungen. Doch hier blieb – wie in den drei anderen Räumen – dank guter Vorbereitung und großer Disziplin (Publikumseinwurf: „Haben wir in der POS gelernt!“) der Teilnehmer der Charakter erhalten: Es gab viele Fragen, sachliche Kritik, etliche Anregungen und oft auch logische Antworten seitens der Gesetzesurheber.

Sachsens Kultusministerin Brunhild Kurth, die wie gewohnt als Initiatorin dieser sächsischen Premiere das erste und das letzte Wort hatte, bekam diesmal keinen Sitzplatz in den Diskussionsrunden, mischte sich dennoch aktiv in drei Diskussionen ein. So in der Runde „Eigenverantwortung von Schulen“ mit 28 Leuten und dem Thema Lehrermangel. Derzeit verhandele das Kultus- mit dem Wissenschaftsministerium sehr intensiv über die neue Zielvereinbarungen mit den Unis bei der künftigen Lehrerausbildung, um vor allem den Bedarf an Oberschulen zu decken. Dabei schloss Kurth generell eine Rückkehr auf Fachschulniveau aus: „Das Lehramt muss ein Universitätsabschluss bleiben“, sagte sie und verwies auf den Grund: Es ist eine Sache der späteren Eingruppierung, also der Bezahlung, vor allem für Grundschullehrer.

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© Nicole Herzog

Profilfach und Schulpflicht obsolet?

Andreas Kämpe, vom Grade her Oberstudienrat, hatte seine Gruppe zur Schulausstattung zwecks ruhigerer Atmosphäre flugs ins benachbarte Chemielabor geführt. Hier diskutierten 20 Leute – und Kämpe stellte das Profilfach in Frage: Es koste jede Schule zu viele Ressourcen. Er plädierte auch für eine Entschlackung der Lehrpläne, damit Schüler und Lehrer, letztere oft gleichzeitig in der Funktion als Sozialarbeiter oder Psychologe gefordert, mehr ins Gespräch kommen – auch über die Welt „da draußen“.

Heiß ging es auch bei „Schulen im ländlichen Raum“ und 30 Diskutanten zu. Die Kamenzerin Marion Junge, als Linke einzige Landtagsabgeordnete an diesem Abend, wies darauf hin, dass bei der geforderten Mindestquote von 750 Lehrlingen pro Berufsschulzentrum nach ihren Recherchen alle in Ostsachen gefährdet seien. Schulnetzplaner Thomas Rechentin nahm den Hinweis auf, verwies auf die Regelung zu den Fachklassenlisten in §23a und auf die kommenden Landtagsdebatten – dort sei diese Zahl garantiert ein Thema. Wie schon zuvor in Meißen kochte auch die Frage nach „Homeschooling“, hier als Sparmaßnahme für den Freistaat angepriesen, kurz auf: Hier verwies Rechentin schlicht darauf, dass in keinem der 16 Bundesländer die gesellschaftliche Errungenschaft Schulpflicht zur Debatte stehe und jeder Schüler für Sachsen wichtig sei. Nach den Winterferien geht es sofort weiter: noch fünf Bürgerforen sind fix datiert.

Am 24. Februar gibt es noch ein Bürgerforum in Torgau (18 Uhr, Johann-Walter-Gymnasium), in dem noch Plätze frei sind. Alle anderen Veranstaltungen sind bereits ausgebucht. Aufgrund der großen Nachfrage gibt es eine zusätzliche Veranstaltung
am 1. März in Chemnitz (18 Uhr, BSZ Wirtschaft 1, Lutherstraße 2).  Ganz wichtig: Aus Planungsgründen wird dringend gebeten, sich zuvor per Internet anzumelden!

Wer nicht persönlich kann, dem bleibt bis 7. März 2016 auch der Netzweg als Option.

Dialogtermine und Bürgerbeteiligung
Gesetzentwurf plus Synopse zum Vergleich

9 Kommentare

  1. Krenbauer 8 Jahren vor

    Schön jedenfalls, die Suppe ist in Bautzen übergekocht. Dort wo gerade Herr Bienst herkommt, dort wo seiner Meinung nach alles Sonne, Freude, Eierkuchen ist. „Was sie Elternräre nur immer haben“ , Haben wir was? Verflixte Kiste aber auch.

  2. Krenbauer 8 Jahren vor

    “ Ist es wirklich so schlimm “ ,- schlimmer, es ist schlimmer. So sehr es Grund zum aufregen gibt, das Kind liegt im Brunnen und sinkt weiter. Aber mit “ am Rand stehen und jammern “ bekommen wir es nicht hoch. Es muss aber raus! Schuld oder nicht, schwarz oder weiß, Quereinsteiger- geeignet oder nicht, wer entscheidet das jetzt. Jetzt wo wir alle Hände brauchen. Ich erwarte Unterricht für unsere Kinder, querdenken, kreativ denken, festgefahrenes ablegen, zu mindest zeitlich begrenzt. Alles muss geprüft werden. Ich erwarte Unterricht für unsere Kinder. Und lieber Freistaat, mach Geld locker, und zwar so, das es bei unseren Schülern und Schulen ankommt.

  3. Doering 8 Jahren vor

    Oh weia… hier würde ich gern etwas mehr Demut seitens der Verantwortlichen spüren. Wie ist es denn zu dieser bundesweit einzigartigen Lehrerstruktur gekommen? Es war doch klar, das nach jeweils 365 Tagen ein Lehrer um genau 1 Jahr älter wird und somit seiner Pensionierung näher kommt. Es wurden einfach keine Lehrer eingestellt, uns fehlt das mittlere Alter. Und zwar wurde das ganz bewusst hingenommen. Seiteneinstieg ? Soll das heissen wir lassen unsere Kinder künftig von pädagogischen Laien unterrichten? Die Überschrift des SZ-Artikels trifft es auf den Punkt „Ist es wirklich so schlimm?“. Ich als Vater zweier schulpflichtiger Kinder sage: NEIN, es ist noch viel schlimmer ! Gehen Sie mal an die Schillerschule Dresden. Da wird die Klassenlehrerin abgezogen, weil in einer anderen Schule noch größere Not herrscht. Egal, mit welchen Eltern man sich unterhält und auch die eigene Erfahrung sagt: Katastrophe ! Aber ich bin ja froh, das Frau Ministerin jetzt die Brisanz erkannt hat. Vergessen Sie das Sahnehäubchen Inklusion. Ich brauch ein Haus nicht hübsch anmalen, wenn der Keller brüchig ist. Zu ihrem Glück hat die CDU als Wählergruppe eher die wachsende Gemeinde der Rentner im Blick.
    In Ihrem Blog widmen Sie mehr Worte der Gebäudearchitektur als diesem zentralen Thema sächsischer Bildungsrealität.

    • Manja Kelch - SMK 8 Jahren vor

      Dass die Altersstruktur der Lehrer heute so ist, wie sie ist, hat mehrere Gründe. In Sachsen haben sich die Schülerzahlen seit Mitte der 90er Jahre halbiert. Angesichts dieser deutschlandweit einmaligen Entwicklung musste man sich entscheiden, die nicht mehr benötigten Lehrer entweder zu entlassen oder im Schulsystem zu belassen. Für Letzteres hatte sich die Regierung gemeinsam mit den Gewerkschaften entschieden. Die Folge ist die jetzige Situation. Viele Jahre konnten kaum junge Nachwuchskräfte eingestellt werden, was dazu führte, dass heute, wie Sie treffend schreiben, die mittlere Lehrergeneration fehlt.
      Übrigens qualifizieren sich Seiteneinsteiger pädagogisch und fachlich weiter, das ist vertraglich geregelte Voraussetzung für den Seiteneinstieg.

    • Doering 8 Jahren vor

      Damit bringen Sie es auf den Punkt, was die Sache nicht besser macht. Die Politik, das Kultusministerium, hat es über Jahre versäumt, eine vernünftige Altersstruktur der Lehrerschaft zu erhalten. Man hat den jetzigen Zustand sehenden Auges in Kauf genommen. Bitte verlangen Sie dafür von mir und anderen Eltern weder Verständnis noch Beifall. Was allein an der Schule meiner großen Tochter an Ausfall zu verzeichnen ist, strotzt jeder Erklärung. Und selbst da wird mit statistischen Tricks und Kniffen versucht, das Elend kleinzureden. Aber sich um Inklusion kümmern, was als solches eine gute Idee ist, als ganzes aber nur in gefestigten Strukturen funktionieren kann. Wenn jetzt schon kaum Lehrer dasind, dann ist auch keiner da, der sich besonders um lernschwache oder körperbehinderte Kinder kümmern kann. „Viele Jahre konnten kaum junge Lehrer eingestellt werden …“ WER HAT SIE DENN DARAN GEHINDERT ? Wieso konnten denn keine eingestellt werden? Mir fehlen da die Begründungen. Wenn ich heute keine Bäume pflanze, werde ich morgen keine Früchte ernten. Und das Pflanzen macht Mühe und verursacht Kosten, ist aber unabdingbar für zukünftige Ernten. Sie haben sich einfach auf den Arbeitsmarkt verlassen und sind jetzt überrascht, wie dieser sich doch der Nachfrage angepasst hat. Und sooo wahnsinnig attraktiv ist das Lehrersein in Sachsen auch nicht, wenn ich als Lehrer in Grenznähe zu Bayern oder Hessen wohnen würde, ich wüsste genau wo ich arbeiten ginge (wenn sie mich lassen). Also machen Sie jetzt Ihre Hausaufgaben, letztlich sind Sie als Kultusministerium für die Situation verantwortlich zu machen. Niemand anderes hat die aktuelle Situation herbeigeführt. Leider wird sich das Nichtstun noch lange Zeit auswirken. Ich wünsche der Frau Ministerin Kraft, sich gegen den Finanzminister, der bei uns ja die Bildungspolitik bestimmt, und den Ministerpräsidenten, der eher durch Aussitzen von Problemen auffällig ist, durchzusetzen und nicht wie ihr Vorgänger aufgrund zu vieler ehrlicher Worte abgesägt zu werden.

    • Manja Kelch - SMK 8 Jahren vor

      Es konnten keine Nachwuchslehrer eingestellt werden, weil es bereits viel zu viele Lehrer im Schulsystem gab. Wen sollten sie denn unterrichten? An Geld und freien Lehrerstellen mangelt es ja derzeit nicht, sondern an ausreichend Bewerbern für die Schularten und Fächer und Regionen (vor allem ländlicher Raum), für die wir dringend Lehrer brauchen. Deshalb geht das Ministerium bereits neue Wege, zum Beispiel mit mehr Einstellungen im Februar. Genaueres dazu hier: http://www.bildung.sachsen.de/blog/index.php/2015/12/10/rekord-bei-lehrereinstellung-fuer-februar/

    • Ulla 8 Jahren vor

      Warum sollte das Resonanzgesetz auneerechsgt in der Schule nicht gelten?Warum will das, was aus der Schule heraushallt, nie jemand hineingerufen haben?Warum will sich das, was sich ausbildet, immer keiner eingebildet haben?Wenn wir immer nur Machwerke machen, wie soll sich dann Bildung bilden?Wenn wir das, was wir sich nicht bilden lassen, auch noch ste4ndig verhausgesetzen griech. oikos = das Haus und nomos = das Gesetz wollen, wen soll da die ste4ndige Zunahme des Chaos noch wundern?Freundlich grfcdftFranz Josef Neffe

  4. Doering 8 Jahren vor

    Das ganze liest sich in der heutigen „SZ“ aber anders. Was ist denn da los?